JudikaturVfGH

V12/09 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
10. Dezember 2009

Spruch

Die Verordnung des Bezirkshauptmannes von Murau vom 14. Juli 2006, Z11.066/06, wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zwei zu B549/07 und

B1421/07 protokollierte Beschwerden gemäß Art144 B-VG gegen Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung anhängig, mit denen Berufungen gegen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 14. August 2006 bzw. vom 16. März 2007 abgewiesen wurden. Die Bezirkshauptmannschaft Murau hatte den Beschwerdeführern Ausnahmebewilligungen von dem auf Grund der Verordnung des Bezirkshauptmannes von Murau vom 14. Juli 2006 auf der B 317 zwischen Scheifling und Dürnstein für Lastkraftwagen mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t geltenden Fahrverbot versagt.

2. Der Beschwerdeführer des zu B549/07 protokollierten Verfahrens betreibt ein Transportunternehmen mit Sitz in St. Gallen, Bezirk Liezen. Nach seinem Vorbringen ist sein Hauptkunde ein Unternehmen der Holzindustrie in Landl, ebenfalls Bezirk Liezen, für das er mit seinem Sattelzug (LKW samt Aufleger) einen Linienverkehr nach Sizilien durchführt. Die LKW-Fahrverbotsverordnung hält er für gleichheitswidrig, weil Fahrten des Ziel- und Quellverkehrs im angrenzenden Bezirk Leoben und den nahe gelegenen Bezirken Judenburg, Murau, Knittelfeld, Tamsweg und St. Veit a.d. Glan vom Fahrverbot ausgenommen seien, seine lediglich 15 km von der Bezirksgrenze entfernt beginnenden und endenden Transportfahrten hingegen nicht.

3. Die Beschwerdeführerin des zu B1421/07 protokollierten Verfahrens ist ein Transportunternehmen mit Sitz in St. Veit a.d. Glan, das für Lastkraftwagen ihrer zypriotischen Kooperationspartnerin Ausnahmebewilligungen von der LKW-Fahrverbotsverordnung beantragt hat. Gegen das LKW-Fahrverbot bringt sie vor, der Bezirkshauptmann von Murau sei zur Erlassung dieser Verordnung nicht zuständig gewesen, weil diese Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Bezirke Judenburg, Knittelfeld, Leoben, Tamsweg und St. Veit a.d. Glan enthalte und damit über den Bezirk Murau hinauswirke. Die Zuständigkeit zur Erlassung solcher Verordnungen falle in die Kompetenz der Landesregierung. Darüber hinaus gehe das vom Bezirkshauptmann von Murau eingeholte verkehrstechnische Gutachten von nicht zutreffenden Voraussetzungen aus.

4. Aus Anlass dieser Beschwerden beschloss der Verfassungsgerichtshof am 4. Dezember 2008 gemäß Art139 Abs1 B-VG, die Verfahren zu unterbrechen und die Gesetzmäßigkeit der im Spruch genannten Verordnung von Amts wegen zu prüfen.

5. Diese Verordnung hat folgenden Wortlaut:

"VERORDNUNG

Gemäß §43 Abs1 litb Zif. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, i.d.g.F. verordnet die Bezirkshauptmannschaft Murau wie folgt:

§1

Auf der B 317 zwischen Scheifling und Dürnstein ist von Straßenkilometer 19.070 bis Straßenkilometer 19.600 (Kreuzungsbereich B 317 - B 96) und von Straßenkilometer 0.00 (Kreuzungsbereich B 317 - B 96) bis Straßenkilometer 22,810 (südliches Ortsende von Dürnstein) das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t in beiden Richtungen (§52 lita Ziffer 7a StVO 1960 i.d.g.F.) verboten.

§2

Von diesem Verbot sind ausgenommen:

§3

Rechtsvorschriften, mit denen weitergehende Fahrverbote angeordnet werden, bleiben unberührt.

§4

Diese Verordnung tritt mit dem der Kundmachung in der Grazer Zeitung folgenden Tag in Kraft.

§5

Mit dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung treten die Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 5. Juli 2004, GZ.: 11.0 27/04 außer Kraft.

Der Bezirkshauptmann:

..."

6. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung gingen zum einen dahin, dass die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden zur Verordnungserlassung durch §94b StVO 1960 insoweit beschränkt werde, als diese nur Verordnungen erlassen können, die "nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden sollen". Da die B 317 dem Durchzugsverkehr diene und die Verordnung des Bezirkshauptmannes von Murau in die Verkehrssituation anderer Bezirke eingreife, wirke sie über die Bezirksgrenze hinaus, sodass der Bezirkshauptmann von Murau zur Erlassung der Verordnung nicht zuständig gewesen sein dürfte.

Mit Blick auf eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes hegte der Verfassungsgerichtshof das weitere Bedenken, die Ausnahmebestimmung in §2 litd der Verordnung begünstige LKW-Fahrten des Ziel- und Quellverkehrs in den Bezirken Murau, Judenburg, Knittelfeld, Leoben, Tamsweg und St. Veit a.d. Glan, während in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise jene Fahrten im Bezirk Liezen - obwohl dieser Bezirk dem Fahrverbotsbereich geographisch näher liege als etwa der Bezirk Tamsweg - nicht vom Fahrverbot ausgenommen seien. Diesem Bedenken lag die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes zugrunde, die verordnungserlassende Behörde habe kein Gutachten darüber eingeholt, ob auch der Ziel- und Quellverkehr im Bezirk Liezen - oder zumindest im östlichen Teil dieses Bezirkes - vom Fahrverbot ausgenommen hätte werden müssen. Zur Frage der sachlichen Rechtfertigung des Ausnahmenkatalogs für Ziel- und Quellfahrten dürfte daher ein Ermittlungsverfahren fehlen.

