JudikaturVfGH

SV1/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2010

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung:

I. 1. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten

Schriftsatz stellen die Antragsteller - 37 Abgeordnete zum Nationalrat - gemäß Art140a Abs1 iVm Art140 Abs1 B-VG und §§62 ff. und §66 VfGG den Antrag,

"1. den Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft samt Protokollen, Anhang und Schlussakte der Regierungskonferenz einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (Reformvertrag) enthaltenen Artikel, und zwar wegen mangelnder Einhaltung der Erzeugungsregeln gem. Punkt I dieser Beschwerde aufzuheben bzw. für nichtig erklären

in eventu

2. den Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft samt Protokollen, Anhang und Schlussakte der Regierungskonferenz einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (Reformvertrag) wegen der im Vertrag unter Punkt I bis XI dargestellten qualifizierten Eingriffe durch die Artikel des EUV, und zwar Art5, 5 (1), 7 (1), 27, 28 28 (2), 35, 46b, 48 (6) EUV, sowie folgende Art des AEUV Art2, 2 (1), 2 (2), 2 (3), 2 (4), 2 (5), 2 (6), 3, 4, 4 (2), 4 (3), 5, 5 (1), 5 (2), 5 (3), 6, 48 (6), 249a (3), 269, 308 (1), 311, 311 (3), 312, 313, 314, 352 AEUV, sowie folgende Art der Zusatzerklärung/ 17. Erklärung, welche Bestandteil des Reformvertrages ist, ArtI 33 (1) und Abs1 und Abs2, sowie Art36 EVV in das österreichische Bundesverfassungsrecht, und zwar in Artikel 1, 2, 10, 11, 12, 15, 18, 23d, 23e, 24, 26, 42, 44, 50 Abs3, 51, 51a, 51b, 51c B-VG, welche eine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellen, zu aufzuheben, da keine zwingend erforderliche Volksabstimmung im Sinne des Art44 Abs3 B-VG durchgeführt wurde

in eventu

3. die im Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft samt Protokollen, Anhang und Schlussakte der Regierungskonferenz einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (Reformvertrag) enthaltenen Artikel, und zwar folgende Art des EUV Art5, 5 (1), 7 (1), 27, 28 28 (2), 35, 46b, 48 (6) EUV, sowie folgende Artikel des AEUV Art2, 2 (1), 2 (2), 2 (3), 2 (4), 2 (5), 2 (6), 3, 4, 4 (2), 4 (3), 5, 5 (1), 5 (2), 5 (3), 6, 48 (6), 249a (3), 269, 308 (1), 311, 311 (3), 312, 313, 314, 352 AEUV, sowie folgende Art der Zusatzerklärung/ 17. Erklärung, welche Bestandteil des Reformvertrages ist, ArtI 33 (1) und Abs1 und Abs2, sowie Art36 EVV wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben.

4. Des Weiteren beantragen die Antragsteller Ersatz der Kosten zu Handen des Antragstellervertreters, wobei im Sinne des §27 letzter Satz VfGG der Zuspruch für alle regelmäßig anfallenden Kosten zuzüglich Ust begehrt wird."

2. Hinsichtlich der Antragslegitimation zur Anfechtung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft samt Protokollen, Anhang und Schlussakte der Regierungskonferenz einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen ("Reformvertrag"), BGBl. III 132/2009 (im Folgenden: Vertrag von Lissabon), wird von den Antragstellern folgendes Vorbringen erstattet:

2.1. Die Antragsteller geben an, seit der konstituierenden Sitzung des Nationalrats am 28. Oktober 2008 bzw. im Fall eines Antragstellers seit 22. Oktober 2009 Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat zu sein und als solche die Aufgabe zu haben, an der Gesetzgebung im Sinne der Art24 ff. B-VG unter Einhaltung der Verfassungsgrundsätze mitzuwirken. Österreich sei durch den Bundesverfassungsgesetzgeber 1920 grundsätzlich vom Prinzip der Gewaltentrennung, einer strikten Trennung der Legislative von der Vollziehung, geprägt. Ein Verstoß gegen die wesentlichen Prinzipien der Gewaltentrennung und des Legalitäts- und Bestimmtheitsgebots als Ausdruck des Art18 B-VG sowie u.a. gegen das demokratische Prinzip stelle nicht nur eine Verletzung von Verfassungsgrundsätzen, sondern auch eine Verletzung einfacher Gesetze dar. Ein solcher verfassungswidriger Eingriff eines Staatsvertrages in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte führe zu einem Anspruch eines durch die Anwendung des verfassungswidrigen Staatsvertrages unmittelbar Betroffenen gegen die Republik aus dem Titel der Amtshaftung.

