JudikaturVfGH

B296/11 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2011

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,-

bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg wurde die Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 13. Oktober 2010 - mit welchem über den Beschwerdeführer gemäß §31 Abs1 FPG iVm §120 Abs1 Z2 FPG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 300 Stunden verhängt sowie der Ersatz der Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben wurde, da er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätte - als unbegründet abgewiesen; zudem wurde dem Beschwerdeführer ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von € 200,-

vorgeschrieben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der u.a. die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich §120 Abs1 FPG, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde teilte dem Verfassungsgerichtshof mit, dass die Bezug habenden Verwaltungsakten dem Verwaltungsgerichtshof zum dortigen Verfahren übermittelt wurden. Gleichzeitig wurde die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Gegenschrift dem Verfassungsgerichtshof übermittelt. Der Verfassungsgerichthof nahm in die Verwaltungsakten Einsicht.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G53/10 ua., ausgesprochen, dass die Wortfolge "von 1 000 Euro" in Abs1 und die Wendung "1," in Abs4 des §120 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, (FPG) als verfassungswidrig aufgehoben werden und dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Die Kundmachung der Aufhebung durch den Bundeskanzler erfolgte am 4. April 2011 (BGBl. I Nr. 17/2011).

2.1. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 24. Jänner 2011 die vom Verfassungsgerichtshof mit dem eben zitierten Erkenntnis als verfassungswidrig erkannte Wortfolge in §120 Abs1 FPG an (was ihr im Hinblick auf die mit 4. April 2011 erfolgte Kundmachung freilich subjektiv nicht vorzuwerfen ist). Der Beschwerdefall ist jedoch einem Anlassfall im Sinne des Art140 Abs7 B-VG nicht gleichzuhalten, da die an den Verfassungsgerichthof gerichtete Beschwerde (respektive der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe) zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren am 24. Februar 2011 noch nicht beim Verfassungsgerichtshof anhängig war (der Verfahrenshilfeantrag langte am 1. März 2011 ein).

2.2. Durch den Ausspruch, dass die aufgehobenen Bestimmungen "nicht mehr anzuwenden" sind, wirkt die Aufhebung der zitierten Bestimmungen aber jedenfalls auch auf den vorliegenden Beschwerdefall zurück (vgl. etwa VfSlg. 12.954/1991, 15.401/1999 sowie VfGH 14.12.2005, B1025/04). Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf hinweist, dass in Ansehung der konkreten Tatumstände selbst nach Aufhebung der Mindeststrafe die verhängte Geldstrafe angemessen sei, genügt es ihr entgegen zu halten, dass sie bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesstelle angewendet hat.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-

enthalten.

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.

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