U833/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit in Spruchpunkt III. die Beschwerde gegen die vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung abgewiesen wird, in dem durch das BVG BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.
2. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer
Staatsangehöriger, reiste illegal und unter Verwendung von Aliasnamen und Aliasgeburtsdaten nach Österreich ein und stellte am 18. Februar 2004 einen Asylantrag.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. März 2005 wurde gemäß §7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I 126/2002 (im Folgenden: AsylG 1997) der Asylantrag abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß §8 Abs1 AsylG 1997 festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.), und gemäß §8 Abs2 AsylG 1997 der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
3. Am 24. September 2009 heiratete der Beschwerdeführer eine in Österreich niedergelassene polnische Staatsangehörige; in Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten im Asylverfahren legte der Beschwerdeführer die Heiratsurkunde dem Asylgerichtshof vor. Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin leben im gemeinsamen Haushalt in Österreich.
4. Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. März 2005 erhobene Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 23. Februar 2010 in allen Spruchpunkten abgewiesen, wobei er sich hinsichtlich Spruchpunkt III auf §10 Abs1 Z2 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 122/2009, stützt. Zur Ausweisung des Beschwerdeführers führte der Asylgerichtshof u.a. aus, der Beschwerdeführer könne sein Eheleben mit seiner polnischen Ehefrau auch in Nigeria fortführen, schließlich sei der gemeinsame Hausstand erst mit der Eheschließung im September 2009 begründet worden. Auch sei der Beschwerdeführer trotz seines langen Aufenthalts nicht über die Maßen integriert, seine Ausweisung würde im öffentlichen Interesse liegen.
5. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art2, 3, 6 und 8 EMRK sowie 6. und 13. ZPEMRK geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.
6. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungsakten des Bundesasylamtes sowie die Gerichtsakten vor, erstattete keine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
A. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet richtet, begründet:
1. Die Beschwerde entspricht sowohl im entscheidungswesentlichen Sachverhalt als auch in den maßgeblichen Rechtsfragen den zu U957/09, U2309/09, U2369/09 und U2839/09 protokollierten Beschwerden, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof darauf beschränken kann, auf die Entscheidungsgründe seiner in diesen Beschwerdesachen ergangenen Erkenntnisse hinzuweisen (vgl. VfGH 16.12.2009, U957/09; 28.1.2010, U2839/09; 28.1.2010, U2369/09; 26.4.2010, U2309/09).
Der Asylgerichtshof hat die in Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. 2004 L 158, S 77 (im Folgenden: Unionsbürgerrichtlinie) erlassenen Bestimmungen der §§52 ff. NAG nicht näher in die Prüfung der Ausweisungsentscheidung miteinbezogen, sondern das Bestehen eines Aufenthaltsrechts lediglich - unbegründet - verneint. Da ein Familienangehöriger einer EWR-Bürgerin, die durch die Wohnsitznahme in Österreich ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgewiesen werden darf, hat der Asylgerichtshof eine innerstaatliche gesetzliche Vorschrift (§10 Abs2 Z1 AsylG 2005) unrichtig angewendet. Eine derartige Gesetzesanwendung steht mit den Rechtsvorschriften in einem solchen Maße in Widerspruch, dass der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung aller Fremden untereinander verletzt ist (vgl. insbesondere VfGH 28.1.2010, U2839/09).
Der Spruchpunkt III. der angefochtenen Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88 VfGG. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerde (vgl. B.) kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- enthalten (vgl. VfGH 11.12.2002, B941/02).
Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 erster Satz VfGG).
B. Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, aus folgenden Gründen abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144a B-VG ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art144a Abs2 B-VG).
Die Beschwerde behauptet weiters die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art2, 3, 6 und 8 EMRK sowie 6. und 13. ZPEMRK.
Dem Asylgerichtshof ist bei Erlassung der angefochtenen Entscheidung keine Verletzung des Art3 EMRK unterlaufen, hat er sich doch in aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandender Weise mit allen aus Art3 EMRK erfließenden Aspekten auseinander gesetzt (vgl. zB VfGH 6.11.2008, U97/08). Angesichts dessen kommt auch eine Verletzung der Rechte nach Art2 EMRK sowie nach dem 6. und dem 13. ZPEMRK nicht in Betracht.
Das Asylverfahren ist nicht von Art6 EMRK erfasst (vgl. VfSlg. 13.831/1994).
Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens zu Art8 EMRK ist auf Punkt II.A. zu verweisen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).