G216/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
I. 1. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und mit mehreren
Sachwalterschaften betraut. Mit seinem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag wendet er sich gegen Teile der Bestimmungen der §§274 und 279 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS 946/1811 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I 92/2006, die normieren, dass ein Rechtsanwalt vor allem dann zum Sachwalter zu bestellen ist, wenn die Besorgung der ihm übertragenen Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, und eine Ablehnung der Übernahme der Sachwalterschaft in diesen Fällen nur dann möglich ist, wenn ihm diese Übernahme unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnisse nicht zugemutet werden kann. Diese Regelungen würden nach Ansicht des Antragstellers gegen das Verbot der Zwangsarbeit (Art4 EMRK) und die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums, auf ein Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf Erwerbsfreiheit verstoßen.
2. Zu seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller Folgendes aus:
"1. Unmittelbare Betroffenheit
a) Einen Individualantrag kann gemäß Artikel 140 Absatz 1 letzter Satz B-VG unter anderem stellen, wer unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes in seinen Rechten verletzt ist, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides für diese Personen wirksam geworden ist.
Diese Voraussetzungen sind dann erfüllt, wenn ein Gesetz tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift, wenn dieser Eingriff nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn der Eingriff in die rechtlich geschützten Interessen den Antragsteller nicht bloß potenziell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des rechtswidrigen Eingriffs zur Verfügung steht.
b) Beabsichtigt das Gericht eine konkrete Person zum Sachwalter eines Betroffenen zu bestellen, so ist dies nur mit Zustimmung dieser Person möglich. Jeder kann also die Übernahme einer Sachwalterschaft auch grundlos ablehnen, selbst wenn die Übernahme der Sachwalterschaft zumutbar wäre! Dem Antragsteller ist eine derartige (grundlose) Ablehnung gemäß §274 Abs2 ABGB verwehrt; aufgrund seiner Berufstätigkeit ist für den Antragsteller nur dann die Ablehnung einer Sachwalterschaft möglich, wenn persönliche, familiäre, beruflich[e] oder sonstige Verhältnisse die Übernahme unzumutbar machen würden. Es wird somit durch das Gesetz selbst das Recht des Antragstellers ausgeschlossen (oder zumindest eingeschränkt), die Übernahme einer Sachwalterschaft ohne jede weitere Voraussetzung abzulehnen.
c) Der Rechtseingriff wird bereits durch die angefochtene Norm eindeutig bestimmt: Das Recht einer 'Ablehnung' der zu übernehmenden Sachwalterschaft wird - wenn nicht zusätzliche Voraussetzungen vorliegen - durch das Gesetz entzogen!
d) Alleine aufgrund seiner Eigenschaft als 'Rechtsanwalt' sind beim Antragsteller bereits sämtliche tatbestandliche Voraussetzungen zu der gesetzlich begründeten Pflicht zur Übernahme einer Sachwalterschaft (für zumindest bis zu fünf Personen) vorgegeben. Auch ohne Hinzutreten einer gerichtlichen Entscheidung - mit der der Antragsteller allenfalls zum Sachwalter (oder zum einstweiligen Sachwalter) bestimmt würde - muss der Antragsteller jederzeit mit der Verwirklichung des ihn belastenden Tatbestandes rechnen; dazu genügt nämlich bereits alleine die 'Inaussichtnahme' des Antragstellers als Sachwalter. Auch wenn er betreffend U. S. (noch) nicht zum ('endgültigen') Sachwalter bestellt wurde, kann er sich auch gegen eine derartige vom Gericht in Aussicht genommene Bestellung nicht berechtigt zu Wehr setzen. Vor allem aber wurde [der] Antragsteller für U. S. bereits zum einst[w]eiligen Sachwalter und zum Verfahrenssachwalter bestellt! Darüber hinaus aber ist bereits anlässlich der seinerzeitigen Bestellung des Antragstellers zum Sachwalter für H. H. aufgrund der inkriminierte[n] Gesetzesbestimmung eine Ablehnung der Sachwalterschaft durch den Antragsteller trotz dessen Rechtsmittel gescheitert. Die rechtlichen Wirkungen der eingreifenden Regelung dauern daher nach wie vor an, sodass - bezogen auf die Sachwalterschaften betreffend M. P., jedenfalls aber betreffend H. H. - der Antrag nach wie vor zulässig ist, da keinerlei Antragsfrist besteht.
