JudikaturVfGH

U2315/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
30. November 2010

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung:

I. Mit am 11. Oktober 2010 zur Post gegebenem Schriftsatz

begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Verfahrenshilfeantrages zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144a B-VG gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 5. August 2010.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages führt sie im Wesentlichen aus, dass ihr Rechtsvertreter das Erkenntnis des Asylgerichtshofes am 10. August 2010 erhalten habe. Es sei jedoch weder dem Rechtsvertreter noch dem Asylgerichtshof möglich gewesen, ihr das Erkenntnis zu übermitteln, da sie seit Anfang August 2010 nicht mehr an ihrer Meldeadresse wohnhaft gewesen sei und ihre neue Adresse erst im Oktober 2010 gemeldet habe. Nur durch Zufall bzw. mit Hilfe einer Bekannten und schließlich anlässlich einer Vorsprache bei ihrem Rechtsvertreter habe die Antragstellerin am 7. Oktober 2010 Kenntnis von der Entscheidung des Asylgerichtshofes erlangt.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen

die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, aber nicht begründet:

1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144a B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

2. Im vorliegenden Fall kann von einem minderen Grad des Versehens nicht gesprochen werden. Es ist kein minderer Grad des Versehens, wenn der Antragsteller seinem Rechtsvertreter die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich macht, indem er eine Kontaktaufnahme seitens des Rechtsanwaltes dadurch verhindert, dass er ihm seine Wohnadresse nicht bekannt gibt (vgl. VfGH 29.11.2007, B1546/07; 7.11.2008, B1788/08).

4. Damit lagen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen war.

III. Da der Verfahrenshilfeantrag erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 iVm (§88a VfGG) eingebracht wurde, aber nur ein innerhalb dieser Frist gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe deren Unterbrechung zu bewirken vermag (§464 Abs3 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG), erwiese sich eine künftige Beschwerde als verspätet.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war daher wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

IV. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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