Dem in der Beschwerdesache der H A GmbH, ..., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. C O, ..., gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 4. August 2010, Z ..., gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 und 4 VfGG
k e i n e F o l g e gegeben.
Begründung:
1. Mit den Bescheiden der A C GmbH vom 12. Februar 2010 bzw. 26. Februar 2010 wurde u.a. festgestellt, dass Hubschrauber der Type AS 355 der antragstellenden Gesellschaft gemäß §3 Abs2 AOCV 2008 ab dem 1. Jänner 2010 nicht mehr für Rettungs- und Ambulanzflüge eingesetzt werden dürfen. Dieser Umstand wurde durch den Spruch des Bescheides vom 12. Februar 2010 bzw. vom 26. Februar 2010, der jeweils eine Neuausstellung des Anhanges zum Luftverkehrstreiberzeugnis (AOC) anordnet, iVm der Eintragung der Wortfolge "Not auth." (not authorized) in der Rubrik "Additional Operations" im Anhang "A-306-68" bzw. im Anhang "A-306-69" zum AOC "A-306" sichtbar gemacht.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 4. August 2010 wurde den Berufungen gegen die Bescheide der A C GmbH vom 12. Februar 2010 bzw. vom 26. Februar 2010 keine Folge gegeben und die erstinstanzlichen Bescheide bestätigt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der der Antrag verbunden ist, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend führt die antragstellende Gesellschaft Folgendes aus (Hervorhebungen wie im Original):
"Zwingende öffentliche Interessen stehen der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen:
Die Beschwerdeführerin hat bis 31.12.2009 den Rettungsflugbetrieb auf zumindest dem der Mitbewerber ebenbürtigem Sicherheitsniveau betrieben. Es gab keinen einzigen Unfall wegen technischer Gebrechen oder unzureichender sicherheitstechnischer Ausstattung ihrer Hubschrauber und lediglich einen Unfall überhaupt, der darauf zurückzuführen war, dass ein Pilot in der Nähe des Einsatzortes eine Stromleitung übersah.
Nachdem die Hubschrauber AS 355 auch Ende 2009 auf den neuesten laut Musterkennblatt vom 18.11.2009 EASA.R.146 issue 2 vorgeschriebenen Standard aufgerüstet wurden, die Varianten F2 leistungsmäßig aufgrund der Aufrüstung der Triebwerke und die Variante N schon ursprünglich mit zu den leistungsfähigsten gehören und diese Hubschrauber mit Ausnahme von HEMS in Österreich uneingeschränkt für gewerblichen Personentransport zugelassen sind, können keinerlei Sicherheitsbedenken bestehen.
Hingegen bestehen öffentliche Interessen daran, dass der bei der Beschwerdeführerin bereits entstandene Schaden durch weitestgehenden Ausfall der Wintersaison 2009/2010 nicht noch weiter durch Ausfall auch der Saison 2010/2011 vergrößert wird, weil damit dem Steuerzahler Amtshaftungsansprüche in Millionenhöhe drohen und zudem 71 hochwertige Arbeitsplätze bei der Beschwerdeführerin gefährdet sind.
Ein Weiterbestand des Einsatzverbots der AS 355 im Rettungsflugbetrieb laut dem angefochtenen Bescheid würde einen unverhältnismäßigen Nachteil für die Beschwerdeführerin bedeuten, weil diese Hubschrauber im Winter nicht oder kaum anderweitig eingesetzt werden können, ein Anchartern anderer Hubschrauber nicht nur neben den weiter laufenden Fixkosten für die AS 355 hohe Kosten verursachen würde, sondern auch eine Umschulung für alle Piloten und Flughelfer (€ 35.000,-- pro Pilot) erfordern und mehrere Monate Zeit und weitere Kosten verursachen würde, weil die Piloten auf dem Ersatztyp 35 Flugstunden an Praxis erwerben müssen, bis sie eingesetzt werden dürfen. Ein weiterer Ausfall der Rettungsflugsaison auch 2010/11 würde den Bestand des Unternehmens gefährden, obwohl die Beschwerdeführerin mittlerweile über 2 Hubschrauber der Type MD 900 (902) (und entsprechendes Personal) verfügt, die unzweifelhaft die neuen Bestimmungen erfüllen.
Aus der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung erwachsen auch Dritten keine Nachteile."
3. Die belangte Behörde sprach sich in ihrer Stellungnahme gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus. Nach Auffassung der belangten Behörde würden - unabhängig von der Entscheidung über die aufschiebende Wirkung - die Hubschrauber der Type AS 355 der antragstellenden Gesellschaft schon auf Grund der Bestimmung des §3 Abs2 zweiter Satz AOCV 2008 mit 1. Jänner 2010 nicht mehr für Rettungs- und Ambulanzflüge eingesetzt werden dürfen. Die Rechtsposition der antragstellenden Gesellschaft wäre daher auch bei "Wegdenken" der rechtlichen Existenz des angefochtenen Bescheides nicht günstiger. Schon dieser Umstand stehe der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen.
Hiezu komme, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sehr wohl zwingende öffentliche Interessen - nämlich das Interesse der Sicherheit der Luftfahrt und somit das Interesse am Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen - entgegenstehen würden. Dazu wird wörtlich Folgendes ausgeführt (Hervorhebungen wie im Original):
"Bei Rettungsflügen handelt es sich um eine gewerbliche Beförderung von Personen, es sind daher - wie bei allen Beförderungen gegen Entgelt - höhere Anforderungen an die Sicherheit zu stellen, als dies bei unentgeltlichen Beförderungen der Fall ist.
Bei Rettungsflügen tritt zudem noch die Besonderheit auf, dass die verunglückte Person das Transportmittel nicht nach bestimmten Sicherheitskriterien auswählen kann, sondern diese Auswahl als öffentliche Aufgabe von Seiten des Staates nach den höchstmöglichen Sicherheitsstandards zu erfolgen hat. Weiters ist - weder für die Rettungszentrale noch für das Luftfahrtunternehmen - vorhersehbar, in welchem Gelände sich die verunglückte Person befindet und unter welchen Wetterbedingungen die Bergung zu erfolgen hat. Wesentlich ist auch, dass in Österreich in sehr vielen Rettungsfällen alpines Gelände und Umfeld vorherrscht. Die Betriebsbedingungen im alpinen Umfeld sind aufgrund der topographischen und meteorologischen Gegebenheiten weitaus fordernder, als im Flachland. Schließlich ist zu beachten, dass sowohl die Start- als auch Landephase eines Rettungsfluges meist im dicht verbauten Gebiet (bei Krankenhäusern) oder eben im unwegsamen Gelände stattfindet. Es muss daher bei der Festlegung der technischen Erfordernisse für Rettungshubschrauber auf alle diese besonderen Umstände eines Rettungseinsatzes vorausschauend Bedacht genommen werden, um eine dem öffentlichen Interesse der Sicherheit der Luftfahrt genügende Regelung zu schaffen. Die im §3 Abs2 zweiter Satz AOCV 2008 genannten Zulassungsnormen entsprechen dem derzeit modernsten Stand der Technik und gewährleisten sowohl leistungsstärkere Triebwerke, welche für den Fall eines Triebwerkausfalles dennoch einen kontrollierten Weiterflug ermöglichen, als auch die Implementierung des derzeit im Rettungswesen geltenden technischen Standards (insbesondere ÖN EN 13718-2).
Folgende Sicherheitsstandards werden - im Gegensatz zu den von der Antragstellerin betriebenen Mustern AS 355 - von jenen Hubschraubern gewährleistet, die nach den Bauvorschriften CS-27 Annex C Kategorie A, JAR-27 Annex C Kategorie A, FAR-27 Annex C Kategorie A, entwickelt und zugelassen wurden:
1. Energieaufnahme bei Notlandungen oder bei Abstürzen, sodass auftretende Fluggastzellenverzögerungen bis 30g (das 30fache der Erdbeschleunigung) zu keinen schwerwiegenden Kopfverletzungen und Wirbelsäulenverletzungen führen - BCAR-G stellt keine ähnlichen Forderungen;
2. Befestigungen von in der Kabine angebrachten Gegenständen müssen bis zu 20g aushalten - BCAR-G fordert lediglich bis zu 6g;
3. Heckrotorgetriebenotlaufeigenschaften müssen für zumindest 30 min vorhanden sein - BCAR-G fordert 10 min;
4. Ein Mittel zur Startleistungsverifizierung vor dem Start muss dem Piloten zur Verfügung stehen - BCAR-G stellt keine ähnliche[n] Forderungen;
5. Die Anforderungen CS/JAR/FAR27, Annex C, sind für alle diese Kategorie anstrebende Typen zu erfüllen.
Die BCAR enthält folgende Relativierung der Group A Forderungen für leichte zweimotorige Hubschrauber:
"Note (3:) For rotorcraft with a maximum total weight authorised of less than 6000 lbs, the extent to which the relevant requirements are applicable will need to be discussed with the Authority.";
6. Der freie Zugang zu Becken, Bauch, Brust und Kopf des Patienten zwecks sachgemäßer Behandlung für das medizinische Personal ist gewährleistet (ÖN EN 13718-2, 4.9.1) - aufgrund der Lagerung des Verletzten (Beine bis Bauch) im Cockpitbereich, ist hingegen bei der AS 355 der Zugang des medizinischen Personals zum Bauch und Beckenbereich des Patienten wesentlich eingeschränkt;
7. Hochlagerung der Beine und des Oberkörpers des Patienten ist möglich (ÖN EN 13718-2, 4.9.1.) - aufgrund der Positionierung der Beine des Patienten unter dem Instrumentenpilz ist eine Hochlagerung der Beine bei einer AS 355 hingegen nicht möglich;
8. Die Auskleidung des Krankenraums mit desinfizierbaren Oberflächen und Verkleidungen ist möglich, da ein nahezu abgeschlossener Krankenraum vorhanden ist (ÖN EN 13718-2, 4.9.1) - bei der AS 355 ist der Patient teilweise im Cockpitbereich gelagert. Verschmutzung des Cockpitbereichs mit Körperflüssigkeiten (Blut, Erbrochenem) ist aus diesem Grund möglich;
9. Der vorhandene Krankenraum erfüllt die Grundflächenforderungen der ÖN EN 13718-2, 5.2.1 (240 cm x 120 cm) und erlaubt eine Notfallbehandlung der Patienten in Verlängerung der Längsachse des Patienten - bei der AS 355 ist kein Raum in Verlängerung des Patienten verfügbar;
10. Eine Mindestbodenfreiheit des Heckrotors von 185 cm bzw. Kapselung (Landungen in unwegsamen Gelände) ist gewährleistet (ÖN EN 13718-2, 5.2.1) - die Bodenfreiheit des Heckrotors der AS 355 beträgt lediglich 53-73 cm;
11. Ein direkter Zugang des Arztes und des HEMS Crew Mitglieds zum Patienten ist möglich (ÖN EN 13718-2, 5.2.2.1) - bei der AS 355 hat das 2. Crew Mitglied aufgrund der Sitzanordnung keinen direkten Zugang mehr zum Patienten.
Daraus ergibt sich nach Ansicht der belangten Behörde, dass einem Einsatz der von der Beschwerdeführerin betriebenen Hubschrauber des Musters AS 355 für HEMS das zwingende öffentliche Interesse der Sicherheit der Luftfahrt entgegensteht.
Zu dem - auf Grund der entgegenstehenden zwingenden öffentlichen Interessen - nicht mehr relevanten Vorbringen hinsichtlich des angeblichen unverhältnismäßigen Nachteils für die Beschwerdeführerin ist anzumerken, dass die diesbezüglichen Ausführungen nach Ansicht der belangten Behörde nicht geeignet sind, einen nicht wieder gutzumachenden Schaden für die Beschwerdeführerin darzulegen. Insbesondere bleibt die Beschwerdeführerin eine nähere Begründung und einen Nachweis für die behauptete Gefährdung für den Bestand des Unternehmens gerade durch den angefochtenen Bescheid schuldig. Eine bloße diesbezügliche Behauptung erscheint nicht ausreichend. Die aufschiebende Wirkung ist daher nach Ansicht der belangten Behörde auch diesem Grund nicht zuzuerkennen."
4. Gemäß §85 Abs2 VfGG hat der Verfassungsgerichtshof auf Antrag die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Der Verfassungsgerichtshof hat im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen. Auf Grund der von der belangten Behörde dargestellten unterschiedlichen Sicherheits- und Ausstattungsstandards zwischen für Ambulanz- und Rettungsflüge zugelassenen Hubschraubern und Hubschraubern der Type AS 355 der antragstellenden Gesellschaft und dem daraus anscheinend resultierenden zusätzlichen Risikopotential für Patienten, aber auch Crew-Mitglieder und sonstige Personen hat der Verfassungsgerichtshof davon auszugehen, dass die Beschränkung des Einsatzes von Hubschraubern der Type AS 355 für Rettungs- und Ambulanzflüge erforderlich ist, um eine Gefährdung der Gesundheit und des Lebens von Menschen hintanzuhalten.
Die Abwehr einer Gefahr für die Gesundheit und das Leben von Menschen ist als zwingendes öffentliches Interesse iSd §85 Abs2 VfGG zu bewerten, sodass dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Folge zu geben war.
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