G27/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
Begründung:
1. Mit Eingabe vom 30. März 2010 beantragte der Einschreiter die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Antrages gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG auf Aufhebung der "§§64 ff. ASGG (Arbeits- u. Sozialgerichtsgesetz)". Dazu brachte er begründend vor, dass im Bereich des ASGG keine dem §101 ASVG entsprechende Regelung existiere, sondern nur die strengeren Vorschriften über die Wiederaufnahme iSd §530 ZPO in Betracht kämen, womit eine Verletzung des verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatzes gegeben wäre.
2. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).
Dabei ist es grundsätzlich zumutbar, den Klagsweg zu beschreiten, im gerichtlichen Rechtsstreit Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften vorzubringen und vor dem in zweiter Instanz zur Entscheidung berufenen Gericht die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. zB VfSlg. 8890/1980, 8979/1980, 9394/1982, 9695/1983, 9926/1984, 10.445/1985, 10.785/1986, 11.551/1987, 11.759/1988, 11.890/1988, 12.046/1989, 12.775/1991, 16.653/2002).
3. Bei den §§64 ff. ASGG handelt es sich um spezifisch verfahrensrechtliche Bestimmungen, die schon von vornherein für den Antragsteller nicht losgelöst von einem gerichtlichen Verfahren unmittelbar wirksam werden können (vgl. dazu mutatis mutandis VfSlg. 16.653/2002). Sie können daher losgelöst von einem solchen Verfahren nicht unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre eines Betroffenen eingreifen. Schon insoweit erweist sich der beabsichtigte Antrag als aussichtslos.
4. Die vom Einschreiter beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof erscheint damit als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage die Zurückweisung des beabsichtigten Individualantrages zu gewärtigen wäre. Da die Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) somit nicht gegeben sind, war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen.
Dies konnte in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG).