JudikaturVfGH

G158/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
02. März 2012

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (im Folgenden: UVS Wien) ist ein Berufungsverfahren gegen einen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. Juli 2010 anhängig, mit dem über den Berufungswerber auch gemäß §66 Abs1 und 2 StVO 1960 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 und §1 Abs1 Z8 der Fahrradverordnung eine Geldstrafe in Höhe von € 35,-

(Ersatzfreiheitsstrafe 35 Stunden) verhängt wurde, weil er am 5. Mai 2009 vormittags in Wien in der Rotenturmstraße ein Fahrrad gelenkt hatte, das er nicht in einem den Produktsicherheitsbestimmungen für Fahrräder (Fahrradverordnung) entsprechenden Zustand erhalten hatte. Das Fahrrad hatte weder Reifen mit ringförmig zusammenhängend weiß oder gelb rückstrahlenden Seitenwänden noch Räder mit mindestens zwei nach beiden Seiten wirkenden gelben Rückstrahlern mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm² oder mit anderen rückstrahlenden Einrichtungen mit entsprechender Wirkung.

1.2. Aus Anlass dieses Berufungsverfahrens stellt der UVS Wien gemäß Art140 Abs1 iVm Art129a Abs3 und Art89 B-VG den Antrag, "§66 Abs1 zweiter Satz der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2005, wegen Widerspruchs zu Art18 B-VG, in eventu wegen Widerspruchs zu Art15 Abs1 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben".

1.3. Begründend führt der UVS Wien aus, die

angefochtene Bestimmung lasse nicht erkennen, wer Adressat der darin normierten "Erhaltungspflicht" sei, sie verstoße daher gegen das aus dem Legalitätsprinzip erfließende Bestimmtheitsgebot: Zusammen mit §99 Abs3 lita StVO 1960 werde zwar erkennbar, dass die Erhaltungspflicht den Lenker treffe, es bleibe aber unklar, wann und unter welchen Umständen diese Verpflichtung einsetze. Es bleibe nämlich einerseits offen, ob für die Annahme der den Lenker treffenden Erhaltungspflicht die Feststellung erforderlich sei, ob und wann zuvor das Fahrrad den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Fahrräder (Fahrradverordnung) entsprochen habe und anderseits, ob und wann die Verpflichtung eintrete, wenn das Fahrrad entgegen §1 Fahrradverordnung in einem nicht den Produktsicherheitsbestimmungen entsprechenden Zustand in Verkehr gebracht worden sei.

Das Lenken eines Fahrrades mit unzureichender

Beleuchtung während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder Nebel auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr sei bereits nach der straßenpolizeilichen und insoweit unbedenklichen Bestimmung des §60 Abs3 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 strafbar. Gäbe man §66 Abs1 StVO 1960 jedoch einen mit §102 Abs1 KFG (Pflichten des Fahrzeuglenkers) vergleichbaren Inhalt über die Pflichten des Fahrradlenkers, hieße das, dieser Bestimmung einen verfassungswidrigen, weil kompetenzwidrigen Inhalt zu unterstellen, weil der Verfassung ein mit dem Kompetenztatbestand "Kraftfahrwesen" korrespondierender Kompetenztatbestand "Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind" fehle. Eine solche Bestimmung falle daher unter die Generalklausel des Art15 Abs1 B-VG.

2. Die Bundesregierung, die die Prozessvoraussetzungen als gegeben erachtet, hält diesen Bedenken Folgendes entgegen:

2.1. "1. Zu den Bedenken hinsichtlich Art18 B-VG

1. §66 Abs1 zweiter Satz StVO 1960 enthält die Verpflichtung, Fahrräder, Fahrradanhänger und Kindersitze in einem Zustand zu erhalten, der den Produktsicherheitsbestimmungen für Fahrräder entspricht. Dabei verweist §66 Abs1 StVO 1960 auf §104 Abs8 StVO 1960. §104 Abs8 StVO 1960 sieht wiederum Übergangsregelungen bis zum Inkrafttreten einer Verordnung gemäß §8 Abs1 des Produktsicherheitsgesetzes 1994, BGBl. Nr. 63/1995, vor. Eine derartige Verordnung wurde mit der Fahrradverordnung, BGBl. II Nr. 146/2001, erlassen und ist mit 1. Mai 2001 in Kraft getreten.

