V48/11 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
I. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Antragsteller hatte in dem zu V102/10 protokollierten Verfahren die Aufhebung näher genannter Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport über unzulässige Nebenbeschäftigungen, BGBl. II 151/2010, begehrt. Mit Beschluss vom 9. Juni 2011 wurde dieser Antrag mangels Legitimation zur Anfechtung zurückgewiesen.
2. Mit dem vorliegenden, auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller die Aufhebung des §1 Abs2 sowie des §4, in eventu der Z1 und Z2 des §1 Abs2 und des §4, in eventu der Z1 und Z2 des §1 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport über unzulässige Nebenbeschäftigungen, BGBl. II 100/2011.
Zur Begründung der Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, er sei
"[h]insichtlich der Verordnung in ihrer Gesamtheit und der relevierten Teile [...] kraft direkter Rechtsverletzung zu diesem Antrag legitimiert. Unmittelbare Betroffenheit liegt vor, weil keine weitere Präzisierung von Bestimmungen des Gesetzes oder der Verordnung notwendig ist. Die Verordnung wurde ohne Erlassung eines Bescheides für mich unmittelbar wirksam, weil mein Gewerbe 'Dienstleistungen der Datenverarbeitung und Informationstechnik' nach dem klaren Wortlaut der Verordnung unter §1 Abs2 Z. 1 der Verordnung fällt. Unzumutbarkeit eines anderen Weges zum Hohen Verfassungsgerichtshof liegt vor, weil ich meine unternehmerische Tätigkeit ja bereits aufgenommen habe, sodass die Erwirkung eines Feststellungsbescheides nicht mehr in Betracht kommt, sondern nur mehr ein Disziplinarverfahren, wobei ich auf die Erkenntnisse des VwGH vom 28. Juli 2000, Zl. 97/09/0377 = Slg. NF Nr. 15.469/A und vom 1. Oktober 2004, Zl. 2000/12/0195 verweise. Ein solcher Umweg ist jedoch genauso unzumutbar wie die Provokation eines gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens. Wollte man in unzutreffender Weise dennoch die Möglichkeit bejahen, einen Feststellungsbescheid zu erwirken, so machte dies den Individualantrag auch nicht unzulässig, weil der einzige Zweck eines Feststellungsbescheides darin bestünde, ein Mittel zu gewinnen, um die gegenständlichen verfassungsrechtlichen Bedenken an den Hohen Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Der bekämpfte Teil des Rechtsbestandes in der Struktur meiner Anträge wirkt sich unmittelbar in meiner Rechtssphäre nachteilig aus, [indem] ich meine unternehmerische Tätigkeit nicht fortführen darf, begonnene Aufträge abbrechen muss, planmäßig aufgenommene Kredite mangels korrespondierender Einnahmen nicht weiter bedienen kann, mir durch dieses Marktverhalten das Stigma der Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit anhaften wird, und zwar in einer Weise, welche sogar einen neuerlichen Markteintritt zunehmend verunmöglichen wird. Ferner ergeben sich zunächst massive steuerliche Nachteile durch die Überführung von Betriebsvermögen in das Privatvermögen, und schließlich werde ich persönlich in wirtschaftliche Schieflage geraten, weil ich selbst für die unternehmerischen Kredite hafte, welche ich aus meinem Beamteneinkommen nicht werde bedienen können. Aus diesen absehbar existenzvernichtenden Umständen ergibt sich auch mein Antrag gemäß Art139 B-VG."
Der Antragsteller bringt zudem vor, er gehe
"davon aus, dass die Verfahren die frühere [Anm.:
s. oben Pkt. 1.] und die nunmehrige Verordnung betreffend zusammengelegt werden. Im Hinblick darauf nehme ich derzeit von einer Wiedergabe des von mir im Rahmen des Parallelverfahrens in Form von Repliken erstatteten Vorbringens Abstand. Ich hebe aber insbesondere hervor, dass mein Unternehmen weiterhin ein lebendes Unternehmen ist, wie auf Seite 3 der Replik vom 9.12.2010 näher ausgeführt. Daher gilt unverändert alles weiterhin, was ich zu den Themen der schädlichen Auswirkungen der Verordnung und des sich daraus ergebenden Antragsrechtes ausführte.
[...]
Durch §4 der Verordnung wird die Nachteilswirkung
noch dadurch verschärft, dass mir die Möglichkeit genommen wird, durch einen Karenzurlaub zumindest eine Zwischenlösung herbeizuführen. Ich sehe es als notorisch an, dass beim Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport eine Personalreduzierung angestrebt wird - teilweise auch in der Form verwirklicht wurde, dass Beamte bei aufrechtem Aktivdienstverhältnis beschäftigungslos gemacht worden sind - sodass angenommen werden könnte, dass einem Ansuchen um Karenzurlaub Folge gegeben werden würde. Die Entziehung dieser Handlungsalternative macht die Situation für mich noch auswegloser."
3. Der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er die Legitimation des Antragstellers zur Anfechtung des §4 der Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport über unzulässige Nebenbeschäftigungen, BGBl. II 100/2011, mit der Begründung bestreitet, dass "der Antragsteller weder derzeit in Karenz ist noch einen diesbezüglichen Antrag aktuell stellt oder gestellt hat". Hinsichtlich der vom Antragsteller bekämpften Bestimmungen des §1 Abs2 der genannten Verordnung würden "[d]ie ho. getätigten Ausführungen zur do. Verfügung [...] V102/10-2 [...] vollinhaltlich aufrechterhalten".
II. Rechtslage
1. §56 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979, BGBl. 333 in der Fassung BGBl. I 111/2010, hat den folgenden Wortlaut:
"Nebenbeschäftigung
§56. (1) Nebenbeschäftigung ist jede Beschäftigung, die der Beamte außerhalb seines Dienstverhältnisses und einer allfälligen Nebentätigkeit ausübt.
(2) Der Beamte darf keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung seiner Befangenheit hervorruft oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet.
(3) Der Beamte hat seiner Dienstbehörde jede erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung und jede Änderung einer solchen unverzüglich zu melden. Eine Nebenbeschäftigung ist erwerbsmäßig, wenn sie die Schaffung von nennenswerten Einkünften in Geld- oder Güterform bezweckt.
(4) Der Beamte,
1. dessen Wochendienstzeit nach den §§50a oder 50b auf die Hälfte herabgesetzt worden ist oder
2. der eine Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG oder nach dem VKG in Anspruch nimmt oder
3. der sich in einem Karenzurlaub nach §75c befindet,
darf eine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung nur ausüben, wenn und insoweit die Dienstbehörde dies genehmigt. Die Genehmigung ist in den Fällen des Abs2 sowie dann zu versagen, wenn die Ausübung dieser Nebenbeschäftigung dem Grund der nach den Z1 bis 3 getroffenen Maßnahme widerstreitet.
(5) Eine Tätigkeit im Vorstand, Aufsichtsrat, Verwaltungsrat oder in einem sonstigen Organ einer auf Gewinn gerichteten juristischen Person des privaten Rechts hat der Beamte jedenfalls zu melden.
(6) Die Ausübung einer aus den Gründen des Abs2 unzulässigen Nebenbeschäftigung oder Tätigkeit im Sinne des Abs5 ist von der Dienstbehörde unverzüglich mit schriftlicher Weisung zu untersagen.
(7) Die zuständige Bundesministerin oder der
zuständige Bundesminister kann mit Verordnung regeln, welche Nebenbeschäftigungen jedenfalls aus den Gründen des Abs2 unzulässig sind."
2. Die Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport über unzulässige Nebenbeschäftigungen, kundgemacht in BGBl. II 100/2011, lautet wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport über unzulässige Nebenbeschäftigungen
Auf Grund des §56 Abs7 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, und des §5 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG), BGBI. Nr. 86, jeweils zuletzt geändert durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBI. I Nr. 111/2010, wird verordnet:
§1. (1) Jedenfalls unzulässig sind Nebenbeschäftigungen für Bedienstete, die als militärische Organe mit Aufgaben der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr betraut sind, im Rahmen
1. von Sicherheitsgewerben (Berufsdetektive und Bewachungsgewerbe),
2. von Dienstleistungen, einschließlich Beratungstätigkeiten, hinsichtlich der Errichtung oder Verbesserung oder Wahrung von Sicherheitsmaßnahmen oder Sicherheitseinrichtungen und
3. der Erstellung und Weitergabe militärischer und damit im Zusammenhang stehender sicherheitspolitischer oder sicherheitsrelevanter Analysen.
(2) Darüber hinaus sind für Bedienstete, die als militärische Organe mit Aufgaben der nachrichtendienstlichen Abwehr betraut sind, Nebenbeschäftigungen jedenfalls unzulässig im Rahmen
1. von Dienstleistungen, einschließlich Beratungstätigkeiten, in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik,
2. der Kommunikationselektronik,
3. von Inkassoinstituten,
4. von Adressverlagen und Direktmarketingunternehmen,
5. von Auskunfteien,
6. von Sprengungsunternehmen und
7. von Waffengewerben.
(3) Für Bedienstete nach Abs1, die im Rahmen ihrer Dienstpflichten Tätigkeiten ausüben, für die die Ausstellung von Urkunden, die über ihre Identität täuschen, vorgesehen ist, sind alle Nebenbeschäftigungen unzulässig.