Der einzelne Antragsteller, als Mitglied des Nationalrates und als Organwalter an der Gesetzgebung mitwirkend, sei durch die Normen des Vertrags von Lissabon unmittelbar betroffen, da diese auf Grund des Vorrangprinzips des Gemeinschaftsrechts unmittelbar Anwendung hätten. Jeder einzelne Antragsteller sei durch die näher bezeichneten Bestimmungen in seinem ihm durch die Verfassung eingeräumten Recht und in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Pflichten und Aufgaben an der Ausübung seiner Rechtsstellung als Abgeordneter des österreichischen Nationalrates begrenzt; der Vertrag von Lissabon greife unmittelbar in die jenem durch die Verfassung übertragenen Rechte ein. Durch den Vertrag von Lissabon werde nicht nur potentiell, sondern aktuell unmittelbar in die Rechtssphäre des einzelnen Antragstellers eingegriffen und stehe diesem kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr und Abhilfe zur Verfügung.

2.2. Des Weiteren bringen die Antragsteller hinsichtlich ihrer Antragslegitimation Folgendes vor:

"Aufgrund der normierten Vorrangswirkung des Gemeinschaftsrechtes [...] ist mit der jederzeitigen Verwirklichung des den einzelnen Antragsteller speziell im Rahmen seiner Mitwirkung an der Gesetzgebung bzw. seines Ausschlusses verpflichtenden bzw. entpflichtenden Tatbestandes zu rechnen. Der Vertrag von Lissabon wirkt sich daher auch objektiv nachteilig aus, da bei verständiger Würdigung der konkret dargelegten Umstände [...] es zu einer Änderung der Rechtsstellungsposition des einzelnen Antragstellers als Organwalter und Träger der österreichischen Bundesverfassung kommt, die für ihn nachteilig und durch die Verfassung nicht gedeckt ist.

[...]

Aus Sicht der Antragsteller ist es unzumutbar, die, die Kompetenzverteilung missachtenden, die gegen das Legalitäts- und Bestimmtheitsgebot verstoßenden, die die Souveränität des Nationalrats außer Kraft setzenden, sowie die das Neutralitätsrecht verletzenden Bestimmungen des Vertrages von Lissabon anzuwenden."

2.3. Im Rahmen der Ausführungen zur "Verletzung der politisch-demokratischen Gestaltungsfreiheit" bringen die Antragsteller vor, dass jeder Normunterworfene in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, an einer Gesamtänderung der Bundesverfassung mitzuwirken, verletzt sei. Eine unmittelbare Rechtsverletzung ergebe sich aus der "Missachtung der Bürgerrechte bei der Gesamtänderung der Bundesverfassung". Entweder sei Art44 Abs3 B-VG auch bei Staatsverträgen anzuwenden oder dürften Staatsverträge keine Gesamtänderung der Bundesverfassung zum Inhalt haben. In beiden Fällen sei das Recht auf Beteiligung an Gesamtänderungen der Bundesverfassung verletzt.

Wenn der einzelne Rechtsunterworfene und Normadressat ein "subjektives Verfassungsrecht" habe, an Gesamtänderungen der Bundesverfassung mitzuwirken, dann folge daraus mit dem Argument "a minore ad maiorem" [sic], dass der Normadressat "erst recht" ein subjektives Recht habe, einen verfassungswidrigen Staatsvertrag abzuwehren.

