JudikaturVfGH

B966/09 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
08. Dezember 2010

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung:

I. Die Beschwerde wendet sich gegen ein "Prüfungsergebnis gemäß

§12 GBK/GAW-Gesetz" des Senates I der Gleichbehandlungskommission beim Bundeskanzleramt (im Folgenden: Senat) vom 7. April 2009, in dem der Senat hinsichtlich beider Beschwerdeführer zur Auffassung gelangte, dass eine - näher konkretisierte - Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliege. Weiters übermittelte der Senat den Beschwerdeführern Vorschläge zur Verwirklichung der Gleichbehandlung mit der Aufforderung, die Diskriminierung zu beenden.

Die Beschwerde wertet diesen Akt als Bescheid und sieht die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Weiters wird die Rechtswidrigkeit von "§14 Abs4 Satz 1 GBK/GAW-Gesetz und in §6 Abs3 GBK-GO [den] Wörtern 'dieser Person' ", "§12 Abs4 ... GBK/GAW-Gesetz" und "§16 GBK/GAW-G" behauptet.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

1.1. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art144 Abs1 erster Satz B-VG ist unter anderem das Vorliegen eines Bescheides (siehe etwa VfSlg. 13.263/1992 und 16.433/2002, jeweils mwN).

Für den Bescheidcharakter einer Erledigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur die äußere Form, sondern auch der Inhalt maßgebend; eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt (vgl. etwa 13.263/1992 und 16.433/2002, jeweils mwN).

1.2. Diese Voraussetzungen sind bei der bekämpften Erledigung nicht gegeben:

1.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich bereits wiederholt (vgl. z.B. VfSlg. 13.723/1994 mwN) mit der Frage zu beschäftigen, ob eine bei ihm bekämpfte Erledigung, die - wie auch im vorliegenden Beschwerdefall - nicht als "Bescheid" bezeichnet war, dennoch als Bescheid iSd Art144 B-VG zu qualifizieren ist.

In seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung (vgl. insbesondere VfSlg. 14.713/1996 im Zusammenhang mit Erledigungen der Gleichbehandlungskommission betreffend Feststellungen des Vorliegens sexueller Belästigung) kam er zum Ergebnis, dass dies dann anzunehmen ist,

"wenn die Erledigung gegenüber individuell bestimmten Personen eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn sie also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Gegenstand hat, ob sie nun in Form eines Bescheides nach den §§56 ff. AVG ergeht oder nicht. In Ermangelung der nach dem AVG für Bescheide vorgesehenen Form muss deutlich erkennbar sein, dass die Dienststelle dennoch den - objektiv erkennbaren - Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Wesentliche Voraussetzung für die Qualifikation einer Erledigung als Bescheid ist nach dem Gesagten deren individuell-normativer Inhalt (vgl. z.B. VfSlg. 13.099/1992, 13.641/1993, S 697; 13.642/1993, S 705; VfGH 28.6.1995 B1573/95, 25.9.1995 B406/95).

Ob ein - abstrakt als Behörde zu qualifizierendes - Verwaltungsorgan hoheitliche Befugnisse durch Erlassung eines Bescheides in Anspruch genommen hat, ist am Inhalt des Verwaltungsaktes zu messen und festzustellen (vgl. VfSlg. 12.574/1990 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur)."

Der Wille der Dienststelle, einen Bescheid zu erlassen, kann sich allenfalls auch daraus ergeben, ob sie zur Bescheiderlassung verpflichtet ist (vgl. VfSlg. 16.433/2002 mwN).

1.2.2. Dies trifft bei der angefochtenen Erledigung nicht zu. Die in §12 Abs3 des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-Gesetz), BGBl. 108/1979 idF BGBl. I 98/2008 vorgesehenen Vorschläge der GBK zur Verwirklichung der Gleichbehandlung mit der Aufforderung, die Diskriminierung zu beenden, stellen nur "unverbindliche Vorschläge (Gutachten)" dar; es handelt sich bei solchen Vorschlägen daher um keine nach Art144 B-VG bekämpfbaren Akte (siehe zur vergleichbaren früheren Rechtslage des §6 Abs2 GlBG VfSlg. 13.695/1994 uHa 13.699/1994; 14.713/1996). Diese ständige Rechtsprechung steht auch durchaus im Einklang mit der in VfSlg. 18.180/2007 vertretenen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, dass auf Grund des durch §6 Abs3 der Gleichbehandlungskommissions-Geschäftsordnung eingeräumten Rechtsanspruchs bestimmter Personen auf die Übermittlung des Senatssitzungsprotokolls über ein solches Verlangen, wenn ihm nicht durch Übermittlung des begehrten Protokolls entsprochen wird, mit Bescheid der Gleichbehandlungskommission zu entscheiden wäre, handelt es sich dabei doch um eine Regelung im Rahmen des vor der GBK durchzuführenden Verfahrens (und nicht um einen "Vorschlag" iSd §12 Abs3 GBK/GAW-Gesetz).

Bei der im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtslage besteht auch kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass die belangte Dienststelle die Absicht hatte - im Widerspruch zur geltenden Rechtslage - gegenüber den Beschwerdeführern einen Bescheid zu erlassen (vgl. VfSlg. 16.433/2002; 13.099/1992). Anders als in den VfSlg. 14.713/1996 zugrundeliegenden Erledigungen, die nicht zuletzt auf Grund der damals anzuwendenden Rechtslage des §6 Abs2 GlBG nicht als "Vorschlag" iS dieser Bestimmung qualifiziert werden konnten (- nach §6 Abs2 GlBG konnte ein Vorschlag der GBK nur gegenüber dem Arbeitgeber erstattet werden, die in Rede stehenden Erledigungen waren aber gerade nicht an den Arbeitgeber gerichtet -), intendiert die angefochtene Erledigung nach Erscheinungsform und Duktus, dass der Senat lediglich einen bloßen "Vorschlag" iSd §12 Abs3 GBK/GAW-Gesetz erstatten wollte und gerade nicht den Willen hatte, einen individuell-konkreten Verwaltungsakt nach der Art eines Bescheides zu erlassen.

2. Die bekämpfte Erledigung stellt sich somit ihrem Inhalt nach - im Lichte der zitierten Vorjudikatur - nicht als normativer Abspruch rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Art dar.

Die Beschwerde ist daher jedenfalls schon aus diesem Grund wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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