e) Letztendlich aber zeigt das gegenwärtig zu ... des BG Linz
anhängige Sachwalterschaftsverfahren betreffend U. S., dass der Rechtseingriff für den Antragsteller aktuell ist. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller im weiteren Verfahren letztendlich zum (endgültigen) Sachwalter bestellt werden sollte oder nicht. Bereits alleine während des gegenwärtig anhängigen Verfahrensabschnittes ist er durch die inkriminierte Regelung unmittelbar betroffen, da er sich der Bestellung zum (endgültigen) Sachwalter nicht mit dem Argument entziehen kann, da[ss] er zur Übernahme nicht bereit sei und diese daher ablehne.
f) Wie oben dargetan ist der Antragsteller für U. S. nicht nur zum Verfahrenssachwalter bestellt worden[,] sondern auch zum einstweiligen Sachwalter für einen näher umschriebenen Aufgabenbereich. Die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters erfolgt gemäß §120 erster Satz Außerstreitgesetz mit sofortiger
Wirksamkeit. Dem vom Antragsteller im Verfahren ... des BG Linz
erhobenen Rechtsmittel kommt daher keine aufschiebende Wirkung zu. Selbst daher dann, wenn das vom Antragsteller im Verfahren von ... des BG Linz erhobene Rechtsmittel erfolgreich sein sollte und er daher als einstweiliger Sachwalter wieder seines Amtes enthoben werden sollte, so ändert dies nichts daran, dass der Antragsteller während der Dauer dieses Rechtsmittelverfahrens in jedem Fall mit der 'einstweiligen Sachwalterschaft' belastet ist. Würde der Antragsteller die ihn als einstweiliger Sachwalter treffenden Pflichten nicht schon bereits während dieses Rechtsmittelverfahrens wahrnehmen, so würde er disziplinär handeln und hätte etwaige der betroffenen Person entstehende Schäden zu ersetzen.
2. Unzumutbarkeit eines Umweges
a) Ein Umweg für den Antragsteller bestünde zunächst darin,
dass er im Rahmen des zu ... des BG Linz anhängigen
Sachwalterschaftsverfahrens (betreffend U. S.) allenfalls im Rahmen eines Rechtsmittels (gegen den Beschlu[ss] auf endgültige Sachwalterbestellung) einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof gem. Art89 (2) B-VG anregen könnte. Der gegenständliche Antragsteller ist jedoch in diesem Außerstreitverfahren nicht 'dominus litis'. Hinzu kommt, dass es der Antragsteller auch auf Grund der Besonderheiten des Außerstreitverfahrens gar nicht in der Hand hat, jenes Außerstreitverfahren bis zu einem Stadium zu bringen, in welchem das (Rechtsmittel )Gericht einen derartigen Prüfungsantrag stellen kann (vgl. VfSlg 13.659 und 13.725). Auch wenn der Antragsteller
gegenständlich im Verfahren ... des BG Linz ein Rechtsmittel gegen
die Bestellung zum einstweiligen Sachwalter erhoben hat oder nach allfälliger Bestellung zum (endgültigen) Sachwalter einen weiteren Rekurs erheben könnte, ist es - etwa für den Fall, da[ss] das BG Linz noch vor der Rekursentscheidung durch das LG Linz (insbesondere aufgrund eines eingeholten SV-Gutachtens) von Amts wegen das Sachwalterbestellungsverfahren wieder einstellt - möglich, da[ss] das Verfahren 'endet', ohne da[ss] über das Rechtsmittel entschieden wurde. Hinzu kommt, dass der Oberste Gerichtshof hinsichtlich der inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung keine Bedenken an deren Verfassungskonformität hatte (vgl. 1 Ob 116/03w). Das Ingangsetzen eines von vornherein aussicht[s]losen Rechtsmittelverfahrens stellt aber einen Umweg dar, der nicht zumutbar ist (vgl. VfSlg. 8.463).
b) Betreffend die Sachwalterschaft für M. P. bzw. für H. H. könnte der Antragsteller an das jeweilige Pflegschaftsgericht einen Antrag auf Enthebung aus seiner Funktion als Sachwalter einbringen. Derartige Verfahren sind jedoch im Sinne des Vorgesagten völlig aussichtslos und daher ebenso unzumutbar.
c) Selbst ohne die drei oben angeführten Sachwalterschaftsverfahren ist der Antragsteller durch die inkriminierte Regelung alleine aufgrund seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt unmittelbar betroffen (...). Der Antragsteller hat es aber nicht in der Hand, ein neues zusätzliches Sachwalterschaftsverfahren zu initiieren, noch weniger hat es der Antragsteller in der Hand, in einem allfälligen 'neuen' Sachwalterschaftsverfahren als Sachwalter in Aussicht genommen oder gar bestellt zu werden. Darüber hinaus würde der Antragsteller bei einem solchen Umweg - selbst wenn er diesen initi[i]eren könnte - mit einer zusätzlichen Sachwalterschaft belastet! Ein solcher Schritt würde aber die Rechtssituation für den Antragsteller - betreffend die Zulässigkeit eines Individualantrags - gegenüber der jetzigen Situation nicht verändern.
d) Schließlich könnte der Antragsteller abwarten, bis in seiner Sphäre Umstände hinzutreten, die die Fortsetzung einer (oder mehrerer) Sachwalterschaft(en) unzumutbar macht, sei es aufgrund vermehrter Unterhaltspflichten, eines verschlechterten Gesundheitszustands oder einer besonderen beruflichen Belastung (z.B. aufgrund eines überdurchschnittlichen Großverfahrens). Derartige Umstände können jedoch - mit Ausnahme etwaiger weiterer Unterhaltspflichten - vom Antragsteller nicht oder nur bedingt herbeigeführt werden. Darüber hinaus ist ein Umweg bereits begrifflich 'unzumutbar', wenn eine Situation abzuwarten oder herbeizuführen wäre, bei der die Ausübung einer Sachwalterschaft für den Antragsteller 'unzumutbar' wäre!
Zusammengefasst besteht daher für den Antragsteller keinerlei Umweg, jedenfalls kein zumutbarer, um die inkriminierten Gesetzesbestimmungen zu bekämpfen."
3. Die relevanten Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS 946/1811 in den hier maßgeblichen Fassungen BGBl. I 92/2006, in Kraft getreten mit 1. Juli 2007 (ArtX §3 SWRÄG 2006), bzw. - mit Blick auf den hier nicht angefochtenen §279 Abs5 ABGB - BGBl. I 52/2009, in Kraft getreten mit 1. Juli 2009 (Art16 Abs1 und 2 des Budgetbegleitgesetzes 2009), lauten (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Fünftes Hauptstück
Von der Sachwalterschaft, der sonstigen gesetzlichen Vertretung und der Vorsorgevollmacht
Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters oder Kurators
a) für behinderte Personen;
§268. (1) Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist (behinderte Person), alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, so ist ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu ein Sachwalter zu bestellen.
(2) Die Bestellung eines Sachwalters ist unzulässig, soweit Angelegenheiten der behinderten Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder im Rahmen einer anderen Hilfe, besonders in der Familie, in Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder im Rahmen sozialer oder psychosozialer Dienste, im erforderlichen Ausmaß besorgt werden. Ein Sachwalter darf auch dann nicht bestellt werden, soweit durch eine Vollmacht, besonders eine Vorsorgevollmacht, oder eine verbindliche Patientenverfügung für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt ist. Ein Sachwalter darf nicht nur deshalb bestellt werden, um einen Dritten vor der Verfolgung eines, wenn auch bloß vermeintlichen, Anspruchs zu schützen.
(3) Je nach Ausmaß der Behinderung sowie Art und Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten ist der Sachwalter zu betrauen
1. mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten, etwa der Durchsetzung oder der Abwehr eines Anspruchs oder der Eingehung und der Abwicklung eines Rechtsgeschäfts,
2. mit der Besorgung eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten, etwa der Verwaltung eines Teiles oder des gesamten Vermögens, oder,
3. soweit dies unvermeidlich ist, mit der Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person.
(4) Sofern dadurch nicht das Wohl der behinderten Person gefährdet wird, kann das Gericht auch bestimmen, dass die Verfügung oder Verpflichtung hinsichtlich bestimmter Sachen, des Einkommens oder eines bestimmten Teiles davon vom Wirkungsbereich des Sachwalters ausgenommen ist.
...
Bestellung
§273. (1) Bei der Auswahl des Sachwalters oder Kurators ist auf die Art der Angelegenheiten, die für die zu vertretende Person (den Pflegebefohlenen) zu besorgen sind, zu achten.