2.4. Unter dem Titel "Verlust des innerstaatlich-verfassungsrechtlich determinierten Rechtsschutzes" führen die Antragsteller Folgendes aus (Hervorhebungen im Original):

"Die Antragsteller verlieren durch die Erweiterung der Aufgaben und Befugnisse der Europäischen Union, durch die weite und offene Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union und damit die Verlagerung der existentiellen Staatlichkeit von den Mitgliedstaaten auf die Union in allen wichtigen Bereichen der Wirtschaft, der Währung, des Sozialen, aber auch in wichtigen anderen Bereichen der Politik, wie dem der Gesundheit und des Umweltschutzes, in dem Maße, in dem die Rechtsetzungsbefugnisse auf die Organe der Europäischen Union übergeleitet werden, zugleich den Rechtsschutz der österreichischen Gerichte, insbesondere des Verfassungsgerichtshofs, weil die Grundrechtsgerichtsbarkeit gegenüber den sekundären und auch tertiären Rechtsakten der Union auf den Gerichtshof der Europäischen Union übergeht, der ohnehin die wesentliche Verantwortung für die Grundrechte und die Grundsätze des Rechts erlangt."

2.5. Die Antragsteller bringen vor, dass sie durch die Unterzeichnung, die Genehmigung, die Ratifikation und die Kundmachung des Vertrages von Lissabon unmittelbar und aktuell in ihrem Grundrecht auf Vertretung durch die Vertreter des ganzen Volkes aus Art24 und Art26 Abs1 B-VG verletzt seien:

"Die Antragsteller sind durch die im gesamten 'Reformvertrag' enthaltenen Bestimmungen in ihren aufgrund ihrer Abgeordnetenstellung durch die österreichische Bundesverfassung übertragenen Mitwirkung an der Legislative im Rahmen der dem Bund aufgrund von Art10ff B-VG eingeräumten Kompetenzen verletzt, da durch die Zuständigkeitstatbestandsregelungen der Art2, 3, 4, 5, 6 AEUV die Kompetenz des Nationalrates eingeschränkt bzw. die Zuständigkeit ausgeschlossen wird."

2.6. Schließlich erachten sich die Antragsteller als durch die Generalermächtigung zur Mittelbeschaffung im Sinne der Art311 bis 314, 249a und 269 AEUV unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen, da sie ihrer durch die Verfassung übertragenen Pflicht zur Mitwirkung an der Haushaltsführung nach Art51 ff. B-VG nicht mehr nachkommen könnten.

3. In der Sache hegen die Antragsteller Bedenken, dass die nach ihrer Auffassung auf Grund der Eingriffe in "Bauprinzipien der österreichischen Verfassung" gebotenen Erzeugungsregeln (Beschluss durch die Bundesversammlung) nicht eingehalten worden seien. Abgesehen davon bewirke der Vertrag von Lissabon eine Einschränkung der "politischen, bürgerlichen und allgemeinen Freiheit gemäß Art1 B-VG", des Legalitätsprinzips nach Art18 B-VG, des Rechts auf "Vertretung durch den Nationalrat" iSd Art26 Abs1 B-VG, des Rechts auf Durchführung einer Volksabstimmung im Fall einer Gesamtänderung nach Art44 Abs3 B-VG, des Rechts auf "Ausübung der legislativ übertragenen Kompetenz im Sinne der Art10ff B-VG", der Steuer- und Finanzhoheit, des Neutralitätsgebots und des demokratischen Bauprinzips. Die wesentliche Einschränkung der Staatlichkeit der Republik Österreich gehe einher mit der Weiterentwicklung der Staatlichkeit der Europäischen Union zu einem Bundesstaat, der einer demokratischen Legitimation entbehre. Die Ratifikation des Vertrags von Lissabon stelle auf Grund der Intensität dieser Eingriffe eine Gesamtänderung der Bundesverfassung dar, weshalb die Durchführung einer Volksabstimmung erforderlich gewesen wäre.

4. Die Bundesregierung hat dazu eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, die Anträge zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

Zur Zulässigkeit führt die Bundesregierung auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass die Antragsteller zwar die Existenz einer Rechtssphäre behaupten, in die die angefochtenen Normen eingreifen könnten, jene allerdings nur unklar und ohne Nachweis umschreiben würden. Außerdem lege der Antrag nicht dar, inwiefern die Bestimmungen des Vertrages von Lissabon in die behauptete Rechtssphäre der Antragsteller eingreifen sollten. Sofern ein "Recht auf Vertretung durch den Nationalrat" und ein "Recht, an der Gesetzgebung durch den Nationalrat mitzuwirken", angesprochen seien, werde der Sache nach eine Einschränkung der Zuständigkeiten des Gesetzgebungsorgans "Nationalrat", nicht jedoch ein Eingriff in subjektive Rechte geltend gemacht. Schließlich fehle auch eine hinreichend genaue Bezeichnung der bekämpften Normen.