7. Im Verordnungsprüfungsverfahren erstattete der Bezirkshauptmann von Murau eine Äußerung, der sich die Steiermärkische Landesregierung - ohne eigene Stellungnahme - mit Beschluss vom 23. März 2009 "voll inhaltlich" anschloss.

7.1. Der Bezirkshauptmann von Murau verteidigt seine Zuständigkeit zur Verordnungserlassung. Der Verfassungsgerichtshof lege seinen Bedenken die Annahme zugrunde, dass die Wortfolge "nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll" des §94b Abs1 erster Satz StVO die faktischen Auswirkungen einer Verordnung im Auge habe. Diese Annahme treffe aber deshalb nicht zu, weil sich schon aus der StVO ergebe, dass der Begriff "wirksam werden" nur als "rechtlich wirksam sein" bzw. "rechtliche Wirkungen entfalten" verstanden werden könne. Er führt dazu aus:

"Es deutet somit nichts darauf hin und es lässt sich auch kein Anhaltspunkt dafür finden, dass dieser Begriff in der StVO anders verwendet werden sollte als sonst in der Rechtsordnung. Um dies zu bestätigen, sollen die Bestimmungen der StVO kurz analysiert werden:

Die StVO kennt den Begriff 'wirksam' - abgesehen von dem hier relevanten §94b und dem im Einleitungssatz gleich lautenden §94d - in den Bestimmungen §§44 Abs5, 44a Abs2, §59 Abs2 und §73 Abs5. Für die folgende Betrachtung können §44 Abs5 und §73 Abs5 ausgeschieden werden (es handelt sich jeweils um einen Fall der Effektivität).

Im §59 Abs2 wird 'wirksam war' im Sinne von 'rechtlich aufrecht war' oder 'gegolten hat' zu verstehen sein.

Von größerer Bedeutung ist allerdings §59 Abs3. Diese Bestimmung lautet:

'Soll eine Verfügung (...) für zwei oder mehrere Bundesländer wirksam werden, (...)'

Pürstl/Somereder, StVO11, Anm 7 zu §59, verweisen hierzu auf Art15 Abs7 B-VG. Diese Bestimmung lautet (auszugsweise):

'Wenn ein Akt der Vollziehung eines Landes (...) für mehrere Länder wirksam werden soll, (...)'

Diese Wendung 'wirksam werden soll' wird dabei nach einhelliger Auffassung so verstanden, dass es sich dabei um Rechtswirkungen, nicht aber um faktische Wirkungen handelt (Mayer, B-VG Kurzkommentar4, Art15 Abs7 Anm VII;

Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrechtl0, Rz 855). Diese Rechtsansicht wird auch von Thienel, 'One-stop-shop' und Zuständigkeitskonkurrenzen, wbl 2002, 249, insb FN 13, sowie Berchtold, Der örtliche Geltungsbereich von Akten der Vollziehung, ZfV 1994, 404, geteilt. Somit ist 'wirksam werden' in §59 Abs3 der gleiche Bedeutungsinhalt wie in Art15 Abs7 B-VG zuzumessen.

Auch §44a Abs2 StVO enthält eine ähnliche Formulierung. Die Bestimmung lautet (auszugsweise):

'(2) Die Verordnung (...) hat zu enthalten

a) die Bestimmung der Strecke, auf der die Verkehrsmaßnahmen wirksam werden sollen,

b) die Festsetzung der Zeiten, in denen die Verkehrsmaßnahmen wirksam werden sollen,

c) die Voraussetzungen, unter denen die Verkehrsmaßnahmen wirksam werden sollen (...)'

Eine Verordnung nach §44a StVO hat auf Grund des Abs2 lita jene Strecke zu 'bestimmen' (d.h. festzulegen), für welche die Verordnung wirksam werden soll, für welche die Verordnung also gilt und damit rechtliche Wirkungen entfaltet. Dies ergibt sich jedenfalls aus der Kundmachungsform: Die Verordnung tritt nach Abs3 mit der Anbringung oder Sichtbarmachung der ihr entsprechenden Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen in Kraft.

Eine derartige Verordnung könnte (und dürfte) gar nicht jene Strecke beschreiben, auf der es zu (irgendwelchen) faktischen Auswirkungen der Verordnung kommen kann. Sollten nämlich unter lita die faktischen Auswirkungen gemeint sein, müsste sich der Geltungsbereich der Verordnung auf den ganzen räumlichen Bereich beziehen, der von diesen faktischen Auswirkungen umfasst wäre. Damit wäre aber verbunden, dass die Verordnung nicht ordnungsgemäß kundgemacht werden könnte: die Straßenverkehrszeichen müssten dort (also am Ende des Gebietes) aufgestellt werden, wo keine normativen Anordnungen mehr getroffen worden sind bzw. getroffen werden sollten. Die Beschreibung möglicher künftiger faktischer Auswirkungen (i.S.v. 'bestimmen') kann daher nicht Gegenstand einer Verordnung sein. Mit 'wirksam werden sollen' ist in §44a Abs2 StVO ausschließlich die rechtliche Wirksamkeit gemeint.

