JudikaturVfGH

B409/11 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
21. September 2011

Spruch

I.1. Das zu B409/11 protokollierte Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

2. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-

bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. Die Erklärung des Einschreiters, sich dem zu B878/10 protokollierten Verfahren als mitbeteiligte Partei anzuschließen, wird zurückgewiesen.

Begründung:

Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B409/11 eine Beschwerde und zu B878/10 eine "Erklärung", dem Verfahren "als mitbeteiligte Partei beizutreten", anhängig. Der Verfassungsgerichtshof hat diese beiden Anträge in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden:

I. Zu B409/11:

1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. November 2010 wurde über den Beschwerdeführer gemäß §14 Abs1 iVm §19 Versammlungsgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von € 70,-

(Ersatzfreiheitsstrafe 50 Stunden) verhängt, weil er es am 29. Jänner 2010 als Teilnehmer einer Versammlung am Christian-Broda-Platz, 1060 Wien, unterlassen habe, nach behördlicher Auflösung der Versammlung um 18.51 Uhr, innerhalb der ihm eingeräumten Frist von 10 Minuten den Versammlungsort zu verlassen.

2. Die dagegen erhobene Berufung wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien mit Bescheid vom 25. Jänner 2011 ab.

3. Mit der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wurde der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien beim Verfassungsgerichthof angefochten, die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten bzw. wegen der Anwendung verfassungswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt. Unter einem wurde ein Antrag gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

4. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. Juni 2011 behob dieser gemäß §52a VStG den Bescheid vom 25. Jänner 2011, weil "in Bezug auf den konkreten Beschuldigten keine erneute öffentliche mündliche Verhandlung abgeführt worden war, sondern lediglich auf die sieben durchgeführten Parallelverhandlungen verwiesen wurde, wodurch - im engeren Sinn - die aus der EMRK erfließende Rechtsstellung des Beschuldigten [...] verletzt worden sein könnte."

5. Mit einem beim Verfassungsgerichtshof am 22. Juni 2011 eingelangten Schriftsatz teilte der Beschwerdeführer seine Klaglosstellung mit. Unter einem verlangt "der gefertigte Anwalt die Bezahlung sämtlicher Kosten zu seinen Handen".

6. Das Beschwerdeverfahren ist gemäß §86 VfGG einzustellen:

Der belangte Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat mit Bescheid vom 8. Juni 2011 den angefochtenen Bescheid behoben und damit den Beschwerdeführer klaglos gestellt. Die Beschwerde ist sohin gegenstandslos geworden; das Verfahren war einzustellen.

7. Die Aufhebung des Bescheides stellt eine Klaglosstellung iSd §88 VfGG dar, weshalb dem Beschwerdeführer Kosten zuzusprechen waren. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- sowie Eingabengebühr in der Höhe von € 220,- enthalten.

II. Zu B878/10:

1. Mit Eingabe vom 9. April 2011 erklärte der Einschreiter den "Beitritt als mitbeteiligte Partei" in dem zu B878/10 protokollierten Verfahren der "Grüne und Alternative StudentInnen - Grüne (GRAS)" gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Mai 2010, Z E1/91.866/2010, mit welchem eine für 29. Jänner 2010 angezeigte Versammlung zum Thema "Protest gegen den Ball des rechtsextremen Wiener Korporationsrings" untersagt wurde.

2. Eine Beteiligung an dem Beschwerdeverfahren der "Grüne und Alternative StudentInnen - Grüne (GRAS)" gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien ist jedoch unzulässig:

Das VfGG kennt zwar den Begriff des Beteiligten (§§84 Abs2 und 85 Abs3), enthält aber keine nähere Regelung über die Beteiligung anderer als der Verfahrensparteien. Eine sinngemäße Anwendung von Bestimmungen der Zivilprozessordnung - etwa jener über die Nebenintervention (§§17 ff. ZPO) - kommt im Beschwerdeverfahren auch nach §35 VfGG mangels einer gleichartigen Sachlage nicht in Betracht (VfSlg. 8043/1977 mwN). Die Vorschriften des VwGG über die Stellung des Mitbeteiligten finden im verfassungsgerichtlichen Verfahren gleichfalls keine Anwendung (VfSlg. 3372 und 3373/1958). Wie der Kreis der Beteiligten im Verfahren nach Art144 B-VG im Einzelnen abzustecken ist, kann im vorliegenden Fall aber auch dahingestellt bleiben, da der besondere Zweck des Beschwerdeverfahrens eine Beteiligung jedenfalls nur Personen erlaubt, die im vorangegangenen Verfahren Parteistellung genossen haben (VfSlg. 8043/1977 mwN).

3. Dem Einschreiter ist eine solche Parteistellung nicht zugekommen. Er war im Verwaltungsverfahren weder beigezogen worden noch beizuziehen gewesen, da Gegenstand des Verfahrens nur die Untersagung der Versammlung gemäß §§6, 7 Versammlungsgesetz war.

Dem Einschreiter ist daher auch nicht im Verfahren nach Art144 B-VG die Stellung eines Beteiligten einzuräumen.

Die Eingabe des Einschreiters war daher zurückzuweisen.

III. Diese beiden Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z3 VfGG bzw. in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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