2. Grundsätzlich ist anzumerken, dass zur Gewährleistung der Einhaltung der Ausrüstungsbestimmungen für Fahrräder zwei von einander getrennt zu betrachtende Regelungen bestehen: §1 Abs1 der Fahrradverordnung verpflichtet denjenigen, der Fahrräder in Verkehr bringt, diese Fahrräder in bestimmter Weise auszurüsten. Demgegenüber richtet sich §66 Abs1 StVO 1960 an denjenigen, der ein Fahrrad auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet (somit den Lenker). Diese beiden Verpflichtungen sind hinsichtlich ihrer jeweiligen Normadressaten unabhängig voneinander zu betrachten.

3. Die Bundesregierung teilt somit nicht die Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, dass die Bestimmung des §66 Abs1 zweiter Satz StVO 1960 'vorerst nicht erkennen' lässt, wer Adressat dieser 'Erhaltungspflicht' ist. Nach Auffassung der Bundesregierung kann vor dem Hintergrund des Geltungsbereichs der Straßenverkehrsordnung 1960, nämlich den Verkehr auf (bestimmten) Straßen und somit deren Benützung zu regeln, nicht zweifelhaft sein, dass sich die Verpflichtung des §66 Abs1 zweiter Satz StVO 1960 an den Lenker eines Fahrrades richtet. Wenn eine Person ein Fahrrad im Straßenverkehr benützt, trifft sie die Verpflichtung, dieses Fahrrad in technischer Hinsicht in einem solchen Zustand zu erhalten, wie es - entsprechend den Produktsicherheitsbestimmungen - in Verkehr gebracht wurde (vgl. dazu auch Pürstl, StVO12 [2007] §66 Anm. 1). Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch die angefochtene Regelung einer anderen Person als dem Lenker - etwa dem Händler für den Zeitraum nach dem Inverkehrbringen - eine Erhaltungspflicht auferlegt werden soll.

Weiters lässt sich - worauf der Unabhängige Verwaltungssenat Wien auch hinweist - auch der Strafbestimmung des §99 Abs3 lita StVO 1960 entnehmen, dass die Verpflichtung des §66 Abs1 zweiter Satz StVO 1960 den Lenker eines Fahrzeuges trifft. [...]

Im Ergebnis ergibt sich aus den genannten Rechtsvorschriften folgende eindeutige Rechtslage: Händler, Importeure und Hersteller dürfen nur Fahrräder in Verkehr bringen, die der Fahrradverordnung entsprechen. Der Lenker eines Fahrrades ist wiederum verpflichtet, das Fahrzeug in einem - den Erfordernissen der Fahrradverordnung entsprechenden - ordentlichen Zustand zu erhalten (vgl. Pürstl, StVO12, §66 Anm. 1).

4. Vor diesem Hintergrund vermag die Bundesregierung nicht zu erkennen, inwieweit die angefochtene Bestimmung Unklarheiten aufwerfen soll (wie dies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien vorbringt). Eine Unklarheit darüber, wann einen Lenker die Verpflichtung zur Erhaltung trifft, kann nicht gesehen werden, da die in §66 Abs1 zweiter Satz StVO 1960 normierte Verpflichtung eben dann besteht, wenn eine Person ein Fahrrad auf einer Straße im Anwendungsbereich der Straßenverkehrsordnung 1960 benützen will. Eine Feststellung dahingehend, ob und wann das Fahrrad zuvor den Produktsicherheitsbestimmungen entsprochen hat - wie dies vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien als Frage aufgeworfen wird -, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Relevanz. Ebenso ist es für die dem Lenker auferlegte Verpflichtung ohne Bedeutung, ob dem Lenken eines Fahrrades ein allfälliges rechtswidriges Verhalten des Inverkehrbringers vorausgegangen ist.

