G1/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
I. 1. Beim Landesgericht Innsbruck ist ein Verfahren über einen
- von der verpflichteten Partei in einem Exekutionsverfahren erhobenen - Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Kitzbühel anhängig, mit dem die Kosten der betreibenden Partei für ihre Intervention beim Exekutionsvollzug antragsgemäß mit € 756,72 als weitere Exekutionskosten bestimmt wurden.
1.2. Diesem Rekursverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 9. März 2007 wurde - unter teilweiser Abänderung durch das Landesgericht Innsbruck als Rekursgericht mit Beschluss vom 15. Mai 2007 - der betreibenden Partei die Fahrnis- und Forderungsexekution zur Hereinbringung einer Kapitalforderung von € 31.275,40 samt 4% Zinsen seit 22. Oktober 2006, der Kosten von € 2.530,42 sowie der mit € 845,32 bestimmten Kosten des Antrages bewilligt.
Im Antrag auf neuerlichen Vollzug der Fahrnisexekution mit Intervention vom 4. Juni 2008 schränkte die betreibende Partei die Forderung infolge Zahlung auf eine noch aushaftende Forderung von € 18.946,54 zzg. Zinsen und restliche Kosten ein. Der Exekutionsvollzug mit Intervention fand am 29. Juli 2008 statt. Die betreibende Partei legte für diese Intervention durch den einschreitenden Rechtsanwalt ein Kostenverzeichnis, in dem folgende - auf Basis der von der verpflichteten Partei mit "restl. € 21.719,82" angegebenen Bemessungsgrundlage errechnete - Kosten aufgelistet wurden:
"Kommission TP7 RATG 1/2 € 156,80
Reisekosten TP9 Z1 lita EUR 0,42 x 650km € 273,00
TP9 Z4 16/2 € 200,80
Summe € 630,60
zuzüglich USt € 126,12
Gesamt € 756,52"
Das Bezirksgericht Kitzbühel bestimmte mit Beschluss vom 12. August 2008 die Kosten der betreibenden Partei für ihre Intervention beim Exekutionsvollzug antragsgemäß mit € 756,72 als weitere Exekutionskosten.
1.3. Der von der verpflichteten Partei dagegen erhobene Rekurs hat folgenden Wortlaut:
"In umseits bezeichneter Exekutionssache erhebt die verpflichtete Partei durch ihre ausgewiesene Rechtsvertreterin gegen den Kostenbestimmungsbeschluss des Bezirksgerichtes Salzburg [gemeint wohl: Kitzbühel] vom 12. August 2008 (...) binnen offener Frist nachstehenden
REKURS
und bringt hierzu folgendes vor:
Der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg [gemeint wohl:
Kitzbühel] vom 12. August 2008, wonach die Kosten der betreibenden Partei für den Interventionsvollzug am 29.07.2008 mit EUR 756,72 (inklusive EUR 126,12 USt) bestimmt wurden, wird zur Gänze angefochten.
Der Betreibendenvertreter hat Kosten verzeichnet, welche ihm nach ständiger Rechtssprechung nicht zustehen, weshalb die antragsgemäße Bewilligung der Interventionskosten seitens des Bezirksgerichtes Kitzbühel unrichtig ist.
Unstrittig ist, dass dem Betreibendenvertreter für den Interventionsvollzug am 29.07.2008 ein Kostenersatz nach TP7/2 RATG zusteht, weil aus der Neufassung nach TP7 Abs2 RATG durch die EO-Novelle 2005 der Vorrang einer Intervention unter Beteiligung eines Rechtsanwaltes gegenüber einer Beteiligung durch einen Rechtsanwaltsgehilfen festgelegt wurde. Auch liegen keine besonderen Gründe vor, weshalb die Beteiligung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich war.
Dem Betreibendenvertreter stehen jedoch weder Reisekosten, noch Kosten für Zeitversäumnis nach TP9 zu. Nach ständiger Rechtssprechung hätte der Betreibendenvertreter eine in der Nähe des Vollzugsortes ansässige Rechtsanwaltskanzlei substituieren müssen (Entscheidung des LG Salzburg vom 07.03.2005, GZ: 22 R 39/05x). In dieser Entscheidung führt das Landesgericht Salzburg weiters aus, dass nach ständiger Rechtssprechung dem beim Vollzug einschreitenden Rechtsanwalt aus Gründen der Wirtschaftlichkeit dann, wenn er seinen Kanzleisitz außerhalb des Sprengels des Exekutionsgerichtes hat, in der Regel nur jene Kosten zustehen, die entstanden wären, hätte er einen dort ansässigen Anwalt substituiert. Anderes gilt nur, wenn der bevollmächtigte Anwalt besondere Umstände, welche für eine Intervention durch ihn persönlich sprechen, dartut, zB ein im konkreten Fall bedeutsames besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten, besondere, im konkreten Fall bedeutsame Vorkenntnisse des einschreitenden Rechtsanwaltes oder die Schwierigkeit der Rechtssache. Derartige besondere Umstände hat der Betreibendenvertreter in seinem Kostenverzeichnis jedoch weder erwähnt noch bescheinigt. Der Akt ist weder schwierig noch komplex, der Einschreiter ist Masseverwalter im Konkurs - ein persönliches Naheverhältnis liegt somit nicht vor. Im vorliegenden Fall hätte deshalb zur Wahrung der Verfahrensrechte der betreibenden Partei die Substituierung eines ortsansässigen Rechtsanwalts ausgereicht. Dem Betreibendenvertreter sind somit nur die Kosten für die Beteiligung am Vollzug zu ersetzen, die auch bei Betrauung eines ortsansässigen Substituten entstanden wären.