Auch die speziellen Kundmachungsregeln der StVO stützen diese Ansicht:

§51 Abs1 StVO 1960 besagt u.a. eben genau, dass 'die Vorschriftszeichen' - im Gegenstande handelt es sich ja um solche - 'vor der Stelle, für die sie gelten, anzubringen sind.' Diese Formulierung weist eindeutig auf den Umstand hin, dass sich die Wirkung der Verordnung erst ab dem Verkehrszeichen entfaltet und demnach ausschließlich die RECHTSWIRKUNG (und auf keinen Fall eine allfällige weiterreichende faktische Wirkung) der Verordnung gemeint sein kann.

Wenn somit in der StVO - sowohl in §59 Abs3 als auch in §44a Abs2 - die Wortfolge 'wirksam werden' mit dem Begriffsinhalt 'rechtliche Wirksamkeit' verstanden wird und sich somit kein abweichender Bedeutungsinhalt des Wortes 'wirksam' ergibt, sich diese Begriffsbildung somit mit der in der übrigen Rechtsordnung deckt (vgl. die Ausführungen zu Punkt 1.2), so muss demselben Begriff in §94b StVO auch derselbe Bedeutungsinhalt unterstellt werden. Wirksam im Sinne des §94b StVO bedeutet somit rechtswirksam."

Im Anschluss daran nimmt der Bezirkshauptmann von Murau auf praktische und verfassungsrechtliche Probleme Bezug, die - legte man die angeführte Wortfolge "wirksam werden soll" lediglich im Sinne faktischer Auswirkungen aus - mit einem solchen Verständnis verbunden wären. Dazu führt er aus:

"Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die faktischen Auswirkungen aber kein Kriterium für die Abgrenzung der Zuständigkeit sein können, denn sie würden einer verfassungsrechtlich gebotenen eindeutigen Zuständigkeitsverteilung widersprechen, und zwar aus folgenden Gründen:

Wenn die faktischen Auswirkungen berücksichtigt werden müssten, wäre die Zuständigkeit der verordnungserlassenden Behörde davon abhängig, dass zuerst geprüft werden müsste, welche Auswirkungen eine geplante Verordnung hat. Dies führte dazu, dass bei jedem nur denkbaren straßenpolizeilichen, für die Allgemeinheit gültigen Verwaltungsakt noch VOR Klärung der Zuständigkeitsfrage alle erdenklichen faktischen Auswirkungen dieser beabsichtigten Maßnahme erhoben werden müssten, und dies lediglich mit dem Ziel, diejenige Behörde zu finden, die in weiterer Folge die geplante Maßnahme setzen müsste.

Die Frage der Zuständigkeit wäre in den meisten Fällen wohl nicht nur schlicht nicht prognostizierbar, sondern würde von einer Fülle von (letztlich) zufälligen Entwicklungen abhängen, die zum einen immer nur ex post feststellbar wären, über deren tatsächliche Effekte sich auch ex post trefflich streiten ließe, und die schließlich darüber hinaus einer ständigen Veränderung unterworfen wären, was ein großes Maß an Rechtsunsicherheit zur Folge hätte."

...

Bei weiterer Verfolgung käme es nach ha Ansicht zu einem Zustand gravierender Rechtsunsicherheit. Die in einem Strafverfahren belangten Verkehrsteilnehmer könnten vor dem VfGH jeweils argumentieren, die tatsächlichen Auswirkungen seien größer als die von der Behörde angenommenen oder eben auch geringer. Nach Ansicht der belangten Behörde ist es dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, ein derart vages und in jeder Hinsicht unsicheres Kriterium für die Abgrenzung des Zuständigkeitsbereiches vorgesehen zu haben (vgl. auch Dittrich-Veit-Veit, Österreichisches Straßenverkehrsrecht, I. Teil:

Straßenverkehrsordnung 1960, Anm. 6 zu §94d, der im Wortlaut 'wirksam werden' mit §94b identisch ist).

...

Würde man die Wortfolge 'wirksam werden sollen' im Sinne von 'faktisch wirksam werden sollen' verstehen, dann wäre die Zuständigkeit von den faktischen Auswirkungen der entsprechenden Verordnung abhängig. Das Vorliegen solcher faktischen Auswirkungen ist aber schlechthin nicht feststellbar, insbesondere existieren im Gesetz keine Anhaltspunkte, was solche 'faktischen Auswirkungen' sind und wie diese gegebenenfalls festgestellt werden können.

Unter diesen Voraussetzungen wäre die Bestimmung des §94b Abs1 StVO im Lichte der zuvor zitierten Rechtsprechung des VfGH verfassungswidrig. Da eine einfachgesetzliche Bestimmung im Zweifel so auszulegen ist, dass ihr kein verfassungswidriger Inhalt unterstellt wird, muss die Wortfolge 'wirksam werden sollen' dahingehend verstanden werden, dass der Gesetzgeber damit 'rechtlich wirksam werden sollen' gemeint hat.

1.5 Ergebnis

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Wortfolge 'wirksam werden' ausschließlich als 'rechtlich wirksam werden' zu verstehen ist und die Zuständigkeit daher davon abhängt, in welchem vrtlichen Bereich die gegenständliche Verordnung Rechtswirkungen entfaltet. Der Bezirkshauptmann von Murau vermeint daher mit guten Gründen die Rechtsauffassung zu vertreten, dass er für die Erlassung der gegenständlichen Verordnung jedenfalls zuständig war: Aus §1 der Verordnung ist ersichtlich, dass die Verordnung für eine Straßenstrecke, die innerhalb des Bezirks gelegen ist, verfügt wurde und somit auch nur innerhalb der Grenzen des Bezirkes Murau (rechts-)wirksam geworden ist."