(2) Mit der Sachwalterschaft oder Kuratel dürfen nicht betraut werden
1. nicht eigenberechtigte Personen;
2. Personen, von denen, besonders auch wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung, eine dem Wohl des Pflegebefohlenen förderliche Ausübung der Sachwalterschaft oder Kuratel nicht zu erwarten ist.
§274. (1) Derjenige, den das Gericht zum Sachwalter (Kurator) bestellen will, hat alle Umstände, die ihn dafür ungeeignet erscheinen lassen, dem Gericht mitzuteilen. Unterlässt er diese Mitteilung schuldhaft, so haftet er für alle dem Pflegebefohlenen daraus entstehenden Nachteile.
(2) Ein Rechtsanwalt oder Notar kann die Übernahme einer Sachwalterschaft (Kuratel) nur ablehnen, wenn ihm diese unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnisse nicht zugemutet werden kann. Dies wird bei mehr als fünf Sachwalterschaften (Kuratelen) vermutet.
...
Änderung und Beendigung
§278. (1) Das Gericht hat die Sachwalterschaft (Kuratel) auf Antrag oder von Amts wegen einer anderen Person zu übertragen, wenn der Sachwalter (Kurator) stirbt, nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amtes nicht zugemutet werden kann, einer der Umstände des §273 Abs2 eintritt oder bekannt wird oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert. §145 Abs3 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Der Sachwalter (Kurator) ist auf Antrag oder von Amts wegen zu entheben, wenn die Voraussetzungen für seine Bestellung nach den §§268 bis 272 wegfallen; fallen diese Voraussetzungen nur für einen Teil der dem Sachwalter (Kurator) übertragenen Angelegenheiten weg, so ist sein Wirkungskreis einzuschränken. Sein Wirkungskreis ist zu erweitern, wenn dies erforderlich ist. Stirbt der Pflegebefohlene, so erlischt die Sachwalterschaft (Kuratel). §172 Abs2 [ist] sinngemäß anzuwenden.
(3) Das Gericht hat in angemessenen, fünf Jahre nicht überschreitenden Zeitabständen zu prüfen, ob das Wohl des Pflegebefohlenen die Beendigung oder Änderung der Sachwalterschaft (Kuratel) erfordert.
Besondere Vorschriften für die Sachwalterschaft
a) Auswahl des Sachwalters;
§279. (1) Bei der Auswahl des Sachwalters ist besonders auf die Bedürfnisse der behinderten Person und darauf Bedacht zu nehmen, dass der Sachwalter nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung zu einer Krankenanstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung steht, in der sich die behinderte Person aufhält oder von der sie betreut wird. Wünsche der behinderten Person, insbesondere solche, die sie vor Verlust der Geschäftsfähigkeit und Einsichts- und Urteilsfähigkeit geäußert hat (Sachwalterverfügung), und Anregungen nahe stehender Personen sind zu berücksichtigen, sofern sie dem Wohl der behinderten Person entsprechen.
(2) Einer behinderten Person ist eine geeignete, ihr nahe stehende Person zum Sachwalter zu bestellen. Wird eine behinderte Person volljährig, so ist ein bisher mit der Obsorge betrauter Elternteil zum Sachwalter zu bestellen, sofern dies dem Wohl der behinderten Person nicht widerspricht.
(3) Ist eine geeignete, nahe stehende Person nicht verfügbar, so ist ein geeigneter Verein mit dessen Zustimmung zum Sachwalter zu bestellen. Kommt auch ein Verein nicht in Betracht, so ist nach Maßgabe des §274 Abs2 ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) oder eine andere geeignete Person mit deren Zustimmung zu bestellen.
(4) Ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) ist vor allem dann zum Sachwalter zu bestellen, wenn die Besorgung der Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert, ein geeigneter Verein vor allem dann, wenn sonst besondere Anforderungen mit der Sachwalterschaft verbunden sind.
(5) Eine Person darf nur so viele Sachwalterschaften übernehmen, wie sie unter Bedachtnahme auf die Pflichten eines Sachwalters, insbesondere jene zur persönlichen Kontaktnahme, ordnungsgemäß besorgen kann. Es wird vermutet, dass eine Person - ausgenommen ein geeigneter Verein - insgesamt nicht mehr als fünf, ein Rechtsanwalt oder Notar nicht mehr als 25 Sachwalterschaften übernehmen kann; Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten bleiben dabei außer Betracht."