5. Zusammenfassend lässt sich nach Auffassung der Bundesregierung somit festhalten, dass §66 Abs1 zweiter Satz StVO 1960 dem Legalitätsprinzip und dem daraus erfließenden Bestimmtheitsgebot entspricht.

2. Zu den kompetenzrechtlichen Bedenken

1. In Gesetzgebung Bundessache und in Vollziehung Landessache sind gemäß Art11 Abs1 Z4 B-VG Angelegenheiten der Straßenpolizei. Darunter fallen ua. - siehe etwa die Darstellung im Erkenntnis VfSlg. 11.493/1987 - Regelungen, die der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs dienen, Regelungen, die aus dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis der überwiegenden Mehrheit der Straßenbenützer abzuleiten sind, sowie Vorschriften, die dem Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer vor Gefahren dienen, die von Verkehrsteilnehmern jeder Art herrühren. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt zum Umfang des Kompetenztatbestandes Straßenpolizei Stellung genommen. Diese Erkenntnisse lassen erkennen, dass der Gerichtshof diesem Tatbestand einen tendenziell weiten Umfang beimisst.

Unter Heranziehung des maßgeblichen Versteinerungsmaterials - dazu zählen die Regelungen des Bundesstraßengesetzes 1921 (BStG 1921), BGBl. Nr. 387/1921 - lässt sich ableiten, dass Vorschriften ua. 'zur Regelung und Sicherung des Verkehrs' als Regeln der Straßenpolizei zu qualifizieren sind. Die Materialien betonen weiters, dass durch die unter den Tatbestand Straßenpolizei fallenden Normen der Straßenkörper selbst und der auf diesem stattfindende Verkehr zu schützen ist. Die Normen der Straßenpolizei sollten folglich Vorsorge treffen gegen Gefahrenquellen, die auf das Verhalten der Straßenbenützer und der Anlieger der Straßen sowie die von diesen verwendeten Verkehrsmittel zurückzuführen sind (vgl. Hauenschild, Straßenverkehr und Kompetenzverteilung [2002], 211).

2. Nach Auffassung der Bundesregierung bietet der Regelungszweck der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs einen hinreichenden Anknüpfungspunkt dafür, eine Verpflichtung wie die hier gegenständliche vorzusehen. §66 Abs1 StVO 1960 verpflichtet den Lenker, sein Fahrrad in einem bestimmten Zustand zu erhalten. Es erscheint offensichtlich, dass Regelungen, die die Sicherstellung einer bestimmten Ausstattung (wie etwa das Vorhandensein von zwei voneinander unabhängig wirkenden Bremsvorrichtungen oder von bestimmten Rückstrahlern) anordnen, wesentlich zur Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs beitragen. Die Auferlegung der 'Erhaltungspflicht' dient der Vermeidung von Verkehrsunfällen und somit der Sicherheit des Straßenverkehrs. So wird etwa die Sicherheit des Verkehrs (insbesondere zu Nachtzeiten) zweifellos verbessert, wenn andere Verkehrsteilnehmer (wie etwa Kraftfahrzeuglenker) Fahrradfahrer besser wahrnehmen und somit rascher reagieren können.

3. Straßenpolizeilicher Natur sind auch Vorschriften, die dem Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer vor Gefahren dienen, die von Verkehrsteilnehmern jeder Art herrühren (siehe etwa VfSlg. 11.493/1987). Nutznießer der hier gegenständlichen Verpflichtung des §66 Abs1 StVO 1960, Fahrräder in einem bestimmten Zustand zu erhalten, sind aber gerade alle (übrigen) Verkehrsteilnehmer. Auch dieser Regelungszweck spricht für eine Zuordnung der Regelung zum Kompetenztatbestand Straßenpolizei.

Einer Zuordnung zur Straßenpolizei steht auch nicht entgegen, dass es sich um eine Regelung betreffend eine bestimmte Fahrzeugart handelt. So stellte der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich des in §42 StVO 1960 vorgesehenen Wochenendfahrverbots für LKW fest, dass es sich um eine Angelegenheit der Straßenpolizei handelt (vgl. VfSlg. 4243/1962). Der Verfassungsgerichtshof hat dabei die Nutznießer der Regelung und nicht die Gefahrenquelle, der begegnet werden sollte, als entscheidend für die kompetenzrechtliche Zuordnung angesehen. Somit kann auch eine auf Lenker von Fahrrädern beschränkte Regelung, die dem Schutz aller (übrigen) Verkehrsteilnehmer dient, als der Straßenpolizei zugehörig angesehen werden.

