JudikaturVfGH

B862/11 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
25. August 2011

Spruch

Dem in der Beschwerdesache der H Bank AG, ..., vertreten durch F W Partner Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 1. Juni 2011, Z ..., gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 und 4 VfGG keine Folge gegeben.

Begründung:

1. Mit Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 1. Juni 2011 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft bei sonstiger Zwangsstrafe aufgetragen, einen rechtmäßigen Zustand in Form einer Dekonsolidierung einer näher genannten Gesellschaft mit Sitz in Dublin herzustellen, und auf Grund der Überschreitung der Grenzen des §27 Abs7 BWG im Zeitraum Dezember 2007 bis April 2010 der Betrag von (berichtigt) € 57.865.612,58 gemäß §97 Abs1 Z6 BWG vorgeschrieben.

2. In der dagegen gemäß Art144 B-VG erhobenen Beschwerde wird u. a. der Antrag gestellt, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Vollzugstauglichkeit des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, dass dieser sowohl hinsichtlich des Auftrags zur Dekonsolidierung als auch hinsichtlich der Vorschreibung der Entrichtung einer Geldleistung einem Vollzug zugänglich sei, die Dekonsolidierung aber bereits durchgeführt worden sei.

Zur Begründung ihres Antrages führt die antragstellende Gesellschaft aus, dass einer Aufschiebung der Zahlung des vorgeschriebenen Betrages keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstünden, da weder eine Gefahr der Zahlungsunfähigkeit noch die Notwendigkeit einer Erhöhung liquider Mittel der öffentlichen Hand durch die umgehende Entrichtung der vorgeschriebenen Geldleistung bestehe. Auch im Hinblick auf die Ziele der Aufsicht durch die belangte Behörde wie die Bedachtnahme auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen und an der Finanzmarktstabilität bestehe kein zwingendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollstreckung der als bankenaufsichtsrechtliche Ordnungsmaßnahme zu wertenden Zahlungspflicht. Die belangte Behörde würde ihren Zielen und Aufgaben auch dann gerecht werden, wenn die antragstellende Gesellschaft die angeordnete Zahlung erst am Ende des verfassungsgerichtlichen Verfahrens vornähme.

Zur Konkretisierung des ihr entstehenden unverhältnismäßigen Nachteiles führt die antragstellende Gesellschaft ins Treffen, dass der vorgeschriebene Zinsbetrag von rund € 58 Mio. dem 5,5-fachen Ergebnis ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) im Geschäftsjahr 2008 bzw. dem 3,5-fachen EGT im Geschäftsjahr 2009 entspricht. Stelle man diesen Betrag der nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz nach Maßgabe des Tagessatzsystems höchst zulässigen Geldstrafe von € 1.800.000,-- gegenüber, betrage der vorgeschriebene Zinsbetrag das 32-fache dieses Betrages. Die Refinanzierungskosten für den Fall der Entrichtung des vorgeschriebenen Betrages werden mit € 940.000,-- angegeben.

Bereits aus der außergewöhnlichen Höhe des vorgeschriebenen Betrages und dem mit einer sofortigen Zahlung verbunden Zinsentgang werde ersichtlich, dass mit der sofortigen Vollstreckung dieses Betrages ein unverhältnismäßiger Nachteil für die antragstellende Gesellschaft verbunden wäre.

3. Die belangte Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) hat über Einladung des Verfassungsgerichtshofes eine Äußerung zum Antrag auf Bewilligung der aufschiebenden Wirkung erstattet, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge diesem Antrag nicht Folge geben.

Die FMA geht davon aus, dass ein zwingendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides bestehe und dass der mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides verbundene Nachteil für die antragstellende Gesellschaft nicht unverhältnismäßig sei. Der von der antragstellenden Gesellschaft ins Treffen geführte Zinsentgang sei nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht geeignet, einen unverhältnismäßigen Nachteil zu begründen.

Soweit die antragstellende Gesellschaft darlege, dass eine - offensichtlich externe - Refinanzierung der Zinsvorschreibung mit einem Aufwand von € 940.000,-- verbunden sei, sei darauf hinzuweisen, dass Presseaussendungen der antragstellenden Gesellschaft wie auch dem Jahresabschluss nach UGB/BWG zum 31. Dezember 2010 zu entnehmen sei, dass die antragstellende Gesellschaft eine Rückstellung für die Zinsvorschreibung im Jahresabschluss gebildet habe, die der Höhe nach exakt dem vorgeschriebenen Zinsbetrag entspreche, und dennoch einen Jahresüberschuss erzielt habe. Durch die Finanzierungswirkung der Rückstellungsbildung stehe der antragstellenden Gesellschaft bereits eine Refinanzierung zur Verfügung. Angesichts dessen seien die vorgebrachten Refinanzierungskosten in Höhe von rund € 940.000,-- nicht nachvollziehbar, da die betriebswirtschaftliche Wirkungsweise der Innenfinanzierung von Rückstellungen im Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft gänzlich unberücksichtigt bliebe. Sie seien darüber hinaus aber auch nicht konkret dargelegt: Es werde nicht erläutert, warum lediglich eine unbesicherte Forderung als Berechnungsgrundlage für die beispielhaft berechneten Refinanzierungskosten herangezogen werden. Auch der Ertragssteuerminderauszahlungseffekt der behaupteten Refinanzierungskosten werde nicht in deren Berechnung einbezogen.

4. Gemäß §85 Abs2 VfGG hat der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Beschwerdeführers der Beschwerde mit Beschluss aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

5. Um dem Verfassungsgerichtshof die gebotene Interessenabwägung zu ermöglichen, ist es erforderlich, dass der Antragsteller sein Interesse an der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch ein präzises Vorbringen bzw. die Vorlage von Bescheinigungsmitteln hinreichend konkretisiert (vgl. VfSlg. 16.065/2001).

6. Die FMA als belangte Behörde wendet zu Recht ein, dass das Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft betreffend Zinsverlust infolge der Notwendigkeit einer Fremdfinanzierung nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht geeignet ist, einen unverhältnismäßigen Nachteil aufzuzeigen (vgl. zB VfGH 10.8.2007, B1462/07 mwN).

Soweit der Antrag darüber hinaus Nachteile geltend macht, beschränkt sich das Vorbringen im Wesentlichen auf den Hinweis auf die außergewöhnliche Höhe des vorgeschriebenen Betrages. Damit wird jedoch kein unverhältnismäßiger Nachteil dargetan. Es hätte vielmehr eines substantiierten Vorbringens dazu bedurft, welche besonderen Nachteile sich konkret für die antragstellende Gesellschaft als Folge der (vorläufigen) Entrichtung des vorgeschriebenen Zinsbetrages, für den bilanziell bereits durch Rückstellungsbildung vorgesorgt wurde, ergeben würden. Angesichts dessen kann der Verfassungsgerichtshof es offen lassen, ob die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme ein hinreichendes (zwingendes) öffentliches Interesse an der Vollziehung des angefochtenen Bescheides dartut.

Dem Antrag war daher keine Folge zu geben.

Rückverweise