B404/11 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
I. Sachverhalt
Mit auf Art144 B-VG gestützter, zu B404/11 protokollierter Beschwerde begehren die Einschreiter die Aufhebung einer als Bescheid im Sinne der genannten Verfassungsbestimmung qualifizierten Mitteilung der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 2. Februar 2011, Z1 NSt 7/10y-36, wegen Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung. In diesem vor dem Verfassungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen, an die Einschreiter gerichteten Schreiben teilt die Staatsanwaltschaft Salzburg mit, dass gegen eine näher bezeichnete Antragsgegnerin von "der Ergreifung einer Nichtigkeitsklage (gemäß §28 Abs1 EheG) […] Abstand genommen" wurde.
Diese Mitteilung erfolgt vor dem Hintergrund, dass die Einschreiter bei der Staatsanwaltschaft Salzburg die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gemäß der §§23 und 28 Ehegesetz (im Folgenden: EheG) angeregt haben, weil ihr verstorbener Großvater mit seiner um ca. 60 Jahre jüngeren Pflegerin im 91. Lebensjahr eine im Sinne des §23 Abs1 EheG nichtige Namens- und Staatsangehörigkeitsehe geschlossen habe. Eine ablehnende Entscheidung der Staatsanwaltschaft mit dem Inhalt, keine Nichtigkeitsklage zu erheben, sei als Bescheid im Sinne des Art144 Abs1 B-VG zu qualifizieren.
Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof die verfahrensgegenständliche Mitteilung der Staatsanwaltschaft Salzburg nicht gemäß Art144 Abs1 B-VG als bekämpfbaren Bescheid qualifiziert, richten die Einschreiter an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG den Individualantrag, §28 Abs1 EheG "mangels gesetzlicher Determinierung und im Hinblick auf die eigentumsrechtlichen Garantien der Österreichischen Bundesverfassung" als verfassungswidrig aufzuheben. Da gemäß §28 Abs1 EheG eine Nichtigkeitsklage gemäß §23 EheG nur die Staatsanwaltschaft erheben könne, ohne dass gleichzeitig der Gesetzgeber diesbezüglich einen Ermessensspielraum definiere und insofern dritten Personen, die davon betroffen sind, keine Rechtsschutzgarantien eingeräumt würden und kein faires Verfahren vor einem Tribunal vorgesehen sei, sei diese Bestimmung verfassungswidrig. §28 Abs1 EheG greife in die Rechtssphäre der Einschreiter unmittelbar und eindeutig bestimmt ein, dadurch würden die rechtlich geschützten Interessen der Einschreiter - wie sie sich insbesondere aus den erbrechtlichen Konsequenzen des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe des Großvaters der Einschreiter ergäben - aktuell beeinträchtigt und es bestünde auch kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behauptetermaßen rechtswidrigen Eingriffes, wenn der Verfassungsgerichtshof die Bescheidqualität der Mitteilung der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 2. Februar 2011 verneine.
II. Zur Rechtslage
Gemäß §23 Abs1 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen wird, der Frau die Führung des Familiennamens des Mannes oder den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne dass die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. Ist eine Ehe aufgrund dieser Bestimmung nichtig, so kann nur der Staatsanwalt die Nichtigkeitsklage erheben (§28 Abs1 EheG). In den übrigen Fällen einer Ehenichtigkeit kann die Staatsanwaltschaft und jeder der Ehegatten, im Fall des §24 EheG auch der frühere Ehegatte oder ein eingetragener Partner, die Nichtigkeitsklage erheben (§28 Abs2 EheG). Sind beide Ehegatten verstorben, so kann eine Nichtigkeitsklage nicht mehr erhoben werden (§28 Abs3 EheG).
Über eine Nichtigkeitsklage nach §23 EheG entscheidet das Zivilgericht in einem Verfahren nach der ZPO, wobei §460 ZPO besondere Bestimmungen für das Verfahren in Ehesachen, darunter in seiner Z4 für Verfahren über die Nichtigerklärung einer Ehe im Besonderen, enthält.
III. Erwägungen
1. Zur Unzulässigkeit der Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG:
Weder Art144 Abs1 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumen dem Verfassungsgerichtshof die Befugnis ein, Akte der Gerichtsbarkeit zu überprüfen (zB VfSlg. 11.695/1988, 14.186/1995, 14.625/1996 uva.).
Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Verfolgungshandlungen der Staatsanwaltschaft, die auf Einleitung eines strafgerichtlichen Verfahrens hinzielen (vgl. VfSlg. 9458/1982) sowie staatsanwaltschaftliche Amtshandlungen (Parteierklärungen), soweit sie sich als Teilakte eines gerichtlichen Strafverfahrens darstellen (s. VfSlg. 10.559/1985, 11.113/1986, 12.458/1990, 12.800/1991), keine Rechtsakte darstellen, die als "Bescheide" im Sinne des Art144 Abs1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof in Beschwerde gezogen werden können.
Gleiches gilt, wenn das Gesetz den Staatsanwalt zur Erhebung einer Klage in einem zivilgerichtlichen Verfahren, sohin zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens für zuständig erklärt (dazu dass §28 Abs1 EheG dem Staatsanwalt eine selbständige Klagebefugnis einräumt, Schubert in: Fasching/Konecny2, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Vor §1 ZPO Rz 11). Die Wahrnehmung ihrer Befugnisse nach §28 Abs1 EheG durch die Staatsanwaltschaft ist also auf die Mitwirkung in einem zivilgerichtlichen Verfahren (s. OLG Wien EFSlg. 43.588/1983) gerichtet. Rechtshandlungen der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang sind als Ausübung einer (Amts )Parteistellung (s. Schubert, aaO) in einem zivilgerichtlichen Verfahren keine Bescheide einer Verwaltungsbehörde gemäß Art144 Abs1
B-VG.
Dies gilt auch für die im vorliegenden Verfahren in Beschwerde gezogene Mitteilung der Staatsanwaltschaft, von einer Nichtigkeitsklage (ausweislich der Angaben der Einschreiter nach einer Reihe von Sachverhaltsermittlungen) Abstand zu nehmen; dass es sich hierbei um keinen, über Rechte der eine solche Nichtigkeitsklage anregenden Einschreiter absprechenden Akt handelt, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Umstand, dass den Einschreitern gemäß §23 Abs1 iVm §28 Abs1 EheG gerade kein subjektives Recht auf Durchführung eines Verfahrens über die Nichtigerklärung der Ehe ihres Großvaters aus dem Grund des §23 Abs1 EheG zukommt (s. dazu noch unten Punkt 2).
2. Zur Unzulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des §28 Abs1 EheG gemäß Art140 Abs1 B-VG:
Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hierbei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).
Die Antragsteller behaupten der Sache nach, dass sie als erbserklärte Erben deswegen durch §28 Abs1 EheG in ihrem Eigentumsrecht nach Art5 StGG und Art1 1. ZP EMRK verletzt seien, weil der Staatsanwalt eine Ehenichtigkeitsklage gemäß §23 Abs1 EheG unterlassen und ihnen damit ihr Recht auf Durchführung einer Ehenichtigkeitsklage gemäß §23 EheG verwehrt habe. Eine solche Verletzung von (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechten der Einschreiter setzt voraus, dass §28 Abs1 EheG in die Rechtssphäre der Antragsteller unmittelbar eingreift. Dies ist aber nicht der Fall:
Gemäß §28 Abs1 EheG ist ausschließlich der Staatsanwalt "als Wahrer der öffentlichen Interessen" (Schubert, aaO) zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gemäß §23 Abs1 EheG befugt. Die Prüfung, ob ein öffentliches Interesse die Erhebung der Ehenichtigkeitsklage erfordert, ist damit dem Staatsanwalt vorbehalten (siehe OGH SZ 43/239) und die Beurteilung der Voraussetzungen für die Einbringung einer solchen Klage allein seine Sache (OGH EFSlg. 31.623). Eine Befugnis zur Erhebung einer Ehenichtigkeitsklage durch potenzielle Erben eines der beiden Ehepartner wird weder durch §28 EheG noch sonst im System der Ehenichtigkeitsgründe des EheG begründet. Vielmehr lässt der Gesetzgeber in der Regelung des §28 EheG über die Klagebefugnis bei Vorliegen von Nichtigkeitsgründen einer Ehe deutlich erkennen, dass die Wahrnehmung von Nichtigkeitsgründen Sache der Ehepartner bzw. in bestimmten Fällen, - wie in denjenigen des §23 Abs1 EheG aus öffentlichen Interessen - Sache des Staatsanwalts ist. Dies ist aus dem hier allein maßgeblichen Blickwinkel des Antragsvorbringens aus verfassungsrechtlicher Sicht weder im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz oder das Eigentumsgrundrecht noch aus rechtsstaatlichen Erwägungen zu beanstanden. §28 Abs1 EheG betrifft daher das Rechtsverhältnis der Ehegatten zueinander (und die Klagebefugnis der Staatsanwaltschaft), entfaltet aber keine Rechtswirkung gegenüber Personen, die von einem der Ehepartner möglicherweise erbrechtliche Ansprüche ableiten. Ein unmittelbarer Eingriff durch §28 Abs1 EheG in die von den Einschreitern geltend gemachten Rechtspositionen liegt daher nicht vor. Damit fehlt es aber an einer grundlegenden Voraussetzung für einen Antrag nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
Die vorliegende Beschwerde ist daher mangels Vorliegens eines nach Art144 Abs1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbaren Bescheids als unzulässig zurückzuweisen.
Der für diesen Fall gestellte Individualantrag, §28 Abs1 EheG gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als verfassungswidrig aufzuheben, ist schon deswegen zurückzuweisen, weil den Einschreitern ausgehend von ihrem Antragsvorbringen die Antragslegitimation, dass diese Gesetzesbestimmung in ihre Rechtssphäre unmittelbar eingreifen muss, fehlt.
Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.