JudikaturVfGH

B1112/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 2011

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1.1. Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie war als Leiterin der Sektion 5 im Rechnungshof tätig. Mit Beschluss des Niederösterreichischen Landtages vom 25. März 2010 wurde die Beschwerdeführerin für die Funktionsperiode 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2016 zur Direktorin des Niederösterreichischen Landesrechnungshofes bestellt.

1.2. In weiterer Folge erging ein an die Beschwerdeführerin adressierter, mit 9. Juni 2010 datierter Bescheid des Präsidenten des Rechnungshofes folgenden Inhaltes:

"Sie werden mit Wirksamkeit vom 1. Juli 2010 für die Dauer Ihrer Funktion als Direktorin des Niederösterreichischen Landesrechnungshofes außer Dienst gestellt und mit gleicher Wirksamkeit von Ihrer Funktion als Leiterin der Sektion 5 im Rechnungshof enthoben.

Für die Dauer der Außerdienststellung entfallen Ihre Bezüge.

Sie haben von den durch die Außerdienststellung entfallenden Bezüge Pensionsbeiträge zu entrichten[.]

Rechtsgrundlage: §19 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979

…"

In der Rechtsmittelbelehrung heißt es:

"Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig."

Schließlich enthält der Bescheid den folgenden Hinweis:

"Es kann binnen sechs Wochen nach Zustellung des Bescheides Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und beim Verfassungsgerichtshof erhoben werden. …"

2. Gegen den die Enthebung der Beschwerdeführerin von ihrer Funktion als Leiterin der Sektion 5 im Rechnungshof verfügenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides im Ausmaß dessen angefochtenen Teiles beantragt wird.

Zum Anfechtungsumfang bringt die Beschwerdeführerin Folgendes vor:

"Ich fechte den Bescheid insoweit an, als durch ihn meine Abberufung von meiner Funktion als Leiterin der Sektion 5 des Rechnungshofes verfügt wird - unangefochten bleibt somit der erste Teil des Bescheidspruches über meine Außerdienststellung mit Wirkung vom 1.7.2010, angefochten wird die mit gleicher Wirksamkeit verfügte vorangeführte Funktionsenthebung; unangefochten bleiben weiters die Verfügungen, dass für die Dauer der Außerdienststellung meine Bezüge entfallen, ich aber dennoch von den entfallenden Bezügen Pensionsbeitrag zu entrichten habe."

In der Beschwerde wird weiters u.a. Folgendes vorgebracht:

"Gemäß der Rechtsmittelbelehrung des beschwerdegegenständlichen Bescheides unterliegt dieser keinem ordentlichen Rechtszug und dem folge ich mit der gegenständlichen Beschwerde. Dies in dem Verständnis, dass (auch) der angefochtene Entscheidungsteil deshalb keine Entscheidung iSd §41a Abs6 BDG 1979 ist, weil sie ihrem Wesen nach nicht auf Versetzung oder Verwendungsänderung zielt[,] sondern auf Festlegung meiner dienstrechtlichen Stellung für die Zeit ab der Außerdienststellung."

3.1. Der Präsident des Rechnungshofes als die im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Zurückweisung der Beschwerde mangels Erschöpfung des Instanzenzuges, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt. Darin führt er zur Zulässigkeit der Beschwerde u.a. aus,

"dass mit dem allein angefochtenen Entscheidungsteil eine Abberufung der Beschwerdeführerin von der Funktion als Leiterin der Sektion 5 verfügt wird, wobei ihr - im Hinblick auf die Außerdienststellung - keine neue Verwendung zugewiesen wird und im Hinblick auf die erwartbare Dauer der Abwesenheit auch nicht zugewiesen werden kann. Es handelt sich demnach um eine Entscheidung im Sinne von §40 Abs2 Z3 BDG 1979. Über Rechtsmittel gegen derartige in erster Instanz ergangene Bescheide hat gemäß der Verfassungsbestimmung des §41a Abs6 BDG 1979 die Berufungskommission nach §41a BDG 1979 zu entscheiden. Von dieser Recht[s]schutzmöglichkeit hat die Beschwerdeführerin nicht Gebrauch gemacht.

Gemäß Artikel 144 Abs1 B-VG kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges - falls ein solcher in Betracht kommt - erhoben werden. Nach Ansicht des Rechnungshofes hätte die Beschwerdeführerin vor der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes bei der Berufungskommission gemäß §41a BDG 1979 Berufung einlegen müssen. Der Instanzenzug wurde demnach nicht erschöpft, was die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Folge hat (siehe hiezu etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. Nr. 16.604 mit weiteren Nachweisen). Wurde ein Rechtsmittel aufgrund der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung, dass ein Instanzenzug nicht bestünde, nicht ergriffen, ist der Instanzenzug dennoch nicht erschöpft (z.B. VfSlg. 13.378, 14.750)."

3.2. Mit Schreiben vom 1. März 2011 legte der Präsident des Rechnungshofes ein an ihn gerichtetes Schreiben der Beschwerdeführerin vom 22. Oktober 2010, in dem diese "die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid des Präsidenten des Rechnungshofes vom 9. Juni 2010" beantragt und unter einem gegen den soeben genannten Bescheid Berufung erhebt, sowie einen Bescheid vom 4. Februar 2011 vor, in dem der Präsident des Rechnungshofes dem Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin stattgibt. Der Präsident des Rechnungshofes teilt dazu mit, dass die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt mit Schreiben vom 4. Februar 2011 übermittelt worden sei.

Schließlich legte der Präsident des Rechnungshofes mit Schreiben vom 17. Mai 2011 einen mit 26. April 2011 datierten Bescheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt vor, in dem diese über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Präsidenten des Rechnungshofes vom 9. Juni 2010 inhaltlich abspricht.

II. Rechtslage

1. Die hier maßgebenden §§19, 36, 38, 40, 41a Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979, BGBl. 333 (§§19, 36 idF BGBl. I 87/2002, §38 idF BGBl. I 123/1998, §40 idF BGBl. 550/1994, §41a idF BGBl. I 153/2009) lauten - auszugsweise - wie folgt:

"§19. (1) Der Beamte, der

1. Bundespräsident, Mitglied der Bundesregierung, Staatssekretär, Präsident des Rechnungshofes, Präsident des Nationalrates, Obmann eines Klubs des Nationalrates, Amtsführender Präsident des Landesschulrates (Stadtschulrates für Wien), Mitglied der Volksanwaltschaft, Mitglied einer Landesregierung, Landesvolksanwalt, Landesrechnungshofdirektor oder

2. a) Mitglied des Europäischen Parlaments oder

b) der Kommission der Europäischen Gemeinschaften

ist, ist für die Dauer dieser Funktion unter Entfall der Bezüge außer Dienst zu stellen.

…"

"Arbeitsplatz

§36. (1) Jeder Beamte, der nicht vom Dienst befreit oder enthoben ist, ist mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines in der Geschäftseinteilung seiner Dienststelle vorgesehenen Arbeitsplatzes zu betrauen.

…"

"Versetzung

§38. (1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird.

(2) Die Versetzung ist von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. ...

(3) Ein wichtiges dienstliches Interesse liegt insbesondere vor

1. bei Änderungen der Verwaltungsorganisation einschließlich der Auflassung von Arbeitsplätzen oder

2. bei Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einer anderen Dienststelle, für den keine geeigneten Bewerber vorhanden sind, wenn der Beamte die für diesen Arbeitsplatz erforderliche Ausbildung und Eignung aufweist, oder

3. wenn der Beamte nach §81 Abs1 Z3 den zu erwartenden Arbeitserfolg nicht aufgewiesen hat oder

4. wenn über den Beamten eine Disziplinarstrafe rechtskräftig verhängt wurde und wegen der Art und Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung die Belassung des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint.

(4) Bei einer Versetzung an einen anderen Dienstort von Amts wegen sind die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse des Beamten zu berücksichtigen. Eine Versetzung ist - ausgenommen in den Fällen des Abs3 Z3 und 4 sowie in jenen Fällen, in denen abweichend vom Abs3 Z4 noch keine rechtskräftige Disziplinarstrafe verhängt worden ist - unzulässig, wenn sie für den Beamten einen wesentlichen wirtschaftlichen Nachteil bedeuten würde und ein anderer geeigneter Beamter, bei dem dies nicht der Fall ist, zur Verfügung steht.

(5) Eine Versetzung des Beamten von Amts wegen durch das Ressort, dem der Beamte angehört, in ein anderes Ressort bedarf bei sonstiger Nichtigkeit des Bescheides der schriftlichen Zustimmung des Leiters dieses Ressorts.

(6) Ist die Versetzung des Beamten von Amts wegen in Aussicht genommen, so ist er hievon schriftlich unter Bekanntgabe seiner neuen Dienststelle und seiner neuen Verwendung mit dem Beifügen zu verständigen, daß es ihm freisteht, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Werden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gilt dies als Zustimmung zur Versetzung.

(7) Die Versetzung ist mit Bescheid zu verfügen; in diesem ist festzustellen, ob der Beamte die für die Versetzung maßgebenden Gründe gemäß §§141a, 145b oder 152c BDG 1979 zu vertreten hat oder nicht. Eine Berufung gegen diesen Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Der vom Beamten zuletzt innegehabte Arbeitsplatz darf bis zur Rechtskraft des Bescheides nicht auf Dauer besetzt werden.

(8) Im Fall der Versetzung an einen anderen Dienstort ist dem Beamten eine angemessene Übersiedlungsfrist zu gewähren."

"Verwendungsänderung

§40. (1) Wird der Beamte von seiner bisherigen unbefristeten oder befristeten Verwendung abberufen, so ist ihm gleichzeitig, wenn dies jedoch aus Rücksichten des Dienstes nicht möglich ist, spätestens zwei Monate nach der Abberufung eine neue Verwendung in seiner Dienststelle zuzuweisen. ...

(2) Die Abberufung des Beamten von seiner bisherigen Verwendung ist einer Versetzung gleichzuhalten, wenn

1. die neue Verwendung der bisherigen Verwendung des Beamten nicht mindestens gleichwertig ist oder

2. durch die neue Verwendung eine Verschlechterung für die Beförderung des Beamten in eine höhere Dienstklasse oder Dienststufe zu erwarten ist oder

3. dem Beamten keine neue Verwendung zugewiesen wird.

(3) Die neue Verwendung ist der bisherigen Verwendung gleichwertig, wenn sie innerhalb derselben Verwendungsgruppe derselben Funktions- oder Dienstzulagengruppe zugeordnet ist.

(4) Abs2 gilt nicht

1. für die Zuweisung einer drei Monate nicht übersteigenden vorübergehenden Verwendung, wenn dem Beamten daran anschließend eine der bisherigen Verwendung zumindest gleichwertige Verwendung zugewiesen wird,

2. für die Beendigung der vorläufigen Ausübung einer höheren Verwendung zur Vertretung eines an der Dienstausübung verhinderten oder zur provisorischen Führung der Funktion an Stelle des aus dieser Funktion ausgeschiedenen Beamten und

3. für das Enden des Zeitraums einer befristeten Ernennung des Beamten, ohne daß dieser weiterbestellt wird."

"Berufungskommission

§41a. (1) Beim Bundeskanzleramt ist eine Berufungskommission einzurichten … .

...

(6) (Verfassungsbestimmung) Die Berufungskommission entscheidet über Berufungen gegen in erster Instanz ergangene Bescheide in Angelegenheiten der §§38, 40, 41 Abs2, 123 Abs2 und 124 Abs2."

2. Art52 Abs3 der Niederösterreichischen Landesverfassung 1979 hat den folgenden Wortlaut:

"(3) Der Landesrechnungshofdirektor ist für die Besorgung seiner Aufgaben als Organ des Landtages ausschließlich diesem verantwortlich. Hinsichtlich seiner rechtlichen Verantwortlichkeit ist der Landesrechnungshofdirektor den Mitgliedern der Landesregierung gleichgestellt. Während seiner Bestellung darf der Landesrechnungshofdirektor keinen Beruf mit Erwerbsabsichten ausüben."

III. Erwägungen

Die Beschwerde ist nicht zulässig:

Gemäß Art144 Abs1 B-VG iVm §82 Abs1 VfGG kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges - falls ein solcher in Betracht kommt - erhoben werden. Die Beschwerde ist daher nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer den Instanzenzug ausgeschöpft hat. Die Nichterschöpfung des Instanzenzuges hingegen hat die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Folge (vgl. VfSlg. 13.242/1992, 15.254/1998, 15.728/2000, 15.806/2000 ua.).

Der Beschwerdeführerin ist als Landesrechnungshofdirektorin die Ausübung eines Berufes mit Erwerbsabsicht gemäß Art52 Abs3 der Niederösterreichischen Landesverfassung 1979 ausdrücklich untersagt. Ihre "Außerdienststellung" - wie sie §19 BDG 1979 vorsieht und die die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde ohnehin ausdrücklich nicht bekämpft - ist also (landes-)verfassungsgesetzlich geboten (vgl. VfSlg. 17.085/2003 zur gleichartigen Bestimmung des §2 Abs1 Unvereinbarkeitsgesetz).

Die dienstrechtliche Konsequenz, die sich im vorliegenden Fall aus der Außerdienststellung ergibt, ist die Abberufung der Beschwerdeführerin von der Verwendung als Leiterin der Sektion 5 im Rechnungshof iSd §40 Abs2 Z3 iVm §38 BDG 1979 (vgl. VfSlg. 17.085/2003; vgl. auch VfSlg. 14.855/1997).

Gegen eine derartige, qualifizierte Verwendungsänderung sieht die Verfassungsbestimmung des §41a Abs6 BDG 1979 das Rechtsmittel der Berufung an die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt vor. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die §§38, 40 und auch gegen §19 BDG 1979 vor dem Hintergrund des vorliegenden Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 17.085/2003; vgl. auch VfSlg. 14.855/1997).

Gegen den angefochtenen Bescheid stand daher der Rechtszug an die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt offen (den die Beschwerdeführerin auch ergriffen hat, s. oben Pkt. I.3.2.). Der Instanzenzug ist somit im vorliegenden Fall nicht erschöpft. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der angefochtene Bescheid zu Unrecht einen "Hinweis" auf die Zulässigkeit einer Beschwerdeerhebung u.a. an den Verfassungsgerichtshof enthält (vgl. auch VfSlg. 9984/1984; vgl. auch zur Unmaßgeblichkeit einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung für die Frage der Erschöpfung des Instanzenzuges VfSlg. 13.378/1993, 14.750/1997, 17.544/2005).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

Die Beschwerde war daher zufolge Nichterschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen.

Da die Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar ist, wurde dieser Beschluss gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst.

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