JudikaturVfGH

G105/11 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2012

Spruch

Die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe

werden abgewiesen.

Begründung:

1. Der Einschreiter wurde auf Grund des Beschlusses des Landesgerichts Steyr vom 21. Juli 2011 iSd §47 Strafgesetzbuch (StGB) aus der nach Verbüßung von Freiheitsstrafen erfolgten mehrjährigen Unterbringung nach §21 Abs2 StGB in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher bedingt entlassen.

Mit selbstverfassten identen Eingaben vom 8. September 2011 und 3. Februar 2012 beantragte der Einschreiter die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Individualantrages betreffs Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des §21 Abs2 StGB bzw. des §167 Abs1 Strafvollzugsgesetz (StVG).

Zusammengefasst führt er aus, dass §167 Abs1 StVG die Anwendung wesentlicher Teile des Strafvollzugsgesetzes auf den Maßnahmenvollzug gemäß §21 Abs2 StGB anordne, wodurch zur Tatzeit psychisch kranke, aber zurechnungsfähige Personen im Vergleich zu unzurechnungsfähigen geistig abnormen Rechtsbrechern benachteiligt würden; auf letztere sei nämlich das Unterbringungsgesetzes (UBG) anzuwenden. Auch müsse die Freiheitsentziehung in Bezug auf psychisch kranke Personen in Hinblick auf Art5 Abs1 lite EMRK in geeigneten Einrichtungen erfolgen.

2. Abgesehen davon, dass der Einschreiter übersieht, dass auf den Vollzug der Unterbringung gemäß §21 Abs1 StGB nach der Vorschrift des §167 StVG die dort genannten Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes ebenso anzuwenden sind wie auf den Vollzug nach §21 Abs2 StGB, erweisen sich die intendierten Anträge jedenfalls in mehrfacher Hinsicht als unzulässig:

2.1. Voraussetzung der Antragslegitimation nach

Art140 Abs1 B-VG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977) einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar und aktuell durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist daher, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt (zB VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).

Die Antragslegitimation muss dabei sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung, als auch im Zeitpunkt des Ergehens der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs gegeben sein (VfSlg. 16.661/2002).

2.2. Da der Einschreiter gemäß dem eingangs erwähnten Beschluss des Landesgerichts Steyr am 25. Juli 2011 aus der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme entlassen wurde, war er schon bei Einbringung der vorliegenden Eingaben vom 8. September 2011 und 3. Februar 2012 (und umso weniger im Zeitpunkt einer allfälligen - nachfolgenden - Entscheidung des Verfassungsgerichthofes) durch jene Bestimmungen, deren Anfechtung er beabsichtigt, nicht mehr unmittelbar und aktuell in seiner Rechtsposition berührt.

2.3. Darüber hinaus stand dem Einschreiter

hinsichtlich der für verfassungswidrig erachteten Regelungen der §§21 Abs2 StGB und 167 Abs1 StVG die Möglichkeit offen, im Rahmen eines gerichtlichen (§21 Abs2 StGB) bzw. eines verwaltungsbehördlichen (§167 StVG) Rechtsmittelverfahrens eine Entscheidung zu erwirken. Das zuständige Rechtsmittelgericht wäre bei Bedenken gegen §21 Abs2 StGB gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet gewesen; die in Rede stehende Bestimmung des StVG hinwieder hätte der Einschreiter (nach Erschöpfung des Instanzenzuges) letztlich beim Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG bekämpfen und idZ seine verfassungsrechtlichen Bedenken vortragen können (vgl. zB VfSlg. 12.975/1992 mwN). Dem Antragsteller stand somit ein im vorerwähnten Sinne zumutbarer Weg zur Verfügung, die Frage der Rechtmäßigkeit der angesprochenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Außergewöhnliche Umstände, welche die Einbringung

eines Individualantrages zufolge Unzumutbarkeit eines anderen Weges ausnahmsweise zulässig machen können, liegen hier (anders als etwa in den Fällen VfSlg. 15.786/2000 und 16.772/2002) nicht vor.

3. Da der Einschreiter somit jedenfalls die Zurückweisung des intendierten Individualantrages zu gewärtigen hätte, erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof von vornherein als offenbar aussichtslos.

4. Die Anträge auf Verfahrenshilfe waren daher

mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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