JudikaturVfGH

A20/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2012

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung:

I. Sachverhalt und Klagebegehren

1. Mit der auf Art137 B-VG gestützten und gegen das Land Burgenland gerichteten Klage begehrt der Kläger € 1.650,-

zuzüglich 4% Zinsen ab Einbringung der Klage. Begründend führt der Kläger aus, dass er seit seiner Asylantragstellung im Juni 2008 Leistungen aus der Grundversorgung nach dem Burgenländischen Landesbetreuungsgesetz, LGBl. 42/2006 (im Folgenden: Bgld. LBetreuG) beziehe. Ohne einen Bescheid zu erlassen, seien dem Kläger bestimmte Grundversorgungsleistungen, nämlich die Gewährung eines monatlichen Taschengeldes sowie die Gewährung von Sach- oder Geldleistungen zur Erlangung der notwendigen Bekleidung seit Oktober 2008, faktisch entzogen worden.

1.1. Mit "Aufforderung" vom 12. Mai 2009 habe der Kläger einen Antrag auf Erlassung eines förmlichen Bescheides über die "Entziehung der Leistungen aus der Grundversorgung unter Einhaltung eines dem burgenländischen Landesbetreuungsgesetz entsprechenden Ermittlungsverfahrens" gestellt. Bis zum Tag der Klagseinbringung sei jedoch kein Bescheid erlassen oder eine Zahlung geleistet worden.

1.2. Die Klagssumme setze sich aus dem von

Oktober 2008 bis März 2011 rechtswidrig vorenthaltenen monatlichen Taschengeld in der Höhe von € 40,- (insgesamt: € 1.200,-) sowie der im selben Zeitraum vorenthaltenen Geldleistung zur Erlangung der notwendigen Bekleidung in der Höhe von € 75,- zweimal jährlich (insgesamt: € 450,-) zusammen.

1.3. Zur Zulässigkeit der Klage bringt der Kläger

vor, dass sich sowohl aus dem Bgld. LBetreuG als auch aus der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten ergebe, dass vor dem Entzug oder der Einschränkung von Grundversorgungsleistungen ein Bescheid zu erlassen sei. Da mangels Vorliegens eines Bescheides eine Bekämpfung der Vorgehensweise der beklagten Partei mittels Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat (in der Folge: UVS) nicht möglich sei, sei der Kläger berechtigt, eine Klage nach Art137 B-VG zu erheben; der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 18.447/2008.

2. Die beklagte Partei erstattete eine Gegenschrift, legte den Bezug habenden Akt vor und beantragt, die Klage mangels Zulässigkeit zurückzuweisen, in eventu dem Grund nach zurückzuweisen, in eventu der Höhe nach abzuweisen.

2.1. In der Gegenschrift räumt die beklagte Partei ein, dass der Kläger gemäß §2 Abs1 Z3 Bgld. LBetreuG zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen zähle, da die ursprünglich von der Fremdenpolizei in Aussicht gestellte Abschiebung nach rechtskräftig abgeschlossenem Asylverfahren im Oktober 2008 aus faktischen Gründen bislang nicht erfolgt sei. Der Kläger sei zwar weiterhin im Rahmen der Grundversorgung in einer Unterkunft für Asylwerber untergebracht und auch krankenversichert gewesen. Die Leistungen "Taschengeld" und "Bekleidungshilfe" seien jedoch "irrtümlicherweise" nicht mehr ausbezahlt worden - allerdings nicht wie der Kläger behauptet seit Oktober 2008, sondern nachweislich erst seit November 2008. Die Auszahlung dieser Leistungen sei mittlerweile veranlasst worden. Der Kläger beziehe auch weiterhin die ihm zustehenden Leistungen aus der Grundversorgung.

2.2. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage führt die beklagte Partei aus, dass sich aus §5 Abs3 iVm §11 Bgld. LBetreuG eine Verpflichtung der Landesregierung zur Bescheiderlassung über die Einschränkung oder Einstellung von Grundversorgungsleistungen ableiten ließe. Auf Grund der Rechtslage und unter Verweis auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.985/2006 kommt die beklagte Partei zum Schluss, dass der Kläger die Auszahlung des ausstehenden Betrages oder eine bescheidmäßige Erledigung bei der Landesregierung beantragen hätte müssen; eine allfällige Säumnis der Landesregierung hätte der Kläger beim

UVS Burgenland geltend machen müssen. Die vom Kläger angeführte "Aufforderung" sei bei der Burgenländischen Landesregierung bzw. beim Amt der Burgenländischen Landesregierung nicht eingegangen und daher nicht aktenkundig. Sollte die "Aufforderung" nachweislich eingebracht worden sein, hätte der Kläger einen Devolutionsantrag stellen müssen.

3. In einem replizierenden Schriftsatz schränkt der Kläger sein Klagebegehren auf die Auszahlung von "4% Zinsen seit Klagstag bis 30.04.2011" ein. Gleichzeitig bekräftigt der Kläger unter Bezugnahme auf höchstgerichtliche Judikatur (VwGH 29.9.2009, 2008/18/0678 sowie VfSlg. 18.447/2008) seine bisherigen Ausführungen zur Zulässigkeit: Bei faktischer Vorenthaltung von Leistungen aus der Grundversorgung stehe eine Klage nach Art137 B-VG offen. Ein Devolutionsantrag sei auf Grund der "europarechtlichen Vorgaben", wonach "Leistungen aus der Grundversorgung [...] keinesfalls ohne eine abschlägige Entscheidung eingestellt werden d[ü]rften" sowie der besonderen Schutzbedürftigkeit des Klägers nicht zumutbar. Weiters moniert der Kläger die angeblich gängige Praxis der burgenländischen Behörden, Grundversorgungsleistungen regelmäßig ohne Bescheid einzuschränken oder zu entziehen. Um dies zu belegen, legte er ein Konvolut an "Abmeldungsverständigungen" der beklagten Partei an die Caritas vor.

II. Rechtslage

Nach §2 Abs1 Bgld. LBetreuG idF LGBl. 42/2006 stehen Leistungen aus der Grundversorgung "hilfs- und schutzbedürftigen Fremden auf Antrag oder von Amts wegen zu".

Schutzbedürftig sind u.a.:

"1. Fremde, die einen Asylantrag gestellt haben (Asylwerberinnen und Asylwerber), über den noch nicht rechtskräftig abgesprochen ist;

2. ...;

3. Fremde ohne Aufenthaltsrecht, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind;

4. - 6. ..."

In §4 Abs1 Bgld. LBetreuG sind die Grundversorgungsleistungen im Einzelnen aufgelistet, wobei die "Gewährung eines monatlichen Taschengeldes" in Z3 und die "Gewährung von Sach- oder Geldleistungen zur Erlangung der notwendigen Bekleidung" in Z12 genannt sind.

Gemäß §5 Abs3 können Leistungen aus der Grundversorgung für Fremde oder deren Angehörige nach Wahrung des Parteiengehörs eingeschränkt oder eingestellt werden, wenn diese

"1. die Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung oder Sicherheit in einer Unterkunft durch ihr Verhalten wiederholt nachhaltig gefährden oder sich wiederholt ungebührlich verhalten. Das gleiche gilt im Anwendungsfall des §38a SPG;

2. wegen einer vorsätzlichen gerichtlich strafbaren Handlung verurteilt worden sind, die einen Ausschließungsgrund gemäß §6 Asylgesetz 2005 darstellen kann;

3. trotz Aufforderung nicht an der Feststellung ihrer Identität oder ihrer Hilfsbedürftigkeit mitwirken bzw. die Mitwirkung im Asylverfahren verweigern oder erheblich erschweren;

4. einen weiteren Asylantrag innerhalb von sechs

Monaten nach rechtskräftigem Abschluss ihres früheren Asylverfahrens eingebracht haben;

5. mehr als drei Tage nicht in dem von der Grundversorgungsstelle zugewiesenen Quartier aufhältig sind oder sich dort nicht regelmäßig aufhalten."