4. Die Reichweite der im Rahmen der Straßenpolizei möglichen Regelungen ist groß. Es fallen darunter Verhaltensvorschriften, deren Missachtung zu einem Schadenseintritt im Hinblick auf die genannten Schutzgüter führen kann. Auch der Regelungsgegenstand Ausstattung von Fahrzeugen lässt sich gestützt auf den Kompetenztatbestand Straßenpolizei normieren. Ähnlich wie bei allgemeinen, während der Fahrt einzuhaltenden Vorschriften (wie etwa dem Rechtsfahrgebot) besteht nämlich auch bei einer derartigen Vorschrift ein Zusammenhang zwischen Schadenseintritt und Gefahrenquelle (vgl. Hauenschild, Straßenverkehr und Kompetenzverteilung, 213). Gegenstand einer straßenpolizeilichen Regelung kann somit nicht nur das Verhalten von Verkehrsteilnehmern, sondern auch die Ausstattung von Fahrzeugen sein, mit denen am Verkehr teilgenommen wird.

5. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen teilt die Bundesregierung auch nicht die Schlussfolgerung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, dass aus dem Umstand, §66 Abs1 StVO 1960 habe einen mit §102 Abs1 KFG 1967 vergleichbaren Inhalt, geschlossen werden müsste, §66 Abs1 StVO 1960 habe einen kompetenzrechtswidrigen Inhalt.

Hinsichtlich der Angelegenheiten, die Kraftfahrzeuge und deren Lenker betreffen, besteht mit dem in Art10 Abs1 Z9 B-VG vorgesehenen Kraftfahrwesen ein eigener Kompetenztatbestand. Dazu gehören, wie auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien in Anlehnung an die Ausführungen im Erkenntnis VfSlg. 11.493/1987 vorgebracht wurde, die nach der Eigenart des Kraftfahrzeugs notwendigen verkehrspolizeilichen Bestimmungen bzw. Bestimmungen über die Beschaffenheit der Kraftfahrzeuge und ihren Betrieb. Es geht somit um die Abwehr besonderer Gefahren, die von besonderen Fahrzeugen herrühren.

Auf Grund der potentiellen Überschneidungen zwischen 'Straßenpolizei' und 'Kraftfahrwesen' ist eine Grenzziehung zwischen beiden Bereichen mitunter schwer.

Da Regelungsgegenstand, Regelungsinstrumentarium und Regelungszweck des Kraftfahrwesens im Wesentlichen polizeilicher Natur sind, lässt sich das Kraftfahrwesen - jedenfalls in Teilen - als 'Spezialstraßenpolizei' für Kraftfahrzeuge charakterisieren (vgl. Hauenschild, Straßenverkehr und Kompetenzverteilung, 230). Auch der Verfassungsgerichtshof erachtete die Regelung des (damaligen) §85 Abs2 KFG 1967, die den Lenker verpflichtete, ein Kraftfahrzeug in einem hierfür geeigneten körperlichen und geistigen Zustand zu lenken, als verkehrspolizeiliche Spezialregelung für Kraftfahrzeuge, die auf die in der Eigenheit der Kraftfahrzeuge gelegene Gefährlichkeit Bezug nimmt (vgl. VfSlg. 4180/1962, 4187/1962).

Die Zuordnung einer Regelung, die auf besondere

Gefahren durch Kraftfahrzeuge abstellt, zum Kraftfahrwesen schließt aber nicht aus, dass durch diese Regelung auch die Sicherheit der übrigen Straßenbenützer gewährleistet werden soll (vgl. etwa VfSlg. 8035/1977). Das Kraftfahrgesetz 1967 verpflichtet den Kraftfahrzeuglenker vor Inbetriebnahme des Kraftfahrzeugs ua. die gesetzlich vorgeschriebene Ausrüstung des Fahrzeugs im Bereich der Beleuchtung zu kontrollieren. Wenn die Straßenverkehrsordnung 1960 eine vergleichbare Regelung für Lenker von Fahrzeugen trifft, die nicht unter den 'spezialstraßenpolizeilichen' Kompetenztatbestand des Kraftfahrwesens fallen (wie etwa Fahrräder), dann spricht die Tatsache des Vorhandenseins einer vergleichbaren kraftfahrrechtlichen Regelung in keiner Weise gegen die Zulässigkeit einer entsprechenden straßenpolizeilichen Regelung. Vielmehr erscheint es auch vor dem Hintergrund des dargelegten Verhältnisses der beiden Kompetenztatbestände zueinander naheliegend, von einer Zuordnung der angefochtenen Regelung zum Kompetenztatbestand Straßenpolizei auszugehen.

6. Im Ergebnis spricht somit das Ziel des §66 Abs1 StVO 1966, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen und die Gefahren abzuwehren, die - auf Grund einer mangelhaften Ausstattung von Fahrzeugen - im Straßenverkehr bzw. bei der Benützung von Straßen entstehen können, dafür, eine derartige Regelung dem Kompetenztatbestand Angelegenheiten der Straßenpolizei zuzuordnen."

II. Rechtslage

1.1. §2 Abs1 Z22 der Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960, BGBl. 159/1960 in der nach wie vor in Geltung stehenden Fassung BGBl. I 92/1998 lautet:

"§2. Begriffsbestimmungen.

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

22. Fahrrad:

a) ein Fahrzeug, das mit einer Vorrichtung zur Übertragung der menschlichen Kraft auf die Antriebsräder ausgestattet ist,

b) ein Fahrzeug nach lita, das zusätzlich mit einem elektrischen Antrieb gemäß §1 Abs2a KFG 1967 ausgestattet ist (Elektrofahrrad),

c) ein zweirädriges Fahrzeug, das unmittelbar durch menschliche Kraft angetrieben wird (Roller), oder

d) ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug, dessen

Antrieb dem eines Elektrofahrrads im Sinne des §1 Abs2a KFG 1967 entspricht;"

1.2. §66 StVO 1960 in der nach wie vor in Geltung stehenden Fassung BGBl. I 52/2005 lautet (der angefochtene Satz ist hervorgehoben):

"Beschaffenheit von Fahrrädern, Fahrradanhängern und Kindersitzen

§66. (1) Fahrräder müssen der Größe des Benützers entsprechen. Fahrräder, Fahrradanhänger und Kindersitze müssen in einem Zustand erhalten werden, der den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Fahrräder (§104 Abs8) entspricht.

(2) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit und den Stand der Technik durch Verordnung festzulegen:

1. unter welchen Voraussetzungen bestimmte Teile der Ausrüstung von Fahrrädern oder Fahrradanhängern entfallen können;

2. unter welchen Voraussetzungen die Beförderung von Kindern in Kindersitzen oder Personen mit Fahrradanhängern und mehrspurigen Fahrrädern zulässig ist;

3. das Ladegewicht, das bei der Beförderung von

Lasten oder Personen mit Fahrrädern oder mit Fahrradanhängern nicht überschritten werden darf."

1.3. §99 Abs3 lita StVO 1960 in der nach wie vor in Geltung stehenden Fassung BGBl. I 93/2009 lautet:

"§99. Strafbestimmungen.

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,"

1.4. §104 Abs8 StVO 1960 in der nach wie vor in Geltung stehenden Fassung BGBl. I 52/2005 lautet:

"§104. Übergangsbestimmungen.

(8) Bis zum Inkrafttreten einer Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz gemäß §8 Abs1 Produktsicherheitsgesetz 1994, BGBl. Nr. 63/1995, sind die §§65 Abs3, 66 und 67, jeweils in der Fassung

BGBl. Nr. 518/1994, anstelle der §§65 Abs3, 66 und 67 in der Fassung BGBl. I Nr. 92/1998 anzuwenden."