Soweit die Antragsteller ein "Recht auf Durchführung einer Volksabstimmung" meinen sollten, sei dem entgegenzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 17.588/2005 ausgesprochen habe, dass die Bundesverfassung lediglich die Teilnahme an einer angeordneten Volksabstimmung, nicht aber ein Recht auf Durchführung einer solchen gewährleiste. Abgesehen davon betreffe dieses Vorbringen nicht spezifisch die Rechtssphäre, die sich aus der Funktion als Abgeordneter ergebe; auf diese Funktion würden sich die Antragsteller jedoch ausschließlich berufen. Der Sache nach werde von den Antragstellern eine Einschränkung der Zuständigkeiten des Gesetzgebungsorgans Nationalrat geltend gemacht, nicht jedoch ein Eingriff in subjektive Rechte.

5. Die Antragsteller erstatteten eine Replik zur Äußerung der Bundesregierung, in der sie u.a. neuerlich darauf hinweisen, dass die Befugnisse und Rechte des einzelnen Nationalratsabgeordneten eingeschränkt würden.

II. Die Anträge sind mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen:

1. Gemäß Art140a Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Dabei ist auf die mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art50 B-VG abgeschlossenen Staatsverträge und die gesetzesändernden oder gesetzesergänzenden Staatsverträge gemäß Art16 Abs1 B-VG der Art140 B-VG, auf alle anderen Staatsverträge der Art139 B-VG anzuwenden.

Bei dem von den Antragstellern angefochtenen Vertrag von Lissabon handelt es sich um einen gemäß Art50 Abs1 Z2 iVm Abs4 B-VG idF BGBl. I 2/2008 genehmigten Staatsvertrag, auf den somit Art140 B-VG anzuwenden ist.

Der Umstand, dass die Antragsteller - dem Art140a B-VG zuwider - die Aufhebung bzw. Nichtigerklärung der angefochtenen vertraglichen Vorschriften statt der Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit begehren, berührt die Zulässigkeit der Anträge nicht, weil das Begehren der Aufhebung bzw. Nichtigerklärung voraussetzungsgemäß den Vorwurf der Rechtswidrigkeit - hier: der Verfassungswidrigkeit - und damit das Begehren auf deren Feststellung in sich schließt (vgl. VfSlg. 16.628/2002).

2. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen unter anderem auf Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates (Art140 Abs1 zweiter Satz B-VG, "Drittelantrag"). Die Antragsteller selbst, die nicht die dafür erforderliche Anzahl eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates erreichen, stützen ihre Antragslegitimation allerdings nicht auf diese Bestimmung, sondern auf Art140 Abs1 letzter Satz

B-VG.

Nach dieser Bestimmung erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).

3. Dieses Erfordernis erfüllt der Antrag auf Aufhebung des Vertrages von Lissabon nicht.

Die Antragsteller stützen ihre Ausführungen zur Antragslegitimation auf ihre Funktion als Nationalratsabgeordnete und auf die Behauptung, jeder Normunterworfene habe ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Mitwirkung an einer Gesamtänderung der Bundesverfassung. Die Antragsteller haben damit nicht im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen jede einzelne der Regelungen des u.a. zur Gänze angefochtenen Vertrags von Lissabon bzw. jede einzelne angefochtene Bestimmung des Vertrags von Lissabon, des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unmittelbar in ihre Rechtssphäre eingreift:

3.1. Soweit die Antragsteller vorbringen, jeder Normunterworfene habe ein Recht auf Mitwirkung an einer Gesamtänderung der Bundesverfassung, erfolgt zum Einen keine nähere Konkretisierung der unmittelbaren rechtlichen Betroffenheit: Das Vorbringen zur Antragslegitimation erschöpft sich insoweit in der Behauptung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts jedes Normunterworfenen auf Durchführung einer Volksabstimmung im Fall einer Gesamtänderung der Bundesverfassung. Eine Darlegung, inwiefern durch den Vertrag von Lissabon bzw. dessen einzelne Bestimmungen in die nach dem Vorbringen der Antragsteller bestehende Rechtssphäre unmittelbar eingegriffen wird, findet sich im Antrag jedoch nicht. Zum Anderen ist aus dem Bundesverfassungsrecht zwar ein Recht auf Teilnahme an einer angeordneten Volksabstimmung, nicht aber ein Recht auf Durchführung einer solchen abzuleiten (vgl. VfSlg. 17.588/2005).