7.2. Der Bezirkshauptmann von Murau ist darüber hinaus der Ansicht, dass das Verfahren zur Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnung ordnungsgemäß abgewickelt worden sei, ausreichende Gutachten vorlägen und die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss angenommene Gleichheitswidrigkeit nicht bestehe:

"Am 23.05.2006 wurde von den Marktgemeinden Scheifling und Neumarkt sowie den Gemeinden Perchau am Sattel, Dürnstein und St. Marein bei Neumarkt schriftlich die Erlassung einer Verordnung eines Fahrverbotes für LKW über 7,5 t höchst zulässigem Gesamtgewicht angeregt. Daraufhin hat die BH Murau Herrn DI H. F., IFS-Ziviltechniker GmbH in Innsbruck, am 26.05.2006 mit der Überprüfung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs unter besonderer Berücksichtigung des Schwerverkehrs und dessen Auswirkungen auf die tatsächliche Bedeutung des Straßenzuges B 317 sowie der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.

DI F. erstellte am 30.06.2006 das dem nunmehrigen Fahrverbot zugrunde liegende verkehrstechnische Gutachten. Der Bezirkshauptmann von Murau leitete daraufhin am 30.06.2006 in Wahrung des Anhörungsrechtes das Verfahren gemäß §94f Abs1 StVO ein, wobei die gesetzlichen Interessensvertretungen mit Fax vom 30.06.2006 von der beabsichtigten Verordnung eines Fahrverbotes für LKW mit mehr als 7,5 t höchst zulässigem Gesamtgewicht in Kenntnis gesetzt wurden.

Seitens der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, Außenstelle Murau, wurde mit Schreiben vom 05.07.2006 das beabsichtigte Fahrverbot ausdrücklich begrüßt. Seitens der Marktgemeinde Neumarkt, der Gemeinde St. Lorenzen bei Scheifling, der Stadtgemeinde Friesach in Kärnten, der Gemeinde Dürnstein in der Steiermark und der Gemeinde St. Marein bei Neumarkt wurde die beabsichtigte Verordnung des gegenständlichen Fahrverbotes ebenfalls befürwortet.

Seitens der Wirtschaftskammer Salzburg wurde im Rahmen des Anhörungsverfahrens mit Schreiben vom 10.07.2006 die Aufnahme des politischen Bezirkes Tamsweg als Ziel- und Quellbezirk angeregt. Der verkehrstechnische Sachverständige DI F. stellte in einer ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten vom 30.06.2006 fest, dass die Aufnahme des Bezirkes Tamsweg in die Ziel- oder Quellverkehrsbezirke möglich sei, ohne dass die Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs dadurch beeinträchtigt werde. Hinsichtlich der Aufnahme des Bezirkes Leoben als Ziel- und Quellverkehrsbezirk gab der verkehrstechnische Sachverständige DI F. ebenfalls eine gleich lautende ergänzende Stellungnahme zum verkehrstechnischen Gutachten vom 30.06.2006 ab.

Hinsichtlich aller anderen im Anhörungsverfahren vorgebrachter Anträge und Ersuchen (Industriellenvereinigung Steiermark vom 12.7.2006, Wirtschaftskammer Kärnten vom 13.7.2006 und Wirtschaftskammer Steiermark vom 14.7.2006) holte der Bezirkshauptmann von Murau ebenfalls eine ergänzende Stellungnahme zum verkehrstechnischen Gutachten ein, die allerdings das Ergebnis brachte, dass das gesetzlich vorgegebene Ziel, durch Erlassung der Verordnung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs (wieder) herzustellen, bei einer weiterreichenden Ausdehnung der Ziel- und Quellverkehrsbezirke nicht mehr erreicht werden könne. Daraus ergibt sich, dass die Situation im Bezirk Liezen bereits vor Erlassung der Verordnung berücksichtigt wurde und als Ergebnis des Gutachtens samt Ergänzungen der Bezirk Liezen nicht in die Ausnahmebestimmung aufzunehmen war.

Zusammenfassend wird festgehalten, dass der Bezirkshauptmann von Murau in dem der Erlassung der Verordnung vorausgehenden Ermittlungsverfahren und somit bei der Interessensabwägung nach seiner Ansicht gebührend auf die Rechtsprechung des EuGH vom 15.11.2005, Rs C-320/03, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wie z.B. in VfSlg. 13.482/1993 und VfSlg. 14.169/1995 und das Rechtsgutachten des Herrn Univ. Prof. DDr. Heinz Mayer vom 01.10.2004 Bezug genommen hat."