2. Die Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie über Fahrräder, Fahrradanhänger und zugehörige Ausrüstungsgegenstände (Fahrradverordnung), BGBl. II 146/2001, lautet:

"Auf Grund des §66 Abs2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 134/1999, und auf Grund des §8 Abs1 des Produktsicherheitsgesetzes 1994, BGBl. Nr. 63/1995, wird - nach erfolgter Notifizierung gemäß der Richtlinie 98/34/EG des Rates vom 22. Juni 1998 (Notifikationsnummer 99/536 A) - hinsichtlich der Bestimmungen der §§1 Abs1 bis 3, 2, 3 Abs1, 4 Abs2, 5 Abs1 bis 3 sowie Abs5 und 6, 6 Abs2 und 3 sowie §8 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz, verordnet:

Allgemeines

§1. (1) Jedes Fahrrad, das in Verkehr gebracht wird, muss - sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt - ausgerüstet sein:

1. mit zwei voneinander unabhängig wirkenden Bremsvorrichtungen, mit denen auf trockener Fahrbahn eine mittlere Bremsverzögerung von 4 m/sec2 bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 20 km/h erreicht wird;

2. mit einer Vorrichtung zur Abgabe von akustischen Warnzeichen;

3. mit einem hellleuchtenden, mit dem Fahrrad fest verbundenen Scheinwerfer, der die Fahrbahn nach vorne mit weißem oder hellgelbem, ruhendem Licht mit einer Lichtstärke von mindestens 100 cd beleuchtet;

4. mit einem roten Rücklicht mit einer Lichtstärke von mindestens 1 cd;

5. mit einem weißen, nach vorne wirkenden

Rückstrahler mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2; der Rückstrahler darf mit dem Scheinwerfer verbunden sein;

6. mit einem roten, nach hinten wirkenden

Rückstrahler mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2; der Rückstrahler darf mit dem Rücklicht verbunden sein;

7. mit gelben Rückstrahlern an den Pedalen; diese

können durch gleichwertige Einrichtungen ersetzt werden;

8. mit Reifen, deren Seitenwände ringförmig zusammenhängend weiß oder gelb rückstrahlend sind, oder an jedem Rad mit mindestens zwei nach beiden Seiten wirkenden gelben Rückstrahlern mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2 oder mit anderen rückstrahlenden Einrichtungen, die in der Wirkung den zuvor genannten entsprechen;

9. wenn das Fahrrad für den Transport mehrerer

Personen bestimmt ist, für jede Person mit einem eigenen Sitz, mit einer eigenen Haltevorrichtung und eigenen Pedalen oder Abstützvorrichtungen.

(2) Bei bestimmungsgemäßer Verwendung von Fahrrädern abseits der Fahrbahn muss die Bremsverzögerung - unbeschadet des Abs1 Z1 - einen Wert erreichen, der einen sicheren Gebrauch des Fahrrades gewährleistet.

(3) Sofern Scheinwerfer oder Rücklicht mit einem Dynamo betrieben werden, gilt Abs1 Z3 und Z4 mit der Maßgabe, dass die dort genannte Wirkung ab einer Geschwindigkeit von 15 km/h erreicht werden muss.

(4) Bei Tageslicht und guter Sicht dürfen Fahrräder ohne die in Abs1 Z3 und 4 genannte Ausrüstung verwendet werden.

Mehrspurige Fahrräder

§2. Die Bestimmungen des §1 gelten für mehrspurige Fahrräder mit folgenden Maßgaben:

1. es müssen jeweils zwei Rücklichter und Rückstrahler in gleicher Höhe so angebracht sein, dass sie die seitliche Begrenzung des Fahrrades erkennen lassen;

2. die Bremsen müssen auf alle Räder und innerhalb einer Achse gleichzeitig und gleichmäßig wirken;

3. wenn das Fahrrad für den Transport mehrerer

Personen bestimmt ist, muss abweichend von §1 Abs1 Z9 für jede beförderte Person lediglich ein eigener Sitz vorhanden sein.

