U3078/09 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die zu U3078/09 protokollierte Beschwerde gegen die oben bezeichnete Entscheidung des Asylgerichtshofes wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer ist durch die zu U3079/09 bekämpfte Entscheidung des Asylgerichtshofes im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Die Entscheidung wird aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 1.200,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen
Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 11. Februar 2008 nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt (im Folgenden: BAA) wies den Antrag mit Bescheid vom 6. November 2008 gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG 2005), ab, erkannte dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 leg.cit. nicht zu und wies den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z1 leg.cit. in die Russische Föderation aus. Der Asylgerichtshof (im Folgenden: AsylGH) wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 2. April 2009 als unbegründet ab.
2. Am 16. Oktober 2009 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, den das BAA mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 gemäß §68 Abs1 AVG wegen entschiedener Sache zurückwies. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z1 AsylG 2005 erneut in die Russische Föderation ausgewiesen.
3. Dagegen wurde am 3. November 2009 fristgerecht Beschwerde an den AsylGH erhoben, wobei gleichzeitig Anträge auf Verfahrenshilfe sowie auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters gestellt wurden.
4. Mit Erkenntnis des AsylGH vom 13. November 2009, Z D13 402762-2/2009/4E, wurde der Bescheid des BAA vom 29. Oktober 2009 gemäß §66 Abs4 iVm §68 AVG ersatzlos behoben, weil im Zweifel davon auszugehen sei, dass die Zustellung des Erkenntnisses des AsylGH vom 2. April 2009 nicht rechtmäßig erfolgt und daher zum Zeitpunkt der Zustellung dieses Bescheides das Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei. Inhaltlich wurde das Vorbringen zum Folgeantrag als Vorbringen im ersten Verfahren mitbehandelt.
5. Mit einem weiteren Erkenntnis des AsylGH, ebenfalls vom 13. November 2009, Z D13 402762-1/2008/10E, wurde die Beschwerde vom 3. November 2009 gemäß §66 Abs4 AVG iVm §61 AsylG 2005 und §§3 Abs1, 8 Abs1 Z1 und 10 Abs1 Z2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurden die Anträge auf Verfahrenshilfe und Beigebung eines Flüchtlingsberaters gemäß §23 Asylgerichtshofgesetz, BGBl. I 4/2008 (im Folgenden: AsylGHG), und §66 AVG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Überdies wurde das Erkenntnis des AsylGH vom 2. April 2009 gemäß §68 Abs2 AVG von Amts wegen aufgehoben (Spruchpunkt III.).
6. In der gegen beide genannten Entscheidungen des AsylGH vom 13. November 2009 erhobenen - der Sache nach auf Art144a B-VG gestützten - Beschwerde wird die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte (auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie gemäß Art3 EMRK) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen beantragt.
7. Der belangte AsylGH hat die Verwaltungsakten des BAA sowie die Gerichtsakten vorgelegt, mit Verweis auf die Begründung im angefochtenen Erkenntnis von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde abzuweisen sowie dem Bund den gesetzlichen Kostenersatz zuzusprechen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zu U3078/09 protokollierte Beschwerde gegen die Entscheidung des AsylGH vom 13. November 2009, Z D13 402762-2/2009/4E, erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger - auch auf Fälle des Art144a Abs1 B-VG anwendbarer - Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, dass die Beschwerdelegitimation nach Art144 Abs1 B-VG nur dann gegeben ist, wenn durch den bekämpften Bescheid irgendein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann, das heißt, wenn die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre der beschwerdeführenden Partei berühren, der Bescheid demgemäß subjektive Rechte begründet (verändert) oder feststellt (vgl. etwa VfSlg. 9423/1982, 9771/1983, 10.576/1985, 11.764/1988, 13.289/1992, 13.433/1993, 14.413/1996).
2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat der AsylGH, in Erledigung der seinerzeitigen Beschwerde, einen Bescheid ersatzlos behoben, somit dem Beschwerdebegehren des Beschwerdeführers Rechnung getragen und einen ihn belastenden Bescheid beseitigt. Der Beschwerdeführer ist somit nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 12.044/1989, 12.088/1989, 13.435/1993) durch das angefochtene Erkenntnis nicht beschwert, weshalb die Beschwerde mangels Legitimation zurückzuweisen war.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - zu U3079/09 protokollierte Beschwerde gegen die Entscheidung des AsylGH vom 13. November 2009, Z D13 402762-1/2008/10E, erwogen:
Die Beschwerde ist begründet:
1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002). Für Entscheidungen des AsylGH gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken.
2. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid u.a. einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt, "die Beigabe eines Flüchtlingsberaters" beantragt sowie weiters ersucht: "Die Behörde möge den Flüchtlingsberater, welcher dem Asylwerber zur Verfügung gestellt wird, ehestmöglich nennen".
3. Der AsylGH begründete die Zurückweisung dieser Anträge folgendermaßen:
"Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist zum Entscheidungszeitpunkt erstens davon auszugehen, dass die Asylbehörde, bzw. das BMI §66 AsylG ordnungsgemäß und gemeinschaftsrechtskonform umsetzt (Gegenteiliges wurde in der Beschwerde ja auch nicht behauptet, sodass sich schon aus diesem Gesichtspunkt weitere Erhebungen hiezu erübrigen), auch im Lichte der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Art15f der Verfahrensrichtlinie hiezu (siehe VfGH, 03.09.2009, U556/09-13). Zweitens ist festzuhalten, dass für das Tätigwerden des Flüchtlingsberaters ein Verlangen des Beschwerdeführers an eben diesen erforderlich ist, den der gegenständliche Antrag (schon mangels Verfügungsbefugnis des Asylgerichtshofes über Flüchtlingsberater) nicht substituieren kann (vgl Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, K4 zu §66 AsylG). Einer 'Beigebung' eines Flüchtlingsberaters fehlt somit die gesetzliche Grundlage. Sofern diese gemäß §66 AsylG bei Bedarf tatsächlich zur Verfügung stehen, wovon der Asylgerichtshof, wie erwähnt, ausgeht, begegnet dies keinen offenkundigen (gemeinschafts)rechtlichen Bedenken. Drittens mangelt es dem Asylgerichtshof auch jedenfalls an der verfassungsrechtlichen Kompetenzgrundlage über solche Anträge meritorisch (quasi in erster Instanz) abzusprechen. Es war daher diesbezüglich insgesamt spruchgemäß zu entscheiden. Nur vollständigkeitshalber ist festzuhalten, dass es dem Asylgerichtshof auch an der Zuständigkeit mangelte, über das Ausmaß und die Art der Verfahrenshilfe in einem potentiellen Beschwerdeverfahren vor dem VfGH zu erkennen."
4. §23 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I 147/2008, lautet:
"§23. (1) Soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs 'Berufung' der Begriff 'Beschwerde' tritt.
(2) Die Erkenntnisse sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen."
5. Der vom AsylGH herangezogene §66 AsylG 2005 (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I 122/2009) lautet:
"Flüchtlingsberater
§66. (1) Zur Unterstützung von Fremden in Angelegenheiten des Asylrechts hat der Bundesminister für Inneres Flüchtlingsberater in der notwendigen Anzahl zu bestellen. Diese haben ihre Tätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen.
(2) Flüchtlingsberater haben Fremde auf Verlangen
1. über alle das Asylrecht betreffenden Fragen zu informieren, soweit diese nicht in die Beratungspflicht der Rechtsberater fallen;
2. bei der Stellung oder Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz zu unterstützen;
3. in Verfahren nach diesem Bundesgesetz oder - soweit es sich um Asylwerber handelt - nach dem FPG zu vertreten, soweit nicht die Zuziehung eines Rechtsanwaltes gesetzlich vorgeschrieben ist;
4. bei der Übersetzung von Schriftstücken und Bereitstellung von Dolmetschern behilflich zu sein und
5. gegebenenfalls Rückkehrberatung zu leisten.
(3) Die Auswahl der Flüchtlingsberater obliegt dem Bundesminister für Inneres. Er kann hierbei auf Vorschläge des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), der Länder und Gemeinden sowie des Beirates für Asyl- und Migrationsfragen (§18 NAG) Bedacht nehmen.
(4) Flüchtlingsberater, die Bedienstete des Bundes sind, haben Anspruch auf Ersatz von Reisekosten nach Maßgabe der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133, andere Flüchtlingsberater auf Vergütung von Reisekosten, wie sie einem auf einer Dienstreise befindlichen Bundesbeamten der Gebührenstufe 3 nach der Reisegebührenvorschrift 1955 zusteht sowie auf eine Entschädigung für den Zeit- und Arbeitsaufwand, die vom Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen festzusetzen ist."
(Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 - FrÄG 2009, BGBl. I 122/2009, wurde mit Wirksamkeit ab 1. April 2010 der Begriff "Flüchtlingsberater" in §66 AsylG 2005 in "Rechtsberater" geändert; der "Rechtsberater" in §64 AsylG 2005 heißt nunmehr "Rechtsberater im Zulassungsverfahren".)
6. §66 AsylG 2005 dient, wie schon die Erläuterungen erwähnen (vgl. Erläut. zur RV des Fremdenrechtspakets 2005, 952 BlgNR 22. GP, 74), auch der Erfüllung europarechtlicher Vorgaben, nämlich der Umsetzung der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, ABl. L 326,
S 13 (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie). Art15 dieser Richtlinie lautet:
"Artikel 15
Anspruch auf Rechtsberatung und -vertretung
(1) Die Mitgliedstaaten gestatten den Asylbewerbern, auf eigene Kosten in wirksamer Weise einen Rechtsanwalt oder sonstigen nach nationalem Recht zugelassenen oder zulässigen Rechtsberater in Fragen ihres Asylantrags zu konsultieren.
(2) Im Falle einer ablehnenden Entscheidung einer Asylbehörde stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass auf Antrag kostenlose Rechtsberatung und/oder -vertretung vorbehaltlich der Bestimmungen des Absatzes 3 gewährt wird.
(3) Die Mitgliedstaaten können in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorsehen, dass kostenlose Rechtsberatung und/oder -vertretung nur gewährt wird
a) für die Verfahren vor einem Gericht oder Tribunal nach Kapitel V und nicht für nachfolgende im nationalen Recht vorgesehene Rechtsbehelfe, einschließlich erneuter Rechtsbehelfsverfahren und/oder
b) für Personen, die nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, und/oder
c) für Rechtsberater oder sonstige Berater, die nach nationalem Recht zur Unterstützung und/oder Vertretung von Asylbewerbern bestimmt wurden, und/oder
d) bei hinreichenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs.
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nach Buchstabe d gewährte Rechtsberatung und/oder -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt wird.
(4) Vorschriften über die Modalitäten für die Stellung und Bearbeitung von Ersuchen auf Rechtsberatung und/oder -vertretung können von den Mitgliedstaaten festgelegt werden.
(5) Ferner können die Mitgliedstaaten
a) für die Gewährung von kostenloser Rechtsberatung und/oder -vertretung eine finanzielle und/oder zeitliche Begrenzung vorsehen, soweit dadurch der Zugang zur Rechtsberatung und/oder -vertretung nicht willkürlich eingeschränkt wird;
b) vorsehen, dass Antragstellern hinsichtlich der Gebühren und anderen Kosten keine günstigere Behandlung zuteil wird, als sie den eigenen Staatsangehörigen in Fragen der Rechtsberatung im Allgemeinen gewährt wird.
(6) Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass der Antragsteller ihnen die entstandenen Ausgaben ganz oder teilweise zurückerstattet, wenn sich seine finanzielle Lage beträchtlich verbessert hat oder wenn die Entscheidung zur Gewährung solcher Leistungen aufgrund falscher Angaben des Antragstellers getroffen wurde."
7. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25. Juni 2009, U561/09, mit Blick auf das rechtsstaatliche Prinzip klargestellt, dass es im Verfahren vor dem AsylGH keiner Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf. Gleichzeitig hat er aber ausgeführt, dass der Gesetzgeber den besonderen Bedürfnissen von Asylwerbern vor allem hinsichtlich des sprachlichen und rechtlichen Verständnisses der im Verfahren vor dem AsylGH zu berücksichtigenden (rechtlichen) Fragestellungen dadurch Rechnung getragen habe, dass er in den §§64 ff. AsylG 2005 für das Zulassungsverfahren Rechtsberatung normiert und in §66 leg.cit. die Einrichtung eines Flüchtlingsberaters vorgesehen habe. Die für alle Verfahren zuständigen Flüchtlingsberater haben den rechtsschutzsuchenden Fremden auf sein Verlangen u.a. über das Asylrecht betreffende Fragen zu informieren, bei der Einbringung von Anträgen zu unterstützen, bei der Übersetzung von Schriftstücken und Bereitstellung von Dolmetschern behilflich zu sein, sowie den Fremden auch in Verfahren vor dem AsylGH zu vertreten, soweit nicht die Zuziehung eines Rechtsanwaltes gesetzlich vorgeschrieben ist. In Zusammenschau dieser Bestimmungen sei es daher auch einem Asylwerber möglich, in einem Verfahren vor dem AsylGH seine Interessen und Rechte entsprechend geltend zu machen, ohne dass eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich sei.
Ausgehend von dieser Rechtsprechung behob schließlich der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. September 2009, U556/09, ein Erkenntnis des AsylGH, weil dieser zu Unrecht einen Antrag auf "kostenlose Rechtsvertretung" im zugrunde liegenden Asylverfahren allein als Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigabe eines Rechtsanwaltes deutete. Wie der Verfassungsgerichtshof aussprach, war der AsylGH verpflichtet, sich mit dem darüber hinausgehenden, auch auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben (unter Hinweis auf die Verfahrensrichtlinie) gestützten Begehren der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen, rechtliche Beratung und Vertretung (auch) durch Beistellung eines Flüchtlingsberaters gemäß §66 AsylG 2005 zu erhalten. Das Fehlen jeglicher Erörterung des diesbezüglichen, mit dem Antrag auf Verfahrenshilfe in engem Zusammenhang stehenden (wesentlichen) Vorbringens habe die bekämpfte Entscheidung mit in die Verfassungssphäre reichender Willkür belastet.
8. §66 Abs2 Z3 AsylG 2005 sieht vor, dass Flüchtlingsberater Fremde unter anderem in Verfahren nach diesem Gesetz zu vertreten haben, soweit nicht die Zuziehung eines Rechtsanwaltes gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Vertretung hat nach dem Eingangssatz des §66 Abs2 leg.cit. auf Verlangen des Fremden zu erfolgen, wobei diese Bestimmung offen lässt, an wen das Verlangen auf Vertretung in einem Verfahren nach dem Asylgesetz zu richten ist. Der belangte AsylGH scheint nun zu meinen, dass dieses Verlangen vom Asylwerber an einen Flüchtlingsberater zu stellen ist, also an eine konkrete Person, die diese Eigenschaft gemäß §66 Abs1 und 3 leg.cit. durch Bestellung durch den Bundesminister für Inneres erhalten hat. Mit dieser Auffassung ist der AsylGH nicht im Recht.
8.1. Zunächst weist schon die Verwendung des Wortes "Verlangen" in einem rechtlichen Zusammenhang darauf hin, dass jenem, der zu einem Verlangen berechtigt ist, eine andere Seite gegenüber steht, die zur Behandlung des Verlangens verpflichtet ist. Dies zeigt etwa die Verwendung des Begriffs im Rahmen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. 51/1991 (vgl. etwa §14 Abs6 und Abs7 vierter Satz, §17 Abs2, §17a, §44b Abs2, §44f Abs2 und §57 Abs3). Dem rechtlichen Verlangen der einen Seite - sei es die Behörde, sei es eine Partei oder eine andere Person, auf die sich die Verwaltungstätigkeit bezieht - korrespondiert eine rechtliche Pflicht zum Tätigwerden der anderen Seite.
Schon dies legt zunächst nahe, dass sich das Verlangen auf Beigabe eines Flüchtlingsberaters im Asylverfahren gemäß §66 Abs2 AsylG 2005 an die jeweilige Behörde richtet, zumal keine Vorschrift des Asylgesetzes Sanktionen für den Fall vorsieht, dass ein (vom Bundesminister für Inneres bestellter) Flüchtlingsberater dem an ihn gerichteten Verlangen eines Asylwerbers auf Vertretung im Verfahren nicht nachkommt.
8.2.1. Art15 Abs2 der Verfahrensrichtlinie gibt nun aber auf europarechtlicher Ebene vor, dass "im Falle einer ablehnenden Entscheidung einer Asylbehörde die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass auf Antrag kostenlose Rechtsberatung und/oder -vertretung vorbehaltlich der Bestimmungen des Absatzes 3 gewährt wird." Diese Bestimmung enthält offenkundig die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass auf Antrag des Asylwerbers diesem kostenlose Rechtsberatung und/oder -vertretung zukommt.