Zum verkehrstechnischen Gutachten im Verordnungserlassungsverfahren führt der Bezirkshauptmann von Murau aus:

"Mit dem Gutachten des verkehrstechnischen Sachverständigen DI F. vom 30.06.2006 und den dazu erfolgten Ergänzungen wurden die sachlichen Entscheidungsgrundlagen für die gebotene Interessensabwägung nach Auffassung des Bezirkshauptmannes von Murau ausreichend ermittelt. Im Zuge der Entscheidungsfindung erfolgte sowohl die gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit den anlässlich des Anhörungsverfahrens abgegebenen Äußerungen vor Erlassung der Verordnung als auch die Überprüfung jener Faktoren, die die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs unter besonderer Berücksichtigung des Schwerverkehrs und dessen Auswirkungen auf die tatsächliche Bedeutung des Straßenzuges B 317 beeinflussen. Hinsichtlich der Analyse der Bedeutung der B 317 für die länderübergreifenden Verkehrsbeziehungen und Verkehrserfordernisse sowie die durch das gegenständliche Fahrverbot resultierende Verlagerung des Schwerverkehrs wird festgehalten, dass der Schwerverkehranteil, der sich aufgrund der bereits in der verkehrstechnischen Untersuchung der ASFINAG vom 18.04.2005 festgestellten Faktoren (Kilometerersparnis, Zeitersparnis und Roadpricingersparnis) von der A 2 Südautobahn auf die B 317 verlagert hat, wieder auf die A 2 Südautobahn und somit nicht auf einen gleichrangigen, sondern auf einen höherrangigen Straßenzug zurückgeführt werden soll. Durch das gegenständliche Fahrverbot werden weder länderübergreifende Verkehrszusammenhänge beeinträchtigt, noch wird in die Rechte auf Freizügigkeit des Vermögens oder auf Freiheit der Erwerbstätigkeit eingegriffen.

Die mit der Verordnung des gegenständlichen Fahrverbotes beabsichtigte Reduzierung des Schwerverkehrs an den jeweils im Sachverständigengutachten beschriebenen besonders neuralgischen Streckenabschnitten bedeutet eine so erhebliche Entlastung der B 317 und eine so immense Steigerung der (zuvor an den beschriebenen neuralgischen Punkten nicht gewährleisteten Aspekte) Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, dass trotz vereinzelt etwas längerer Transportwege und Transportzeiten das gegenständliche Fahrverbot notwendig und gerechtfertigt ist.

Die vom Standpunkt des Gleichheitssatzes aus betrachtet zulässige, weil sachlich gerechtfertigte (vgl. VfGH 24. Juni 1993, V2/92, VfSlg. 13892) und mit Rücksicht auf die Verkehrsbeziehungen und Verkehrserfordernisse unter Umständen sogar gebotene Ausnahme des Ziel- und Quellverkehrs von dem auf der B 317 zwischen der Marktgemeinde Scheifling und der Gemeinde Dürnstein geltenden Fahrverbot bedeutet keineswegs einen 'Gebietsschutz' für bestimmte Frächter, weil als Ziel- und Quellverkehr nur jene Fahrzeuge gelten, die in und aus den in der gegenständlichen Verordnung angeführten Bezirken jeweils zumindest überwiegend be- oder entladen. Betriebe, die ihren Standort in den angeführten Bezirken haben, sind vom Fahrverbot dennoch nicht ausgenommen, um ihnen im Sinne des Gleichheitssatzes keine Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, indem sie die vom Fahrverbot betroffene B 317 für den Transitverkehr benützen dürfen, der Lastkraftwagen mit anderen Standorten verwehrt ist (vgl. VfSlg 14169)."

Darüber hinaus seien entsprechende Maßnahmen gesetzt worden, um die mit der Verordnung beabsichtigten Wirkungen zu überprüfen:

"Als erste messbare Konsequenz des gegenständlichen Fahrverbotes ergab die Messung bei der automatischen Dauerzählstelle auf der B 317 bei StrKm. 14,7 einen beachtlichen Rückgang des Schwerverkehrsanteiles. Betrug der durchschnittliche Tagesverkehr (unmittelbar vor Inkrafttreten der Verordnung) im Juni 2006 noch

2.257 LKW (pro Tag), so sank dieser Wert (unmittelbar nach Inkrafttreten) im August 2006 auf 1.242 LKW pro Tag. Allein schon daraus kann abgeleitet werden, dass die Reduzierung des Schwerverkehrs einen erheblichen Beitrag zur Erhöhung der Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs leistet und somit unzweifelhaft sachlich gerechtfertigt ist.

Um künftig den Schwerverkehrsanteil auf der B 317 auf jenem Niveau zu halten, welches einerseits der Bedeutung dieses Straßenzuges Rechnung trägt und andererseits die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht über jenes Maß beeinträchtigt, das weitere Verkehrsbeschränkungen gemäß §43 StVO erforderlich machen würde, wurde auf der Grundlage der Ergebnisse der automatischen Dauerzählstelle auf der B 317 bei StrKm. 14,7 eine Evaluierung der gegenständlichen Verordnung vorgenommen.

Das Ergebnis der Evaluierung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung 18A, vom 27.08.2007 bezüglich der im Juli 2006 vom Bezirkshauptmann von Murau auf der B 317 verfügten Verkehrsmaßnahme ergab statistisch und rechnerisch feststellbar, dass die durch das Inkrafttreten der Verordnung vom 14.07.2006 erreichte Verringerung des Schwerverkehrsanteils und die dadurch nunmehr unter dem Verordnungsgesichtspunkt der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs bestehende bzw. erreichte Verkehrsqualität durch eine Erweiterung der Ziel- und Quellverkehrsbezirke wieder gefährdet wäre bzw. verloren gehen würde.

Diese Evaluierung hat somit bestätigt, dass die Abgrenzung der Ziel- und Quellgebiete in einwandfreier Form vorgenommen wurde und die erstellten Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen ausreichende Gründe für eine sachliche Rechtfertigung für die in §2 litd der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 14.07.2006 angeführten Ziel- und Quellbezirke bieten."

