JudikaturVfGH

B1689/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2011

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung:

I. Sachverhalt und Beschwerdevorbringen

Die Beschwerde wendet sich gegen ein "Prüfungsergebnis gemäß §12 GBK/GAW-Gesetz" des Senates I der Gleichbehandlungskommission beim Bundeskanzleramt (im Folgenden: Senat) vom 28. September 2010, in dem der Senat zur Auffassung gelangte, dass eine - näher konkretisierte - sexuelle Belästigung durch den Beschwerdeführer vorliege.

Die Beschwerde wertet diesen Akt als Bescheid und sieht die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und ein faires Verfahren verletzt; weiters wird eine "Verletzung des Legalitätsprinzips" und die Rechtswidrigkeit der §14 Abs4 erster Satz GBK/GAW-Gesetz, BGBl. 108/1979 idF BGBl. I 98/2008 sowie der §§5, 6 Abs1 und Abs3, 9 Abs1 und 11 Abs3 letzter Teilsatz der Gleichbehandlungskommissions-Geschäftsordnung, BGBl. II 396/2004, behauptet.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

1.1. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art144 Abs1 erster Satz B-VG ist unter anderem das Vorliegen eines Bescheides (siehe etwa VfSlg. 13.263/1992 und 16.433/2002, jeweils mwN).

Für den Bescheidcharakter einer Erledigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur die äußere Form, sondern auch der Inhalt maßgebend; eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt (vgl. etwa 13.263/1992 und 16.433/2002, jeweils mwN).

1.2. Diese Voraussetzungen sind bei der bekämpften Erledigung nicht gegeben:

1.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich bereits wiederholt (vgl. z.B. VfSlg. 13.723/1994 mwN) mit der Frage zu beschäftigen, ob eine bei ihm bekämpfte Erledigung, die - wie auch im vorliegenden Beschwerdefall - nicht als "Bescheid" bezeichnet war, dennoch als Bescheid iSd Art144 B-VG zu qualifizieren ist.

In seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung (vgl. insbesondere VfSlg. 14.713/1996 im Zusammenhang mit Erledigungen der Gleichbehandlungskommission betreffend Feststellungen des Vorliegens sexueller Belästigung; jüngst VfGH 29.11.2010, B1952/08 und 8.12.2010, B966/09) kam er zum Ergebnis, dass dies dann anzunehmen ist,

"wenn die Erledigung gegenüber individuell bestimmten Personen eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn sie also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Gegenstand hat, ob sie nun in Form eines Bescheides nach den §§56 ff. AVG ergeht oder nicht. In Ermangelung der nach dem AVG für Bescheide vorgesehenen Form muss deutlich erkennbar sein, dass die Dienststelle dennoch den - objektiv erkennbaren - Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Wesentliche Voraussetzung für die Qualifikation einer Erledigung als Bescheid ist nach dem Gesagten deren individuell-normativer Inhalt (vgl. z.B. VfSlg. 13.099/1992, 13.641/1993, S 697; 13.642/1993, S 705; VfGH 28.6.1995 B1573/95, 25.9.1995 B406/95).

Ob ein - abstrakt als Behörde zu qualifizierendes - Verwaltungsorgan hoheitliche Befugnisse durch Erlassung eines Bescheides in Anspruch genommen hat, ist am Inhalt des Verwaltungsaktes zu messen und festzustellen (vgl. VfSlg. 12.574/1990 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur)."

Der Wille der Dienststelle, einen Bescheid zu erlassen, kann sich allenfalls auch daraus ergeben, ob sie zur Bescheiderlassung verpflichtet ist (vgl. VfSlg. 16.433/2002 mwN).

1.2.2. Dies trifft bei der angefochtenen Erledigung nicht zu. Die in §12 Abs3 des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-Gesetz), BGBl. 108/1979 idF BGBl. I 98/2008 vorgesehenen Vorschläge der Gleichbehandlungskommission (im Folgenden: GBK) zur Verwirklichung der Gleichbehandlung mit der Aufforderung, die Diskriminierung zu beenden, stellen nur "unverbindliche Vorschläge (Gutachten)" dar; es handelt sich bei solchen Vorschlägen daher um keine nach Art144 B-VG bekämpfbaren Akte (jüngst VfGH 29.11.2010, B1952/08 und 8.12.2010, B966/09; siehe zur vergleichbaren früheren Rechtslage des §6 Abs2 GlBG VfSlg. 13.695/1994 uHa 13.699/1994; 14.713/1996).

Gemäß §12 Abs3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat einen solchen Vorschlag zur Verwirklichung der Gleichbehandlung (ausschließlich) dann zu übermitteln, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt; ein Vorschlag iSd §12 Abs3 leg.cit. kann demnach nur auf der vom Senat vertretenen Auffassung des Vorliegens einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes gründen. Auch die "Auffassung", dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, stellt daher - so wie die "Vorschläge" iSd §12 Abs3 leg.cit. selbst - eine bloß gutachterliche Feststellung dar.

1.2.3. Bei der im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtslage besteht auch kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass die belangte Dienststelle die Absicht hatte - im Widerspruch zur geltenden Rechtslage - gegenüber dem Beschwerdeführer einen Bescheid zu erlassen (vgl. VfSlg. 16.433/2002; 13.099/1992). Anders als in den VfSlg. 14.713/1996 zugrundeliegenden Erledigungen, die nicht zuletzt auf Grund der damals anzuwendenden Rechtslage des §6 Abs2 GlBG nicht als "Vorschlag" iS dieser Bestimmung qualifiziert werden konnten (- nach §6 Abs2 GlBG konnte ein Vorschlag der GBK nur gegenüber dem Arbeitgeber erstattet werden, die in Rede stehenden Erledigungen waren aber gerade nicht an den Arbeitgeber gerichtet -), intendiert die angefochtene Erledigung nach Erscheinungsform und Duktus, dass der Senat lediglich die einem bloßen "Vorschlag" iSd §12 Abs3 GBK/GAW-Gesetz vorgelagerte Auffassung, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliege, schriftlich festhalten wollte und gerade nicht den Willen hatte, einen individuell-konkreten Verwaltungsakt nach der Art eines Bescheides zu erlassen. Daher handelt es sich - wenn auch im vorliegenden Fall die Übermittlung eines "Vorschlags" iSd §12 Abs3 leg.cit. (noch) nicht erfolgt sein sollte - bei der im bekämpften Schreiben der GBK wiedergegebenen Ansicht, dass eine sexuelle Belästigung vorliege, um eine (bloß) unverbindliche gutachterliche Feststellung im Rahmen des Vorschlagsrechts der GBK iSd §12 Abs3 leg.cit. und nicht, wie vom Beschwerdeführer behauptet, um einen Feststellungsbescheid.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

Die bekämpfte Erledigung stellt sich somit ihrem Inhalt nach - im Lichte der zitierten Vorjudikatur (insbesondere jüngst VfGH 29.11.2010, B1952/08 und 8.12.2010, B966/09) - nicht als normativer Abspruch rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Art dar.

Die Beschwerde ist daher jedenfalls schon aus diesem Grund wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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