G65/10 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
II. Der Antrag auf Abtretung des Verfahrenshilfeantrages an den Verwaltungsgerichtshof wird zurückgewiesen.
Begründung:
1. Mit der vorliegenden, selbst verfassten Eingabe beantragt der in der Justizanstalt Linz in Untersuchungshaft angehaltene Einschreiter der Sache nach die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines auf Art140 B-VG gestützten Antrages auf Aufhebung der Bestimmungen des §11a Abs1 Strafvollzugsgesetz (StVG) und des §34 Abs3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG). In eventu wird die "Überweisung an [den] VwGH" begehrt.
2. Der intendierte Individualantrag wäre unzulässig:
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).
Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann eröffnet, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder anhängig war, das dem Betroffenen Gelegenheit bietet bzw. bot, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (zB VfSlg. 13.871/1994, 17.110/2004, 17.276/2004; VfGH 28.2.2008, G13/08). Ein Individualantrag gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG wäre in solchen Fällen nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (zB VfSlg. 13.659/1993, 14.672/1996).
2.1. Dem Einschreiter stand zur Geltendmachung seiner Bedenken gegen die Regelung des §11a Abs1 StVG (betreffend die Zuständigkeit der Vollzugskammer zur Entscheidung über Beschwerden gegen Entscheidungen des Anstaltsleiters) in mehrfacher Hinsicht ein zumutbarer Weg zur Verfügung:
Er hat nämlich in der Vergangenheit wiederholt (letztinstanzliche) Bescheide der Vollzugskammern bei den Oberlandesgerichten Wien und Linz iZm Beschwerden gemäß §§120, 121 StVG erwirkt (s. zB VfGH 16.6.2009, B2147/07; 28.1.2010, B1286/09; 26.4.2010, B344/10 ua.) und diese in der Folge beim Verfassungsgerichtshof angefochten. Auf diese Weise konnte der Einschreiter eine (gegebenenfalls von Amts wegen zu veranlassende) Überprüfung der Bestimmung des §11a Abs1 StVG auf ihre Verfassungsmäßigkeit beim Verfassungsgerichtshof erreichen.
Außergewöhnliche Umstände, welche die Einbringung eines Individualantrages zufolge Unzumutbarkeit eines anderen Weges ausnahmsweise zulässig machen können (vgl. zB VfSlg. 12.379/1990, 16.772/2002), liegen hier nicht vor.
Dem Einschreiter würde daher schon deshalb (ungeachtet der Frage, ob er überhaupt Adressat des §11a Abs1 StVG ist) die Legitimation für die Einbringung eines Individualantrages fehlen.
2.2. Ebenso wenig wäre der Einschreiter zur Einbringung eines Individualantrages auf Aufhebung des §34 Abs3 AVG (betreffend die Verhängung von Ordnungsstrafen wegen beleidigender Schreibweise) legitimiert: Sollte er von dieser Regelung (auf Grund einer gegen ihn verhängten Ordnungsstrafe) aktuell betroffen sein, stünde (bzw. stand) ihm auch insofern ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung seiner Bedenken offen: Denn es wäre ihm möglich und zumutbar (gewesen), gegen einen diesbezüglichen Bescheid Berufung zu erheben und seine Bedenken nach Durchlaufen des Instanzenzuges im Wege einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Da somit jedenfalls die Zurückweisung des intendierten Individualantrages zu gewärtigen wäre, erscheint die vom Einschreiter beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof von vornherein als offenbar aussichtslos.
2.3. Der - nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formalerfordernisse hin geprüfte - Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war daher insgesamt mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.
3. Weder Art140 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift sieht die Abtretung von Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Individualantrages an den Verwaltungsgerichtshof vor. Der Antrag auf Abtretung des Verfahrenshilfeantrages an den Verwaltungsgerichtshof war daher zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG sowie §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.