7.3. Zur Aufnahme des Bezirkes Liezen in den Katalog der Ausnahmebezirke betreffend Fahrten des Ziel- und Quellverkehres führt der Bezirkshauptmann von Murau aus:

"Die vorstehenden Ausführungen zeigen deutlich, dass die entsprechenden Gutachten vorliegen und die belangte Behörde sich mit diesen Gutachten auch ausreichend auseinandergesetzt hat.

Die belangte Behörde hat sich aber nicht allein mit diesen Gutachten zufrieden gegeben, sondern in weiterer Folge auch versucht, den Umfang der Ausnahmen in §2 litd zu überprüfen, insbesondere im Hinblick auf den Bezirk Liezen.

Die mögliche Aufnahme des Bezirkes Liezen in die vom Fahrverbot ausgenommenen Ziel- und Quellverkehrsbezirke wurde nicht nur im Ermittlungs- und Anhörungsverfahren zur Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 14.7.2006 beachtet, sondern auch im Evaluierungsverfahren des Jahres 2007. Insbesondere wurde auf der Grundlage der vorhandenen Daten der automatischen Verkehrszählstellen und des Ergebnisses der Evaluierung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung 18A vom 27.8.2007, am 14.10.2008 neuerlich ein verkehrstechnisches Gutachten bei Herrn DI H. F. in Auftrag gegeben, ob der Bezirk Liezen in die Liste der Ausnahmebezirke vom Fahrverbot aufgenommen werden könnte, ohne dass die unter dem Verordnungsgesichtspunkt der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nunmehr bestehende bzw. erreichte Verkehrsqualität durch eine Erweiterung der Ziel- und Quellbezirke wieder verloren gehen würde.

Aktuell wurde im Oktober 2008 erneut eine Stellungnahme zur Einbindung des Bezirkes Liezen in die Ziel- und Quellgebiete von DI F. begehrt, die dieser am 16. Februar abgegeben hat. Darin führt er aus, dass es zum derzeitigen Zeitpunkt nicht möglich sei, gesicherte Daten abzubilden und daher mit einer Ausnahme zur Verordnung zum LKW-Fahrverbot auf der B 317 um den Ziel- und Quellverkehrsbezirk Liezen noch zugewartet werden sollte.

Zu den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Beschluss vom 4.12.2008, wonach möglicherweise zumindest der östliche Teil des Bezirkes Liezen vom Fahrverbot ausgenommen hätte werden müssen, wird angemerkt, dass durch eine hypothetische Aufnahme des 'östlichen Teiles' des Bezirkes Liezen der Vollzug und die Kontrolle der Verordnung des Bezirkshauptmanns von Murau vom 14.7.2006 diesbezüglich nicht mehr gewährleistet wäre, weil es nicht nachvollziehbar erscheint, den östlichen Teil des Bezirkes Liezen so genau zu definieren, dass im Zuge einer straßenpolizeilichen Kontrolle feststellbar wäre, ob ein Be- oder Entladeort tatsächlich im 'östlichen Teil' des Bezirkes Liezen gelegen ist oder nicht."

Zur Topographie und den tatsächlichen Weglängen führt er aus:

"Der Verfassungsgerichtshof merkt im Prüfungsbeschluss an, dass der Bezirk Liezen dem Fahrverbotsbereich geografisch näher liege als z.B. der Bezirk Tamsweg. Der Verfassungsgerichtshof hätte mit diesem Argument nur dann Recht, wenn es bei der Beurteilung bloß um die Distanz gemessen nach der Luftlinie geht. Sind jedoch Verkehrswege zu beurteilen, so ist eine diesbezügliche Distanzberechnung verfehlt, vielmehr sind die Topographie und die tatsächlichen Wegelängen zu beachten.

Der Bezirkshauptmann von Murau weist darauf hin, dass zwischen den (tatsächlich unmittelbar aneinander grenzenden) Bezirken Murau und Liezen der Alpenhauptkamm in Form der Hohen Tauern liegt. Die einzigen für schwere LKW ganzjährig in Betracht kommenden Übergänge über die Hohen Tauern in diesem Bereich befinden sich westlich von Murau mit der B 99 Tauernpass-Bundesstraße bzw. der A 10 Tauernautobahn in den Bezirken Tamsweg/St. Johann im Pongau (beide Salzburg) und östlich von Murau mit der A 9 Pyhrnautobahn bzw. der B 113 Schoberpass-Bundesstraße in den Bezirken Leoben/Liezen:

Zu dem vom VfGH herangezogenen Bedenken beim Vergleich der Nähe der Fahrverbotsstrecke einerseits zum Bezirk Tamsweg und andererseits zum Bezirk Liezen ist anzumerken, dass ein Vergleich der jeweiligen Entfernungen einen deutlichen Unterschied im Tatsächlichen zeigt, wobei der Einfachheit halber die etwa in der Mitte der Fahrverbotsstrecke (d.h. annähernd in gleicher Entfernung je von Scheifling und von Dürnstein) gelegene Gemeinde Neumarkt in der Steiermark als Maßstab herangezogen werden soll:

* Luftlinie Neumarkt - Liezen (Stadt): 58 km

* Luftlinie Neumarkt - Tamsweg (Stadt): 48 km

* LKW-Straßenverbindung Neumarkt - Liezen (Stadt): 142 km

* LKW-Straßenverbindung Neumarkt - Tamsweg (Stadt): 57 km

Ähnliches gilt für die Beziehungen der Bezirkshauptstädte:

* Luftlinie Murau (Stadt) - Liezen (Stadt): 51 km

* Luftlinie Murau (Stadt) - Tamsweg (Stadt): 27 km

* LKW-Straßenverbindung Murau (Stadt) - Liezen (Stadt): 148 km

* LKW-Straßenverbindung Murau (Stadt) - Tamsweg (Stadt): 32 km

Eine nähere Betrachtung der geografisch möglichen Verkehrsbeziehungen zeigt:

Ganz generell ist der Unterschied der Ausnahmebezirke vom Bezirk Liezen wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass die Ausnahmebezirke alle in maximal einer LKW-Fahrstunde Entfernung gelegen sind. Gegenüber dem Bezirk Liezen wird der Raum der Fahrverbotsstrecke durch das Massiv der Hohen Tauern in der Weise gleichsam abgeschirmt, dass ein allfälliger Verkehr immer nur seitlich durch die äußersten Rand-Ausnahmebezirke (westlich Tamsweg und östlich Leoben) nach Murau hineinströmen könnte.

...

In diesem Zusammenhang darf nochmals auf das Gutachten von DI F. vom Juni 2006 verwiesen werden. In dieser verkehrstechnischen Begutachtung wurden die Ausnahmen zum gegenständlichen Fahrverbot u. a. auch mit der Bedeutung der Verkehrsbeziehungen (Umwege, längere Fahrzeiten) begründet. Bei gleicher Fahrzeit ist z.B. die Strecke vom Knoten St. Michael über die A 9 und die A 2 um rund 60 km länger als über die S 6 und die B 317. Diese Mehrlänge wurde im Hinblick auf die Gesamtfahrzeit wegen der Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, besonders der Ortsdurchfahrten von Scheifling, Perchau am Sattel, Neumarkt, St. Marein bei Neumarkt und Dürnstein als zumutbar gewertet.

Angesichts der skizzierten Zusammenhänge sowie der darauf gegründeten Entscheidung des Bezirkshauptmanns von Murau, Ziel- und Quellverkehr des Bezirks Liezen nicht in die Ausnahmeliste aufzunehmen, vermag der Bezirkshauptmann von Murau die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs betreffend eine mögliche Unsachlichkeit der Nichtaufnahme des Bezirks Liezen in die Liste der Ausnahmebezirke - oder zumindest des östlichen Teils davon - nicht zu teilen. Vielmehr erscheinen dem Bezirkshauptmann von Murau die Unterschiede der Bezirke Tamsweg, St. Veit an der Glan, Murau, Judenburg, Knittelfeld und Leoben, die sämtliche südlich des Alpenhauptkamms liegen, einerseits, und Liezen, welches nördlich des Alpenhauptkamms liegt, andererseits, so wesentlich, dass sie eine unterschiedliche Behandlung im Rechtlichen nicht nur zu stützen vermögen, sondern zur Hintanhaltung weiterer (und letztlich uferloser) Ausnahmebestimmungen sogar gebieten.

Sollten nämlich Ziel- und Quellverkehr des Bezirks Liezen vom Fahrverbot ausgenommen werden, so könnten sämtliche Bezirke nördlich des Bezirks Liezen, welche - gleich wie der Bezirk Liezen - ebenfalls einen Großteil des südwärts gerichteten LKW-Schwerverkehrs über die A 9 Pyhrnautobahn oder aber die A 10 Tauernautobahn abwickeln (das sind alle Bezirke der Bundesländer Salzburg und Oberösterreich), möglicherweise die gleichen Argumente betreffend eine Ausnahme vom Fahrverbot, wie der Bezirk Liezen, vortragen. Es könnte dabei argumentiert werden, dass ein wesentlicher Unterschied dieser Bezirke mit dem Bezirk Liezen nicht bestehe, müsste doch der jeweilige LKW-Schwerverkehr sowohl von Liezen aus als auch von den anderen nördlich gelegenen Bezirken aus entweder über die A 9 Pyhrnautobahn oder die A 10 Tauernautobahn abgewickelt werden. Wenn diese Argumentation durchdränge, wäre das gesetzlich vorgegebene Ziel der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht mehr erreichbar."

8. Die Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens B1421/07 erstattete dazu eine Äußerung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da die Beschwerdeführer der Anlassverfahren bei der Bezirkshauptmannschaft von Murau gestützt auf §45 StVO 1960 Ausnahmebewilligungen vom vorliegenden LKW-Fahrverbot beantragt haben, besteht kein Zweifel, dass diese Verordnung in den genannten Verfahren anzuwenden war. Die in Prüfung gezogene Verordnung ist daher in den Beschwerdefällen präjudiziell. Da auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 Abs1 B-VG zulässig.

2. Zu den Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit des Bezirkshauptmannes von Murau zur Erlassung der vorliegenden Fahrverbotsverordnung:

2.1. Zur Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen der StVO 1960 lauten:

"§94a. Zuständigkeit der Landesregierung

(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern sich nicht eine andere Zuständigkeit ergibt, die Landesregierung. Diese ist jedenfalls für die Handhabung der Verkehrspolizei (§94b Abs1 lita) auf Autobahnen zuständig.

(2) Die Landesregierung kann Organe, die dem Landespolizeikommando oder dem Bezirkspolizeikommando angehören oder diesem zugeteilt sind und in Angelegenheiten des Straßenverkehrs besonders geschult sind, zur Handhabung der Verkehrspolizei einsetzen:

(3) Abs2 litb bis e gilt nicht für den Bereich von Bundespolizeibehörden.