Bestimmungen über das Ziehen von Anhängern

§3. (1) Für Fahrräder, die einen Anhänger ziehen,

gelten außer den Vorschriften der §§1 und 2 noch folgende Bestimmungen:

1. der Tretmechanismus des Fahrrades muss zumindest eine Gangstufe mit einer Entfaltung von höchstens 4 m pro Kurbelumdrehung aufweisen;

2. wenn mit dem Anhänger Kinder befördert werden, ist das Fahrrad oder der Anhänger so auszurüsten, dass ein Berühren der Speichen durch beförderte Kinder und ein Einklemmen von Gliedmaßen zwischen Hinterrad und Radabdeckung ausgeschlossen ist;

3. das Fahrrad muss über einen Fahrradständer

verfügen.

(2) Rennfahrräder dürfen nicht zum Ziehen von

Anhängern verwendet werden.

Rennfahrräder

§4. (1) Als Rennfahrrad gilt ein Fahrrad mit

folgenden technischen Merkmalen:

1. Eigengewicht des fahrbereiten Fahrrades höchstens 12 kg;

2. Rennlenker;

3. äußerer Felgendurchmesser mindestens 630 mm und

4. äußere Felgenbreite höchstens 23 mm.

(2) Rennfahrräder dürfen ohne die in §1 Abs1 Z2 bis 8 genannte Ausrüstung in Verkehr gebracht werden; bei Tageslicht und guter Sicht dürfen Rennfahrräder ohne diese Ausrüstung verwendet werden.

Fahrradanhänger

§5. (1) Jeder Fahrradanhänger, der in Verkehr

gebracht wird, muss ausgestattet sein:

1. mit einer vom Fahrrad unabhängigen Lichtanlage,

2. mit einem roten Rücklicht,

3. vorne mit einem weißen und hinten mit einem roten Rückstrahler; die roten Rückstrahler dürfen mit den Rücklichtern verbunden sein; sowie

4. jeweils einem gelben Rückstrahler an den

seitlichen Flächen.

Bei Anhängern, die breiter als 60 cm sind, sind

jeweils zwei Rücklichter sowie zwei weiße und zwei rote Rückstrahler so anzubringen, dass die Breite des Anhängers zweifelsfrei erkennbar ist. Sämtliche Rückstrahler müssen eine rückstrahlende Fläche von jeweils mindestens 20 cm2 aufweisen.

(2) Fahrradanhänger sind einachsig und mit einer Radblockiereinrichtung, die auf beide Räder wirkt, oder einer Feststellbremse auszustatten.

(3) Zum Personentransport bestimmte Fahrradanhänger müssen unabhängig von Abs1 und 2 zusätzlich ausgerüstet sein:

1. mit geeigneten Rückhalteeinrichtungen,

2. mit einer mindestens 1,5 m hohen, biegsamen Fahnenstange mit leuchtfarbenem Wimpel und

3. mit einer Vorrichtung, die zur Abdeckung der Speichen und der Radhäuser und gegenüber Hinausbeugen und gegenüber Kontakt der Beine mit der Fahrbahn wirksam ist.

(4) Personen dürfen nur in Fahrradanhängern befördert werden, die zum Personentransport bestimmt sind (Abs3). Die Angaben des Herstellers über Gewicht, Größe und Anzahl der zu transportierenden Personen sind einzuhalten. Die Befestigung am Fahrrad darf ausschließlich über eine betriebssichere Kupplung erfolgen.

(5) Die Beschaffenheit der Kupplung muss

gewährleisten, dass der Anhänger aufrecht stehen bleibt, wenn das Zugfahrrad umkippt.

(6) Fahrradanhänger dürfen nur zusammen mit

1. einer leicht verständlichen Betriebsanleitung für die sichere Befestigung am Fahrrad

a) in deutscher Sprache oder

b) in Form einer bildlichen Darstellung und

2. sofern der Anhänger für den Personentransport

bestimmt ist, einem Sicherheitshinweis

a) in deutscher Sprache laut Anhang I oder

b) in bildlicher Darstellung, wobei die Inhalte laut Anhang I dargestellt werden müssen,

in Verkehr gebracht werden.