§11 regelt die Behördenzuständigkeit und lautet folgendermaßen:

"Bescheide, Zuständigkeit und Verfahren

§11. (1) Für Entscheidungen nach diesem Gesetz ist die Landesregierung Behörde in erster Instanz.

(2) ...

(3) Bei antragsgemäßer Bewilligung ist nur über Verlangen der Betroffenen ein Bescheid zu erlassen.

(4) Beantragten Betroffene eine über die Grundversorgung hinausgehende Maßnahme und wird diese nicht gewährt, ist darüber jedenfalls bescheidmäßig abzusprechen.

(5) Gegen eine Entscheidung der Landesregierung ist eine Berufung zulässig. Darüber entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat. Einer Berufung kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden."

III. Erwägungen

Zu den Prozessvoraussetzungen:

1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder auf dem ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

2. Die Zulässigkeit einer Klage nach Art137 B VG

setzt somit u.a. voraus, dass eine bescheidmäßige Erledigung des Anspruches durch eine Verwaltungsbehörde nicht in Betracht kommt. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Wie sich aus der unter Pkt. II. dargestellten

Rechtslage ergibt, haben Asylwerber sowie bestimmte andere Fremde (darunter auch Fremde, wie der Kläger, denen kein Aufenthaltsrecht zukommt, und die aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbar sind) ex lege oder auf Antrag Anspruch auf Grundversorgungsleistungen nach dem Bgld. LBetreuG. In §5 Abs3 leg.cit. heißt es, dass die Leistungen der Grundversorgung für Fremde oder deren Angehörige nach Wahrung des Parteiengehörs eingeschränkt oder eingestellt werden können. Gemäß §11 leg.cit. sind für Entscheidungen nach dem Bgld. LBetreuG in erster Instanz die Landesregierung (§11 Abs1 leg.cit.) und in zweiter Instanz der Unabhängige Verwaltungssenat (§11 Abs5 leg.cit.) zuständig.

3. Demnach trifft die Landesregierung im Fall der Einschränkung oder Einstellung von Grundversorgungsleistungen die Pflicht zur rechtsgestaltenden Bescheiderlassung. Diese Auffassung vertreten im Übrigen sowohl die klagende als auch die beklagte Partei, wie dem unter Pkt. I. zusammengefassten Vorbringen entnommen werden kann. Ist also eine nach dem Bgld. LBetreuG anspruchsberechtigte Person der Ansicht, ihr werde - ohne dass dem ein entsprechender Bescheid vorausgegangen ist - die Grundversorgung zu Unrecht verweigert, kann sie bei der Landesregierung eine bescheidmäßige Erledigung beantragen.

Gegen die Entscheidung der Landesregierung, wie auch im Falle der Säumnis, kann beim Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland ein Rechtsmittel erhoben werden.

4. Da somit über den in der Klage geltend gemachten Anspruch mit Bescheid einer Verwaltungsbehörde abzusprechen ist, erweist sich die Klage als unzulässig und ist daher zurückzuweisen, ohne dass auf das weitere Vorbringen der beklagten Partei einzugehen war (vgl. VfSlg. 17.985/2006). Dem steht auch der vom Kläger bezogene Beschluss des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 18.447/2008 nicht entgegen, da das für den genannten Beschluss maßgebende Oberösterreichische Grundversorgungsgesetz die Erlassung eines Bescheides erst (auf Antrag) vorsieht, nachdem die Grundversorgung bereits faktisch entzogen wurde (s. VfSlg. 18.447/2008).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Klage ist daher zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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