4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, den Antrag zurück- bzw. abzuweisen.
Zur Zulässigkeit des Antrags führt die Bundesregierung dabei im Einzelnen Folgendes aus:
"2.1. Im vorliegenden Fall mangelt es zunächst insoweit an einem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers, als dieser (...) den gesamten §279 Abs4 ABGB und somit auch den Satzteil 'ein geeigneter Verein vor allem dann, wenn sonst besondere Anforderungen mit der Sachwalterschaft verbunden sind' bekämpft. Dieser Teil richtet sich eindeutig nicht an den Antragsteller. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgericht[s]hofes kann allerdings nur ein Normadressat, also ein Rechtsträger, an den sich die anzufechtende Norm wendet, betroffen und damit anfechtungsberechtigt sein (vgl. zB VfSlg. 14.335/1995, 14.476/1996, 15.127/1998, 15.184/1998, 16.613/2002, 17.558/2005).
2.2. Vor allem aber liegt kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers durch die von ihm beanstandeten Normen vor, weil für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Übernahme einer Sachwalterschaft die Entscheidung des Gerichtes erforderlich ist. In die Rechtssphäre des Antragstellers wird erst durch eine gerichtliche Entscheidung, nämlich durch dessen Bestellung zum Sachwalter, eingegriffen. Die Übernahme einer Sachwalterschaft ist keine 'natürliche' Tätigkeit, die einen Menschen trifft, sondern bedarf immer zunächst eines gerichtlichen Bestellungsaktes, in dessen Rahmen die Zumutbarkeit der Übernahme geprüft werden muss. Der Antragsteller muss daher entgegen seinem Vorbringen im Individualantrag (...) ohne Hinzutreten einer gerichtlichen Entscheidung nicht jederzeit mit der Verwirklichung des ihn speziell verpflichtenden Tatbestandes rechnen. Dies räumt der Antragsteller auch selbst ein, wenn er im Individualantrag (...) unter Einem festhält, dass gegenständlich das Pflegschaftsgericht mit der Entscheidung betraut ist, wer für eine betroffene Person zum Sachwalter bestellt wird.
2.3. Auch die Voraussetzung der Unzumutbarkeit eines anderen Weges zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle ist nicht erfüllt. Aufgrund der 'Subsidiarität des Individualantrages' ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein zumutbarer Weg jedenfalls dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig ist, das dem Betroffenen Gelegenheit gibt, die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG anzuregen. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig war, in dem der Antragsteller die Möglichkeit hatte, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. etwa VfSlg. 14.752/1997, ...). Nur bei Vorliegen 'besonderer, außergewöhnlicher Umstände' erachtet der Verfassungsgerichtshof in solchen Fällen einen Individualantrag für zulässig. Derartige besondere, außergewöhnliche Umstände liegen jedoch nicht vor. Dass das gemäß Art89 Abs2 B-VG zu einer etwaigen Anrufung des Verfassungsgerichtshofes berufene Gericht die Bedenken der Verfahrenspartei hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nicht teilt, begründet die Zulässigkeit eines Individualantrages nicht (siehe zB VfSlg. 13.659/1993, 14.458/1996, 14.752/1997).
Wie der Antragsteller selbst ausführt, ist im Zusammenhang mit seiner Bestellung zum Verfahrenssachwalter und einstweiligen Sachwalter für U. S. ein gerichtliches Verfahren anhängig, in dessen Rahmen er nicht nur die Möglichkeit hatte, ein Gesetzesprüfungsverfahren anzuregen, sondern dies auch tat. Im Rahmen des Rekurses gegen den Beschluss zur Bestellung als Verfahrenssachwalter und einstweiliger Sachwalter der U. S. hat der Antragsteller ein Gesetzesprüfungsverfahren angeregt. Dieser Anregung folgte das LG Linz nicht, dem Rekurs gab es nicht Folge. Gegen die Entscheidung des LG Linz hat der Antragsteller außerordentlichen Revisionsrekurs erhoben. Da somit ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, fehlt dem Antragsteller auch aufgrund der 'Subsidiarität des Individualantrages' die Antragslegitimation.
