V22/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
I. 1. Mit ihrem auf Art139 B-VG gestützten Individualantrag
begehrt die Antragstellerin
"[d]ie Teilabänderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich 'Hintergols' gemäß Beschluss des Gemeindevorstandes der Gemeinde Puch bei Hallein vom 16.06.2009, Zahl 031-2/2-2008/Hint, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid de[r] Salzburger Landesregierung vom 27.08.2009, Zahl 20703-T209/2/24-2009, insoweit diese die Grundstücke .8/1, 63/1 und 64/1, je GB 56224 Thurn umfasst, als verfassungswidrig (gesetzeswidrig) auf[zu]heben; in eventu die Teilabänderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich 'Hintergols' gemäß Beschluss des Gemeindevorstandes der Gemeinde Puch bei Hallein vom 16.06.2009, Zahl 031-2/2-2008/Hint, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid de[r] Salzburger Landesregierung vom 27.08.2009, Zahl 20703-T209/2/24-2009, zur Gänze als verfassungswidrig (gesetzeswidrig) auf[zu]heben".
2. Zum Nachweis ihrer Antragslegitimation weist die Antragstellerin zunächst darauf hin, dass sie Eigentümerin der Liegenschaft 67/3, vorgetragen in EZ 116, GB 56224 Thurn, sei. Im Gutbestandsblatt wären folgende mit dem Eigentum an der genannten Liegenschaft verbundene dingliche Rechte eingetragen: "Zu Zahl 1a die Grunddienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes an Gst 8/1, 63/1, 67/1, 67/4, 64/4; zu Zahl 2a die Grunddienstbarkeit des Wasserbezugsrechtes an Gst 64/1, 64/4; zu Zahl 3a die Grunddienstbarkeit des Wasserleitungsrechtes an Gst 63/1, 64/1, 67/1, 67/4, 64/4; zu Zahl 5a die Grunddienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes an Gst 63/1, 64/4 für Gst 67/3, alle GB 56224 Thurn." Diese im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeiten übe die Antragstellerin nach wie vor aus. Mit der angefochtenen Verordnung habe die Gemeindevertretung die bisherige Widmung der Liegenschaften .8/1, .8/2, .8/3, .47, 63/1, 63/2, 64/1, 64/2, 64/3, 70/1, 71, 72/2, 102/2, 104/1 und 104/2 von "Grünland/ländliche Gebiete" in "Bauland/reine Wohngebiete" abgeändert. Darüber hinaus führt die Antragstellerin Folgendes aus:
"...
Die Antragstellerin ist durch die gegenständliche Verordnung unmittelbar in ihren Rechten betroffen: Der durch die 'Teiländerung des Flächenwidmungsplanes für den Bereich Hintergols' bewirkte Rechtseingriff wirkt sich unmittelbar auf die im Eigentum der Antragstellerin befindliche Liegenschaft aus:
Der Antragstellerin sind durch den bisher gültigen Flächenwidmungsplan in Verbindung mit dem SbgROG und der SbgBauO Rechte erwachsen, die bei einer Widmungsänderung eine direkte Einschränkung erleiden. Vor der hier beanstandeten Flächenwidmungsplanänderung besaß die Antragstellerin ein subjektives öffentliches Recht darauf, dass auf den von der Umwidmung betroffenen Nachbargrundstücken auf Grund ihrer Grünlandwidmung kein Bauwerk errichtet wird. Dieses Recht hat die Antragstellerin nach der erfolgten Widmungsänderung ohne Dazwischentreten eines weiteren Rechtsaktes unweigerlich verloren [...].
Des Weiteren werden mit dem Inkrafttreten der Teiländerung des Flächenwidmungsplanes für den Bereich 'Hintergols' die der Antragstellerin zustehenden Dienstbarkeiten sowohl in ihrem grundsätzlichen Bestand als auch in der Möglichkeit ihrer dauernden Ausübung gefährdet. Die Dienstbarkeiten wurden vertraglich auf der Basis einer landwirtschaftlichen Nutzung sowohl des herrschenden Grundstückes als auch der dienenden Grundstücke eingeräumt. Mit der Änderung der Widmungskategorie der dienenden Grundstücke geht geradezu zwangsläufig auch eine Änderung der auf den dienenden Grundstücken lastenden Servituten einher. Bei den eingetragenen Servituten handelt es sich um Felddienstbarkeiten, wobei das Wasserbezugsrecht bereits von Gesetzes wegen (§496 ABGB) auch das Recht des Zuganges zur Quelle in sich begreift. Mit dem Recht auf Wasserleitung wiederum ist auch das Recht verbunden, auf fremdem Grund die erforderlichen Röhren und Rinnen zu errichten (§497 ABGB). Mit der nunmehrigen Widmung der Liegenschaften als Bauland/Wohngebiet ist eine Ausübung der Dienstbarkeiten gefährdet bzw. vor allem im Falle der tatsächlichen Bauführung unmöglich gemacht.