Die in Abs3 des Art15 der Verfahrensrichtlinie aufgezählten möglichen Einschränkungen machen deutlich, dass gerade für ein Verfahren wie jenes nach den österreichischen Vorschriften vor dem AsylGH eine Rechtsberatung bzw. -vertretung eingerichtet werden muss:
Gemäß Art15 Abs3 lita der Verfahrensrichtlinie können Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorsehen, dass kostenlose Rechtsberatung nur "für die Verfahren vor einem Gericht oder Tribunal nach Kapitel V und nicht für nachfolgende im nationalen Recht vorgesehene Rechtsbehelfe, einschließlich erneuter Rechtsbehelfsverfahren" gewährt wird. Mit dieser Bestimmung wird auf Art39 der Verfahrensrichtlinie Bezug genommen, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Asylbewerber das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht oder Tribunal gegen Entscheidungen über ihren Asylantrag und bestimmte sonstige Entscheidungen im Asylverfahren haben. In Österreich ist der Rechtsbehelf, den Art39 der Verfahrensrichtlinie nennt, zweifelsfrei das Verfahren vor dem AsylGH. Dies bedeutet, dass in Österreich zumindest im Verfahren vor dem AsylGH eine kostenlose Rechtsberatung bzw. -vertretung bestehen muss.
8.2.2. Auch von einer weiteren möglichen Beschränkung der Verpflichtung der Einrichtung einer kostenlosen Rechtsberatung bzw. -vertretung hat der österreichische Gesetzgeber offensichtlich Gebrauch gemacht: Gemäß Art15 Abs3 litc der Verfahrensrichtlinie können die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorsehen, dass kostenlose Rechtsberatung und/oder -vertretung nur "für Rechtsberater oder sonstige Berater" gewährt wird, "die nach nationalem Recht zur Unterstützung und/oder Vertretung von Asylbewerbern bestimmt wurden." Gerade um solche Rechtsberater handelt es sich offenkundig bei Flüchtlingsberatern iSd §66 AsylG 2005, die gemäß dessen Abs1 vom Bundesminister für Inneres zu bestellen sind.
8.2.3. Aus den Materialien zum AsylG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP) ergibt sich ebenfalls, dass §66 AsylG 2005 der Umsetzung des Art15 der Verfahrensrichtlinie dient; in den Erläuterungen heißt es wörtlich: "Zur Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben wird der Bundesminister für Inneres - nach Inkrafttreten der Verfahrensrichtlinie - die für die Rechtsberatung in zweiter Instanz notwendige Anzahl von Flüchtlingsberatern einzustellen haben." Auch die Umbenennung der "Flüchtlingsberater" in "Rechtsberater" in §66 AsylG 2005, die durch das FrÄG 2009 vorgenommen wurde, diente ausweislich der Erläuterungen (RV 330 BlgNR 24. GP) der Anpassung an die Terminologie der Art15 und 16 der Verfahrensrichtlinie.
9. Nach der mit VfSlg. 14.391/1995 beginnenden ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe auch VfSlg. 15.354/1998 und 16.737/2002), die im Einklang mit der des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl. EuGH 10.4.1984, Rs. 14/83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891; EuGH 13.11.1990, Rs. C-106/89, Marleasing SA, Slg. 1990, I-4135; EuGH 14.7.1994, Rs. C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325) steht, ist dem europäischen Recht (seit dem Vertrag von Lissabon folgend aus Art4 Abs3 EUV iVm Art288 AEUV) das Gebot richtlinienkonformer Interpretation innerstaatlichen Rechts zu entnehmen. Dies bedeutet, dass alle nationalen Gerichte, also auch der Verfassungsgerichtshof, verpflichtet sind, das nationale Recht unter voller Ausschöpfung des richterlichen Beurteilungsspielraumes in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Unionsrechtes auszulegen und anzuwenden. Dieser Grundsatz kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn die Regelung eines Sachverhaltes Gegenstand nicht nur einer nationalen Bestimmung, sondern auch einer Richtlinienbestimmung ist.