3.2. Soweit die Antragsteller im Kern ihres Vorbringens zur Antragslegitimation auf ihre Funktion als Abgeordnete zum Nationalrat Bezug nehmen, legen sie ebenso wenig dar, inwieweit sie in ihren Rechten berührt sind. Sie stützen ihr Vorbringen im Wesentlichen auf Aussagen über die Aufgaben von Abgeordneten zum Nationalrat. Damit aber nehmen sie nicht auf ihre eigene Rechtssphäre, sondern auf ihre Organstellung Bezug. Der Verfassungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit Organwaltern in der Verwaltung wiederholt ausgesprochen, dass Rechtsvorschriften, die bloß die Ausübung staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, nicht die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter berühren (VfSlg. 10.571/1985 mwN, 11.750/1988, 15.025/1997; VfGH 16.6.2009, G258/07). Abgeordneten zum Nationalrat ist durch verschiedene Bestimmungen des Bundesverfassungsrechts eine besonders geschützte Rechtsstellung eingeräumt, die mit ihrer Abgeordneteneigenschaft unmittelbar verbunden ist. Zu dieser gehören die sich aus dem passiven Wahlrecht nach Art26 B-VG ergebende Rechtsstellung, der Grundsatz des freien Mandats nach Art56 Abs1 B-VG oder die Immunität der Abgeordneten nach Art57 B-VG. Diese Rechtsstellung vermittelt nicht die Wahrung der Zuständigkeit des Nationalrates zur Beschlussfassung in bestimmten gesetzlich zu regelnden Angelegenheiten durch den Nationalrat, sondern ein allgemeines Recht auf Teilnahme der Antragsteller an der Gesetzgebung (des Bundes). Nur insoweit kommt eine Berührung der Rechtssphäre von Abgeordneten zum Nationalrat in Betracht.

Ein Eingriff in diese Rechtssphäre wird von den Antragstellern allerdings nicht behauptet. Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, wird in der Bezugnahme auf Rechte der Antragsteller an der Mitwirkung an der Gesetzgebung der Sache nach eine Beschränkung der Zuständigkeit des Organs Nationalrat, nicht aber geltend gemacht, dass die Abgeordneten in ihrer Rechtssphäre berührt werden.

3.3. Soweit die Verfassungswidrigkeit der "Art I 33 (1) und Abs1 und Abs2, sowie Art36 EVV" behauptet und deren Aufhebung begehrt wird, ist den hinsichtlich der Antragslegitimation bestehenden Anforderungen an das Antragsvorbringen überdies schon deshalb nicht Genüge getan, weil sich daraus nicht ergibt, welche Norm unter der Abkürzung "EVV" zu verstehen ist. Sollten die Antragsteller damit den Vertrag über eine Verfassung für Europa, ABl. C 310 vom 16.12.2004, gemeint haben, so ist ihnen entgegenzuhalten, dass dieser nicht Gegenstand einer Anfechtung iSd Art140a B-VG sein kann, weil er nie kundgemacht wurde (vgl. VfGH 30.9.2008, SV2/08 ua.; 11.3.2009, G149-152/08 ua.).

3.4. Die Antragsteller vermögen sohin nicht darzutun, dass die Antragsteller durch die im Antrag näher bezeichneten Regelungen in einem Staatsvertrag unmittelbar in ihren Rechten berührt sind. Die Anträge erweisen sich bereits aus diesem Grund als unzulässig.

Bei diesem Ergebnis kann angesichts der Ausführungen unter

3.1. bis 3.3. dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die von den Antragstellern bekämpften Regelungen im Einzelnen überhaupt subjektive Rechte einräumen (vgl. etwa VfSlg. 17.588/2005).

III. Der Antrag auf Aufhebung bzw. Nichtigerklärung des Vertrags von Lissabon sowie die Eventualanträge auf Aufhebung näher bezeichneter Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind somit mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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