§2. Für Bedienstete, die im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben maßgeblichen Einfluss auf die Vergabe von Förderungsmitteln und auf die dazu notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen haben, sind Nebenbeschäftigungen als Organe von juristischen Personen, Personengesellschaften sowie sonstiger Rechtsträger, die für solche Förderungen aus dem jeweiligen Einflussbereich des Bediensteten in Betracht kommen, jedenfalls unzulässig.
§3. (1) Für Bedienstete, die im Rahmen ihrer
dienstlichen Aufgaben maßgeblichen Einfluss auf Vergabeverfahren nach dem Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006), BGBl. I Nr. 17/2006, und auf die dazu notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen haben, sind Nebenbeschäftigungen im Geschäftsbereich von Bewerbern, Bietern und Auftragnehmern nach diesem Bundesgesetz sowie sonstigen Unternehmen, die jeweils mit dem Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport in einer Geschäftsbeziehung stehen, jedenfalls unzulässig, wenn diese Geschäftsbeziehungen im jeweils in Betracht kommenden Einflussbereich des Bediensteten liegen.
(2) Abs1 ist auch auf Vergabeverfahren anzuwenden, die nicht dem Bundesvergabegesetz 2006 unterliegen.
§4. Die §§1 bis 3 gelten auch für Bedienstete, denen Karenzurlaub nach §75 BDG 1979 oder nach §29b VBG gewährt wurde, sofern sie
1. vor Antritt des Karenzurlaubes mit einer der dort genannten Aufgaben betraut waren und
2. nicht von den entsprechenden Arbeitsplätzen
abberufen wurden.
§5. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. April 2011 in Kraft.
(2) Mit Ablauf des 31. März 2011 tritt die Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport über unzulässige Nebenbeschäftigungen, BGBI. II Nr. 151/2010, außer Kraft.
(3) Die §§1 bis 3 gelten auch für solche Nebenbeschäftigungen, die vor Ablauf des 31. März 2011 gemeldet wurden."
III. Erwägungen
Der Verordnungsprüfungsantrag ist nicht zulässig:
1.1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht
(VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
1.2. Gemäß §57 Abs1 VfGG hat ein Antrag auf Normenkontrolle, der von einer Person gestellt wurde, die unmittelbar durch die Rechtswidrigkeit einer Norm in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, demgemäß darzutun, inwieweit die Norm ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für die Person wirksam geworden ist, inwiefern die Norm also in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar nachteilig eingreift. Das Fehlen dieser Darlegung stellt einen inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel und somit ein Prozesshindernis dar (vgl. zB VfSlg. 17.111/2004, 18.187/2007; VfGH 7.10.2009, G142/09; 29.6.2011, G70-72/10).
2. Der Antragsteller hat es entgegen der Vorschrift des §57 Abs1 VfGG unterlassen, die aktuelle Betroffenheit in seiner Rechtssphäre in Bezug auf die angefochtenen Bestimmungen im Einzelnen darzulegen:
Im Antrag wird "von einer Wiedergabe des [vom Antragsteller] im Rahmen des Parallelverfahrens [V102/10, s. oben Pkt. I 1.] in Form von Repliken erstatteten Vorbringens Abstand [genommen,] aber insbesondere hervor[gehoben], dass [das] Unternehmen [des Antragstellers] weiterhin ein lebendes Unternehmen ist, wie auf Seite 3 der Replik vom 9.12.2010 näher ausgeführt. Daher gilt unverändert alles weiterhin, was [der Antragsteller] zu den Themen der schädlichen Auswirkungen der Verordnung und des sich daraus ergebenden Antragsrechtes ausführte."
Verweisungen auf den Inhalt eines in einem anderen (nicht verbundenen) Verfahren eingebrachten Schriftsatzes stellen keine gesetzmäßige Darlegung der Wirkungen der angefochtenen Norm dar und sind unbeachtlich (vgl. zB VfSlg. 13.345/1993 mwH; dasselbe gilt im Übrigen sinngemäß auch für den Verweis des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport in dessen Äußerung auf seine im Verfahren V102/10 erstattete Äußerung). Dem vorliegenden Antrag sind Angaben, anhand derer die aktuelle Verletzung der Rechtssphäre des Antragstellers durch die bekämpften Bestimmungen beurteilt werden könnte, nicht zu entnehmen. Schon deshalb steht dem Antrag ein nicht behebbares Prozesshindernis entgegen.
3. Bei diesem Ergebnis braucht nicht untersucht zu werden, ob der Antragsteller - der nicht behauptet, um die Inanspruchnahme eines Karenzurlaubes angesucht zu haben - durch den von ihm bekämpften §4 der Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport über unzulässige Nebenbeschäftigungen, BGBl. II 100/2011, aktuell betroffen ist.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Schon aus dem unter Pkt. III.2. genannten Grund mangelt es dem Antragsteller bezüglich der angefochtenen Vorschriften am Erfordernis der Legitimation zur Stellung eines Individualantrages.
Der Antrag war daher als unzulässig zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.