3.1. Schließlich ist der gegenständliche Individualantrag nach Auffassung der Bundesregierung wegen unrichtiger Abgrenzung des Anfechtungsumfangs zumindest teilweise unzulässig. Die Grenzen der Aufhebung müssen so gezogen werden, dass der verbleibende Normteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt (...). Bei der Abgrenzung des Anfechtungsumfangs ist auch unbedingt darauf zu achten, dass bei einer allfälligen Aufhebung kein Normtext verbleibt, dem ein verständlicher Sinn nicht mehr beigemessen werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.935/2000, 15.953/2000 und 16.575/2002). Ferner ist es unzulässig, durch die Aufhebung von Rechtsvorschriften dem verbleibenden Normtext einen vollständig veränderten, dem Rechtssetzer überhaupt nicht zusinnbaren Inhalt zu geben (zB VfSlg. 14.308/1995 und 15.031/1997).
3.2. Bei Stattgebung des Punktes 2 lita des Aufhebungsbegehrens verbliebe ein Normtext, dem ein verständlicher Sinn nicht beigemessen werden kann. Sollte der erste Satz des §274 Abs2 ABGB aufgehoben werden, verbliebe lediglich der zweite Satz ('Dies wird bei mehr als fünf Sachwalterschaften [Kuratelen] vermutet'), der jedoch für sich genommen keinen verständlichen Sinn ergäbe, weil nicht ersichtlich wäre, worauf sich die Vermutung bezieht.
3.3. Bei Stattgebung eines der beiden Eventualbegehren des Punktes 2 des Antrags verbliebe hingegen ein verfassungswidriger oder unverständlicher Normtext. Bei Streichung der Wortfolge 'Rechtsanwalt oder' verbliebe allein die Verpflichtung der Notare zur Übernahme von Sachwalterschaften. Bei Streichung lediglich des Wortes 'Rechtsanwalt' verbliebe überhaupt ein Normtext, der schon sprachlich keinen Sinn ergäbe ('Ein oder Notar').
3.4. Bei Stattgebung des Punktes 3.a des Antrags verbliebe ein Normtext, dessen Inhalt dem Rechtssetzer nicht zusinnbar wäre, zumal in diesem Fall keine Regelung dafür getroffen wäre, wer eine Sachwalterschaft übernehmen soll, wenn weder eine geeignete, nahe stehende Person verfügbar noch ein geeigneter Verein zur Übernahme bereit wäre.
Die Ausführungen zu den Eventualbegehren gemäß Punkt 2. des Antrags haben ebenso für Punkt 3. und 4. des Antrags ihre Gültigkeit. Bei Stattgabe verbliebe ein verfassungswidriger oder unverständlicher (ein '(sanwärter) oder Notar') Normtext."
5. Der Antragsteller erstattete eine Replik, in welcher er an seinem Vorbringen im Antrag festhielt.
II. Der Antrag ist unzulässig:
1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).
Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann eröffnet, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder anhängig war, das dem Betroffenen Gelegenheit bietet bzw. bot, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (zB VfSlg. 13.871/1994 mwN, 15.786/2000, 17.110/2004, 17.276/2004; VfGH 28.2.2008, G13/08). Ein Individualantrag gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG wäre in solchen Fällen nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (zB VfSlg. 13.659/1993, 14.672/1996, 15.786/2000).
2. Die Antragslegitimation ist im vorliegenden Fall - gemessen an den soeben genannten Kriterien - nicht gegeben:
Wie vom Antragsteller selbst dargelegt, war bereits ein derartiges gerichtliches Verfahren anhängig, das dem Antragsteller jedenfalls Gelegenheit bot, beim Rekursgericht (vgl. §127 AußStrG) als ein "zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht" seine Bedenken gegen die Bestimmungen der §§274 und 279 ABGB mit der Anregung auf Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof zu unterbreiten. Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG wäre das Rechtsmittelgericht, sofern es - wie der Antragsteller - gegen die Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften verfassungsrechtliche Bedenken gehegt hätte, zur amtswegigen Stellung eines Antrages an den Verfassungsgerichtshof verpflichtet gewesen.
Außergewöhnliche Umstände, welche die Einbringung eines Individualantrages zufolge Unzumutbarkeit eines anderen Weges ausnahmsweise zulässig machen können, liegen hier nicht vor.
3. Der Antrag (einschließlich der gestellten Eventualanträge) war daher zurückzuweisen, was ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte (§19 Abs3 Z2 lite und Abs4 erster Satz VfGG).