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Wendung "auf Verlangen" in §66 Abs2 AsylG 2005 so wie das Wort "Antrag" in Art15 Abs2 der Verfahrensrichtlinie auszulegen ist. Folglich ist die betreffende Behörde, im gegenständlichen Fall der AsylGH, verpflichtet, einem Asylwerber auf dessen Antrag einen Flüchtlingsberater zur Vertretung im Verfahren vor dem AsylGH beizugeben bzw. über einen solchen Antrag jedenfalls meritorisch abzusprechen. Die Flüchtlingsberater sind dem Personenkreis zu entnehmen, die der Bundesminister für Inneres gemäß §66 Abs1 und 3 AsylG 2005 zu bestellen hat.
Gleichermaßen ist - infolge richtlinienkonformer Interpretation - die Formulierung "in Verfahren" in §66 Abs2 Z3 AsylG 2005 als "für Verfahren" in dem Sinne zu verstehen, dass die in dieser Bestimmung erwähnte Beratung bzw. Vertretung durch Flüchtlingsberater bereits für die Einbringung der Beschwerde an den AsylGH selbst gilt und der Antrag vor oder am Beginn des Verfahrens zu stellen ist.
10. Diesem Ergebnis kann auch nicht entgegengehalten werden, dass es deswegen nicht im Wege der richtlinienkonformen Interpretation erzielt werden könne, weil §66 AsylG 2005 kein Verfahren zur Beigebung eines solchen Flüchtlingsberaters enthielte:
10.1. Gemäß §23 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I 147/2008, sind auf Verfahren vor dem AsylGH die Bestimmungen des AVG sinngemäß anzuwenden, soweit sich aus dem AsylG 2005 nicht anderes ergibt.
Bei der Erledigung eines Antrages auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters gemäß §66 Abs2 Z3 AsylG 2005 handelt es sich um eine Entscheidung, die sich auf ein konkretes Verfahren vor dem AsylGH bezieht. Das AVG unterscheidet zwei Arten derartiger Erledigungen: Die Verfahrensanordnung und den verfahrensrechtlichen Bescheid (vgl. Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, 2009, 209 f.).
Gegen Verfahrensanordnungen ist gemäß §63 Abs2 AVG eine abgesonderte Berufung nicht zulässig. Sie können erst in der Berufung gegen den die Angelegenheit enderledigenden Bescheid angefochten werden. Verfahrensrechtliche Bescheide sind hingegen entsprechend den Formvorschriften des §58 AVG zu erlassen und können sogleich mit Rechtsmitteln bekämpft werden. Es stellt sich daher die Frage, ob ein Flüchtlingsberater mittels Verfahrensanordnung oder verfahrensrechtlicher Entscheidung beizugeben ist.
10.2. Ob eine im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ergehende, das Verfahren betreffende Erledigung als Verfahrensanordnung oder als verfahrensrechtlicher Bescheid zu ergehen hat, ist - sofern der Gesetzgeber nicht selbst den Begriff verwendet, wie in §39 Abs2 und §67e Abs2 AVG - durch Interpretation zu ermitteln. Ausschlaggebend ist letzten Endes das Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen, "dh ob es ihm zumutbar ist, im Interesse der Verfahrensökonomie mit seiner Berufung gegen die verfahrensrechtliche Erledigung bis zur Erlassung des in der Sache ergehenden Bescheides zuzuwarten und die Erledigung gemeinsam mit dem verfahrensbeendenden Bescheid anzufechten, oder ob wegen der mit der Verfahrensanordnung für ihn verbundenen Nachteile (Rechtsschutzdefizite) die sofortige Anfechtung möglich sein muss und deshalb ein verfahrensrechtlicher Bescheid geboten ist" (vgl. Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Teilband, §63, Rz 51 mwN).
10.3.1. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes spricht schon das Rechtsschutzbedürfnis von Asylwerbern im Asylverfahren dafür, dass über den Antrag auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters mittels gesondert bekämpfbarer verfahrensrechtlicher Entscheidung abzusprechen ist:
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.218/1998 (zur damaligen Rechtslage nach dem Asylgesetz 1997, BGBl. I 76/1997) aus dem Aspekt rechtsstaatlicher Grundsätze abgeleitet hat, muss Asylwerbern auch in jenen Fällen, in denen keine Anwaltspflicht besteht, ein Rechtsbeistand zukommen: Einem rechtsschutzsuchenden Asylwerber, der "im Regelfall der deutschen Sprache nicht mächtig ist und daher schon zum rein sprachlichen Verständnis des ihm zugestellten Bescheides fremder Hilfe bedarf", muss "grundsätzlich auch das rechtliche Verständnis des Bescheides - einschließlich der rechtlichen Wertung des zur Bescheiderlassung führenden Verfahrens - möglich gemacht werden; demnach muss ihm die Möglichkeit geboten werden, sich der Hilfe einer fachkundigen (wenngleich nicht notwendigerweise rechtskundigen) Person als Beistand zu bedienen ...".