Da Reisekosten und eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach TP9 nur für die Vornahme von Geschäften in gerichtlichen Verfahren außerhalb des Ortes des Kanzleisitzes (Mindestentfernung mehr als 2 km) zustehen, wären diese bei Betrauung eines ortsansässigen Substituten nicht entstanden und sind deshalb der betreibenden Partei auch nicht zuzusprechen.
Aus vorangeführten Gründen stellt der Verpflichtete folgenden
ANTRAG:
Das Rekursgericht möge dem Rekurs der verpflichteten Partei Folge geben und den Kostenbestimmungsbeschluss dahingehend abändern, dass die Kosten der betreibenden Partei für den Interventionsvollzug am 29.07.2008 mit EUR 188,16 (darin enthalten EUR 31,36 an USt) bestimmt werden."
1.4. Die betreibende Partei brachte in der Rekursbeantwortung vor, der Rekurs sei unzulässig bzw. nicht berechtigt und beantragte, dem Rekurs keine Folge zu geben.
2.1. Aus Anlass dieses Rekurses stellt das Landesgericht Innsbruck "gemäß Art89 Abs2 B-VG und Art140 Abs1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auszusprechen, dass der letzte Satz des §13 [richtig wohl: Abs1] lita RATG in der Fassung BGBl. 1969/189 zuletzt novelliert durch BGBl. I 2008/90 - 'eine Änderung der Bemessungsgrundlage tritt während des Verfahrens nicht ein' - verfassungswidrig ist".
2.2. Das Landesgericht Innsbruck legt seine Bedenken im Wesentlichen folgendermaßen dar:
Im konkreten Fall wäre für die Ermittlung des Ansatzes der Rechtsanwaltskosten das mit dem Exekutionsantrag betriebene Kapital, nämlich € 31.275,40, heranzuziehen. Die betreibende Partei habe die Kosten für den Interventionsvollzug allerdings lediglich auf einen Betrag von restlichen € 21.719,82 angesprochen; ein nicht nachvollziehbarer Betrag, denn der tatsächlich noch betriebene restliche Kapitalsbetrag betrage auf Grund der Einschränkung der betriebenen Forderung mit Schriftsatz der betreibenden Partei vom 4. Juni 2008 nur noch € 18.946,54.
Bei Überprüfung der Kostenentscheidung sei nun maßgeblich, welche Bemessungsgrundlage als für den Kostenansatz bestimmend heranzuziehen sei. Nach §13 Abs1 lita RATG würde eine Änderung der Bemessungsgrundlage während des Verfahrens nicht zu berücksichtigen sein, weshalb der Ansatz auf Basis des von der betreibenden Partei mit restlich € 21.719,82 angeführten Betrages herangezogen werden müsse, weil eine höhere Bemessungsgrundlage als die von der betreibenden Partei herangezogene Bemessungsgrundlage gegen §405 ZPO verstoße. Für die Kostenentscheidung maßgebend sei daher unter anderem, ob das tatsächlich noch aushaftende Kapital bemessungsgrundlagenbildend sei oder eine Änderung der betriebenen Forderung während des gesamten Verfahrens unberücksichtigt zu bleiben habe.
Eine sachliche Rechtfertigung, wonach ein Verpflichteter für im Exekutionsverfahren auftretende Kosten trotz teilweiser Befriedigung der Kapitalforderung stets auf Basis des ursprünglich betriebenen Kapitalsbetrages einzustehen habe, sei nicht zu erkennen. Die Regelung stehe außerdem im Widerspruch zu den Regelungen über die Ermittlung der maßgeblichen Bemessungsgrundlage im Zivilprozess, nämlich im Besonderen zu den Vorschriften der §§54 bis 59 JN und §§3 und 4 RATG. §12 RATG sehe daher ausdrücklich eine Änderung des Wertes des Streitgegenstandes während des Verfahrens vor und regle zudem, wann die Wirkungen einer derartigen Änderung einträten.