(4) Die Landesregierung kann sich im örtlichen Wirkungsbereich von Bundespolizeibehörden zur Vollziehung des Abs1 zweiter Satz auch der Sicherheitswacheorgane dieser Behörden bedienen.

§94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde

(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder der Bundespolizeibehörde ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde

(2) Die Bezirksverwaltungsbehörde ist ferner Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes für Personen, die ihren Hauptwohnsitz im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde haben

2.2. Der Verfassungsgerichtshof ist in seiner bisherigen Rechtsprechung bei der Beurteilung der Frage, welche Behörde zur Erlassung einer Verordnung gemäß §43 StVO 1960 zuständig ist, ausnahmslos davon ausgegangen, dass sich die örtliche Zuständigkeit durch die Lage des in Rede stehenden Verkehrsverbotes, sohin den vrtlichen Geltungsbereich der Verordnung, bestimmt (vgl. VfSlg. 14.169/1995, 16.465/2002, 17.162/2004). Er hat die Wortfolge "nur für den politischen Bezirk wirksam werden" des §94b StVO ausschließlich geographisch bezogen ausgelegt und allein darauf Bedacht genommen, ob die Verkehrsbeschränkung auf einem Straßenbereich gilt, der sich (nur) innerhalb des Amtssprengels der verordnungserlassenden Behörde befindet.

Von diesem naheliegenden - und bislang unstrittigen - Verständnis des §94b StVO sind seit jeher auch die verordnungserlassenden Behörden ausgegangen. Denn bislang waren keine auf §43 StVO 1960 gestützten Fahrverbotsverordnungen von Landesregierungen Gegenstand von Normprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, die ihren räumlichen Geltungsbereich lediglich in einem politischen Bezirk hatten. Die vom Verfassungsgerichtshof geprüften Fahrverbote betrafen Verordnungen von Landesregierungen, deren räumlicher Geltungsbereich sich über zwei oder mehrere politische Bezirke erstreckte (vgl. VfSlg. 11.493/1987, 12.485/1990, 12.944/1991, 14.169/1995, VfGH 2.7.2009, V364/08) bzw. Fahrverbote, die nur für einen Straßenzug innerhalb eines politischen Bezirks verordnet und demgemäß von Bezirkshauptmannschaften erlassen wurden (vgl. VfSlg. 8086/1977, 13.482/1993, 13.892/1994, 15.749/2000, 16.465/2002).

Ihre sachliche Zuständigkeit vorausgesetzt, ist daher eine Bezirksverwaltungsbehörde gemäß §94b StVO 1960 zur Erlassung einer Verbotsverordnung iSd §43 StVO 1960 nach ständiger Rechtsprechung insoweit zuständig, als der örtliche Geltungsbereich der Verordnung (nur) innerhalb des örtlichen Wirkungsbereiches der Bezirksverwaltungsbehörde liegt. Der Verfassungsgerichtshof hält entgegen den im Prüfungsbeschluss geäußerten, in den Besonderheiten der Anlassfälle liegenden Bedenken an diesem - auch mit den Ergebnissen des vorliegenden Verordnungsprüfungsverfahrens in Einklang stehenden - Normverständnis fest. Dass eine Verordnung einer Bezirksverwaltungsbehörde aufgrund der Bedeutung des betroffenen Straßenzuges für den Durchzugsverkehr gegebenenfalls auch weitgehende Wirkungen außerhalb des betreffenden politischen Bezirkes entfalten kann und daher faktisch "über den politischen Bezirk hinaus wirkt", hat die verordnungserlassende Behörde im Rahmen des zwingend durchzuführenden Ermittlungsverfahrens zu berücksichtigen und in ihre Interessenabwägung einzubeziehen. Diese faktischen Wirkungen schlagen jedoch nicht auf die Zuständigkeit zur Erlassung einer solchen Verordnung durch.

Das vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss vom 4. Dezember 2008 geäußerte Bedenken, dass sich ob der über die Grenze des politischen Bezirkes hinausgehenden faktischen Wirkung des in Prüfung gezogenen Fahrverbotes eine Zuständigkeitsänderung ergeben haben könnte, hat sich daher als nicht zutreffend erwiesen.

2. Zum Bedenken, dass mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz auch der Bezirk Liezen - allenfalls dessen östlicher Teil - in den Ausnahmenkatalog des §2 litd der Verordnung Aufnahme finden hätte müssen und zur Frage, ob diesbezüglich ein ausreichendes Ermittlungsverfahren stattgefunden hat:

Das Verordnungsprüfungsverfahren hat ergeben, dass der Bezirkshauptmann von Murau auch ein Gutachten darüber eingeholt hat, ob eine Erweiterung der Ausnahmen auf Bezirke über die in der Verordnung angeführten hinaus möglich wäre. Der Gutachter kam in dieser Frage zum plausiblen Schluss, dass zwischen den in der Ausnahmebestimmung des §2 litd angeführten Bezirken und dem Bezirk Liezen verkehrstechnisch wesentliche Unterschiede bestehen. Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass sich das Ermittlungsverfahren des Bezirkshauptmannes von Murau nicht auch auf den Bezirk Liezen bezogen hätte, hat sich daher als nicht zutreffend erwiesen.

3. Da sich die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes im Verordnungsprüfungsverfahren nicht bestätigt haben, erweist sich die in Prüfung gezogene Verordnung als gesetzmäßig.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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