G90/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
I. 1. Der Antragsteller erachtet sich durch die
Einkommensbesteuerung des Kinderzuschusses zu seiner Pension als beschwert und hält diese für verfassungswidrig. Mit seinem auf Art140 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller die Aufhebung des §262 Abs1 erster Satz ASVG, BGBl. 189/1955 in der Fassung der Novelle BGBl. I 67/2001.
2. Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller Folgendes vor:
"Die Voraussetzungen der Antragslegitimation liegen vor, da §262 Abs1 ASVG unmittelbar, eindeutig und aktuell in die Rechtsposition des Antragstellers eingreift.
Die Unmittelbarkeit liegt vor, weil dem Antragsteller kein verwaltungsbehördliches oder gerichtliches Verfahren offen steht zur Abwehr des rechtswidrigen Eingriffes. Der Antragsteller hat zwar Klage gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt auf Weitergewährung des Kinderzuschusses beim Arbeits- und Sozialgericht St. Pölten erhoben, doch wurde die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen, da es sich bei der Besteuerung des Kinderzuschusses um keine Sozialrechtssache iSd §65 Abs1 ASGG handelt und der Abzug der Lohnsteuer nicht gesondert bekämpfbar ist, da dieser nicht im Spruch des Bescheides angeführt ist. Ein anderer zumutbarer Weg zur Bekämpfung der Besteuerung des Kinderzuschusses steht dem Antragsteller nicht zur Verfügung.
Der §262 Abs1 ASVG beeinträchtigt auch aktuell den Antragsteller, da dieser einen Kinderzuschuss zur Eigenpension erhält und von diesem Kinderzuschuss Lohnsteuer in Abzug gebracht wird. Unmittelbar durch die Anwendung dieses angefochtenen Gesetzes wird in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingegriffen und wird diese durch dessen Verfassungswidrigkeit verletzt.
Die Voraussetzungen für die Ausführung eines Individualantrages liegen daher vor, da das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und durch seine Verfassungswidrigkeit verletzt."
3. §262 ASVG lautet wie folgt (die angefochtene Passage ist hervorgehoben):
"§262. (1) Zu den Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters und zur Invaliditätspension gebührt für jedes Kind (§252) ein Kinderzuschuß. Für die Dauer des Anspruches auf Kinderzuschuß gebührt für ein und dasselbe Kind kein weiterer Kinderzuschuß. Über das vollendete 18. Lebensjahr wird der Kinderzuschuß nur auf besonderen Antrag gewährt.
(2) Der Kinderzuschuß beträgt 29,07 Euro monatlich."
II. Der Antrag ist unzulässig:
1. Ein Gesetzesprüfungsverfahren soll dazu dienen, die behauptete Verfassungswidrigkeit - wenn sie tatsächlich vorläge - zu beseitigen. Unzulässig ist ein Antrag daher dann, wenn die Aufhebung einer Bestimmung beantragt ist, welche die angenommene Verfassungswidrigkeit gar nicht beseitigen würde (VfSlg. 8461/1978; in diesem Sinne auch VfSlg. 16.191/2001 mwN; VfGH 28.9.2009, G193/08).
Dies trifft auf den vorliegenden Antrag zu: §262 Abs1 erster Satz ASVG regelt nämlich nicht die Einkommensbesteuerung des Kinderzuschusses, sondern begründet den Anspruch auf den Kinderzuschuss, sodass sich der Sitz der behaupteten Verfassungswidrigkeit - läge sie denn vor - nicht in dieser Regelung befinden kann. Das Ziel des Aufhebungsantrages würde also durch Aufhebung des §262 Abs1 erster Satz ASVG nicht erreicht, weshalb der Antrag zurückzuweisen war.
2. Die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG besteht darüber hinaus auch insoweit nicht, als ein anderer zumutbarer Weg, die behauptete Verfassungswidrigkeit an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, zur Verfügung steht (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977, zB VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).
Entgegen seiner Behauptung stünde dem Antragsteller ein solcher zumutbarer Weg, nämlich die Beschreitung des Instanzenzuges in einem Abgabenverfahren (das zB nach §41 Abs2 EStG 1988 oder allenfalls nach §240 Abs3 BAO anhängig gemacht werden kann) offen.
3. Der Antrag ist somit unzulässig.
III. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.