Es sei somit nicht zu erkennen, inwiefern eine verpflichtete Partei für die in einem Exekutionsverfahren anfallenden Kosten stets auf Grundlage der der Exekutionsbewilligung zugrunde gelegten Kapitalsforderung einstehen solle, obwohl durch teilweise Befriedigung des betreibenden Gläubigers bereits eine Reduktion des Kapitalbetrages eingetreten sei. Der letzte Satz des §13 lita RATG sei daher sachlich nicht gerechtfertigt und widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz des Art7 B-VG.
3. §13 Abs1 lita RATG, BGBl. 189/1969 idF BGBl. 519/1995, lautet (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"§13. (1) Im Exekutions(Sicherungs)verfahren ist Bemessungsgrundlage
a) für den betreibenden Gläubiger oder sonstigen Berechtigten der Wert des Anspruchs an Kapital; Prozeßkosten oder Nebengebühren sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie allein den Gegenstand des durchzusetzenden oder zu sichernden Anspruchs bilden; eine Änderung der Bemessungsgrundlage tritt während des Verfahrens nicht ein;"
4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie - ausgehend von der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung und dem Vorliegen der Prozessvoraussetzungen - dem Antrag entgegentritt, indem sie mit Blick auf die Zielsetzungen der angefochtenen Regelung dartut, dass die Kostentragungsregelungen des Exekutionsverfahrens nicht mit jenen des Zivilprozesses vergleichbar seien. Differenzierende Regelungen in verschiedenen Verfahrenssystemen seien nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zulässig. Darüber hinaus sei die spezifische Ausgestaltung der vorliegenden Kostenersatzregelung im Hinblick auf die konkreten Fragestellungen im Exekutionsrecht, nämlich eine möglichst einfache und überprüfbare Bemessungsgrundlagenregelung und die Vermeidung des aufwendigen und ständigen Neuberechnens der Berechnungsgrundlage im Exekutionsverfahren, sachlich gerechtfertigt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Gemäß Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof |ber die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes auf Antrag eines zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichtes, wenn dieses in der bei ihm anhängigen Rechtssache das betreffende Gesetz anzuwenden hätte. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrages eines Gerichtes ist somit die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung (VfSlg. 17.237/2004). Der Verfassungsgerichtshof ist allerdings nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. nach seiner ständigen Rechtsprechung darf daher ein Antrag gemäß Art140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 17.670/2005 mwH).
2. Die verpflichtete Partei gibt zwar in der Anfechtungserklärung ihres Rekurses vom 26. August 2008 zunächst an, sie fechte den Beschluss des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 12. August 2008 zur Gänze an, ihr Antrag lautet jedoch darauf, das Rekursgericht möge dem Rekurs der verpflichteten Partei Folge geben und den Kostenbestimmungsbeschluss dahin abändern, dass die Kosten des Interventionsvollzuges mit € 188,16 (darin enthalten € 31,36 an USt) bestimmt werden. Diesem Antrag entspricht auch die Begründung, in der sie ausführt, es sei unstrittig, dass dem Vertreter der betreibenden Partei für den Interventionsvollzug am 29. Juli 2008 ein Kostenersatz nach TP7 Abs2 RATG zustehe. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einem Widerspruch zwischen Rechtsmittelantrag und Anfechtungserklärung allein der Antrag maßgeblich. Einer über den Antrag hinausgehenden Anfechtungserklärung kommt daher keine Bedeutung zu (vgl. RIS-Justiz RS 0041772). Indem die verpflichtete Partei die Kosten des Interventionsvollzuges unbekämpft ließ, ist hinsichtlich dieses Betrages der Beschluss des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 12. August 2008 in Rechtskraft erwachsen, sodass die Aufhebung des diesbezüglichen Teiles des erstgerichtlichen Beschlusses bzw. die Neuberechnung dieser Rechtsanwaltskosten dem Rekursgericht verwehrt ist.
Die übrigen von der Teilrechtskraft nicht umfassten und dem Landesgericht Innsbruck zur Beurteilung obliegenden Exekutionskosten (Reisekosten und Entschädigung der Zeitversäumnis) sind - anders als die Kommission nach TP7 Abs2 RATG - nach Fixbeträgen zu berechnen, nämlich nach dem gesetzlich festgelegten Kilometergeld bzw. der in der TP9 Z4 RATG für je eine begonnene Stunde festgelegten Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von € 25,10. Das Landesgericht Innsbruck hat daher im Anlassverfahren nicht über Kosten abzusprechen, die auf Basis einer wie immer bestimmten Bemessungsgrundlage zu ermitteln sind. Es ist somit denkunmöglich, dass bei der Rekursentscheidung §13 Abs1 lita RATG anzuwenden ist.
Der Antrag ist daher zurückzuweisen.
III. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.