Schließlich findet aufgrund der Umwidmung der an die Liegenschaft der Antragstellerin angrenzenden Grundstücke bei gleichzeitiger Nichtberücksichtigung der Liegenschaft der Antragstellerin eine Diskriminierung der Antragstellerin statt. Damit liegt eine unmittelbare rechtliche Beeinträchtigung im Hinblick auf die Liegenschaft der Artragstellerin vor.
[...] Art und Ausmaß des Eingriffes sind durch die Verordnung eindeutig bestimmt. Die Beschränkung ergibt sich aus den Festlegungen der Teiländerung des Flächenwidmungsplanes für den Bereich 'Hintergols', die für die Antragstellerin mit unmittelbaren Auswirkungen für ihre eigene Liegenschaft verbunden sind. Hinzu kommt, dass es sich bei dem bekämpften Planungsakt um eine 'Anlassfallwidmung' handelt, wobei die Antragstellerin aufgrund der Einschränkung ihrer Eigentümerbefugnisse, insbesondere auch in Zusammenhang mit den zu Gunsten ihrer Liegenschaft eingeräumten Dienstbarkeiten, unverhältnismäßig belastet wird.
Da die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich 'Hintergols' der Errichtung von zeitgemäßen Wohnmöglichkeiten dienen soll, wobei die Eigentümer der Gst 64/1 (Teilfläche) und 64/2 sowie des Grundstückes 70/1 (Teilfläche) bereits die Erklärung über die beabsichtigte Nutzung von unverbauten Baulandflächen gemäß §17a Abs1 Salzburger Raumordnungsgesetz 1998 abgegeben haben, liegen im konkreten Fall auch konkrete Bauabsichten vor.
[...]
Schließlich ist der Antragstellerin ein 'Umweg' iSd gesetzlichen Bestimmungen nicht zumutbar. Es kann nicht Aufgabe der Antragstellerin sein, die Einhaltung der Dienstbarkeitsrechte durch die Eigentümer der belasteten Liegenschaften auf zivilrechtlichem Wege durchzusetzen, da mit einem solchen Zivilverfahren regelmäßig ein erhebliches Kostenrisiko einhergeht. Es wäre un[b]illig, der Antragstellerin ein solches Verfahren zuzumuten, damit diese über die Anregung eines zweitinstanzlichen Gerichtes ihr Recht auf Normenkontrolle im Hinblick auf die gegenständliche Verordnung geltend machen könnte.
Die vom Verfassungsgerichtshof entwickelten gesetzlichen Anfechtungsvoraussetzungen für eine unmittelbare Bekämpfung der Teilabänderung des Flächenwidmungsplanes mit Umwelterheblichkeitsprüfung im Bereich 'Hintergols' nach Art139 Abs1 B-VG liegen im konkreten Fall daher vor."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Zulässigkeit des Antrags:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).
1.2. Die geltend gemachte Gesetzwidrigkeit der Änderung des Flächenwidmungsplanes wird von der Antragstellerin im Wesentlichen darin erblickt, dass die bekämpfte Verordnung auf den benachbarten Grundstücken eine geänderte Widmung vorsehe. Die nunmehrige Widmung dieser Grundstücke als "Bauland/reine Wohngebiete" stehe der Errichtung von Bauwerken nicht entgegen; dies führe dazu, dass sie die ihr zustehenden Dienstbarkeitsrechte im Falle der Verbauung dieser Liegenschaften nicht mehr ausüben könne.
Der Antragstellerin steht ein anderer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken gegen die angefochtene Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen: Es ist ihr zumutbar, die Einhaltung der Dienstbarkeitsrechte durch die Eigentümer der belasteten Liegenschaften gegebenenfalls auf zivilrechtlichem Wege durchzusetzen. Wollte man alleine wegen des Prozessrisikos und der damit verbundenen Kostenfolgen grundsätzlich davon ausgehen, dass die Beschreitung des Zivilrechtsweges unzumutbar sei, verlöre die in Art139. Abs1 B-VG enthaltene Einschränkung "sofern das Gesetz ohne
Fällung einer gerichtlichen Entscheidung ... für diese Person wirksam
geworden ist" ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich (vgl. VfSlg. 10.785/1986).
1.3. Der Verordnungsprüfungsantrag war somit mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.
2. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.