Die nachteiligen Folgen einer mangelhaften Vertretung im Asylverfahren können sich frühestens mit der (negativen) Entscheidung des AsylGH zeigen. Für den Asylwerber und dessen Rechtsschutzinteresse ist es aber nicht ausreichend, erst die endgültige Sachentscheidung des AsylGH mit der Begründung bekämpfen zu können, sie sei deshalb nachteilig für ihn ausgegangen, weil ihm für das Verfahren kein Flüchtlingsberater zur Beratung bzw. Vertretung beigestellt worden sei. Das Verfahrensergebnis hängt entscheidend vom Vorbringen des Asylwerbers im Verfahren ab, wofür er den Rechtsbeistand in Anspruch nehmen können muss. Fehlendes Vorbringen kann nicht ohne weiteres nachgeholt oder ergänzt werden. Ein bloß nachträglicher Rechtsschutz griffe daher zu kurz, weswegen die Nichtbeigebung eines Flüchtlingsberaters der sofortigen Bekämpfbarkeit bedarf.
Angesichts dessen, dass der Gesetzgeber keine ausdrückliche Anordnung darüber getroffen hat, in welcher Form im konkreten Fall die verfahrensrechtliche Erledigung zu erfolgen hat, ist die Entscheidung über die Beigebung eines Flüchtlingsberaters als verfahrensrechtlicher Bescheid zu werten.
Im Übrigen ist die Beigebung eines Flüchtlingsberaters für das Verfahren vor dem AsylGH sinngemäß mit der Entscheidung eines Unabhängigen Verwaltungssenates über die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers im Verwaltungsstrafverfahren gemäß §51a Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. 52/1991 idF des Art2 Z19 BGBl. I 158/1999, zuletzt geändert durch BGBl. I 20/2009 (im Folgenden: VStG) vergleichbar, welche ebenfalls als verfahrensrechtlicher Bescheid zu qualifizieren ist (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze17, 2008, §51a VStG, Anm. 14; Thienel/Schulev-Steindl, aaO, 515 mwN).
10.3.2. Nach der einhelligen Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, beginnend mit VfSlg. 8628/1979 (vgl. die dortigen Hinweise auf weitere Judikatur bzw. auch VfSlg. 9538/1982), gelten für verfahrensrechtliche Bescheide, für die der Instanzenzug nicht besonders geregelt ist, diesbezüglich grundsätzlich dieselben Vorschriften, die für den Instanzenzug in der jeweiligen, den Gegenstand des Verfahrens bildenden Verwaltungsangelegenheit maßgebend sind.
Bereits daraus folgt, dass die Entscheidung über die Beigebung eines Flüchtlingsberaters gemäß §66 Abs2 Z3 AsylG 2005, als solche eine verfahrensrechtliche Entscheidung in Asylsachen, der jeweiligen Behörde obliegt, in deren Verfahren das Verlangen geäußert wird. Der Gesetzgeber könnte aber selbstverständlich - von Verfassungs wegen - im Rahmen des nach der Verfahrensrichtlinie Zulässigen eine andere verfahrensrechtliche Regelung treffen.
11. Der AsylGH wäre daher im gegenständlichen Fall verpflichtet gewesen, den Antrag des Beschwerdeführers auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters nicht zurückzuweisen, sondern - im Wege einer verfahrensrechtlichen Entscheidung - in der Sache über die Beigebung eines Flüchtlingsberaters abzusprechen.
Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Wie sich aus den Ausführungen zum Rechtsschutzbedürfnis unter 10.3.1. ergibt, ist nicht von vornherein auszuschließen, dass sich die rechtswidrige Zurückweisung des Antrages auf Beigebung eines Flüchtlingsberaters auf das Ergebnis des Verfahrens vor dem AsylGH ausgewirkt hat, sodass die Rechtswidrigkeit die gesamte Entscheidung erfasst.
Das angefochtene Erkenntnis war daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 iVm §88a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 200,-- enthalten (vgl. VfSlg. 16.573/2002).
V. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG
ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.