Kindersitze

§6. (1) Der für ein mitfahrendes Kind bestimmte Sitz muss mit dem Fahrradrahmen fest verbunden sein. Der Sitz ist hinter dem Sattel so anzubringen, dass der Fahrer nicht in seiner Sicht, Aufmerksamkeit oder Bewegungsfreiheit behindert oder in seiner Sicherheit gefährdet werden kann. Die Beförderung von mehr als einem Kind ist unzulässig.

(2) Jeder Kindersitz, der in Verkehr gebracht wird, muss ausgestattet sein:

1. mit einem Gurtsystem, das vom Kind nicht leicht geöffnet werden kann,

2. mit einem höhenverstellbaren Beinschutz,

3. mit Fixierriemen für die Füße und

4. mit einer Lehne, die das Abstützen des Kopfes

erlaubt.

(3) Kindersitze dürfen nur mit einem Sicherheitshinweis

1. in deutscher Sprache laut Anhang II oder

2. in bildlicher Darstellung, wobei sämtliche Inhalte laut Anhang II dargestellt werden müssen,

in Verkehr gebracht werden.

Ladegewicht

§7. Das Ladegewicht darf bei der Beförderung von

Lasten oder Personen nicht überschreiten:

1. bei mehrspurigen Fahrrädern 250 kg,

2. bei durchgehend- und auflaufgebremsten Anhängern 100 kg,

3. bei ungebremsten Anhängern 60 kg.

Gleichwertigkeitsklausel

§8. Von den in den §§1 bis 7 beschriebenen

Anforderungen für Fahrräder, Fahrradanhänger und zugehörige Ausrüstungsgegenstände darf dann abgegangen werden, wenn diese in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie in anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den EWR rechtmäßig hergestellt oder in Verkehr gebracht werden dürfen und die Anforderungen dasselbe Niveau für den Schutz der Gesundheit und für die Verkehrssicherheit gewährleisten, wie in dieser Verordnung verlangt.

Inkrafttreten

§9. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Mai 2001 in Kraft.

(2) Mit Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 24. April 1986 über die technischen Merkmale von Rennfahrrädern, BGBl. Nr. 242/1986, außer Kraft.

Übergangsbestimmungen

§10. (1) Fahrräder, die beim Inkrafttreten dieser Verordnung in Verwendung stehen und den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 idF der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, nicht aber dieser Verordnung entsprechen, sind innerhalb von zwei Jahren ab dem Inkrafttreten entsprechend dieser Verordnung nachzurüsten; bis zu diesem Zeitpunkt dürfen sie weiter verwendet werden.

(2) Fahrradanhänger, die nicht den Bestimmungen

dieser Verordnung entsprechen und bezüglich derer vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung die Beförderung von Personen durch die Behörde bewilligt wurde, gelten als dieser Verordnung entsprechende Anhänger, sofern der Bewilligungsbescheid während der Beförderung mitgeführt wird."

3. Die hier maßgeblichen Gesetzesmaterialien zu §66 StVO 1960 lauten (RV 713 BlgNR XX. GP, S 15):

" Zu Z26 (§66):

Es ist beabsichtigt, die bisher im §66 enthaltenen technischen Vorschriften für Fahrräder und Fahrradanhänger, soweit sie mit Fortschreiten der technischen Entwicklung ebenfalls einem technischen Wandel unterliegen, auf Verordnungsebene zu regeln. Mit dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen werden die bisher in dieser Bestimmung enthaltenen Ausrüstungsbestimmungen nicht mehr anzuwenden sein (siehe hierzu auch Z25, §65 Abs3, und Z48 zu §104 Abs8).

Diese technischen Bestimmungen stellen sich

allerdings nicht mehr als eine Angelegenheit der Straßenpolizei dar, sodaß eine solche Verordnung nicht auf die Straßenverkehrsordnung gestützt werden kann. Da sich diese Bestimmungen in erster Linie an Hersteller, Importeure usw. richten, stellt sich das Produktsicherheitsgesetz 1994, BGBl. Nr. 63/1995 (siehe hierzu auch die Erläuterungen zu Z48), als geeignete verfassungsmäßige Grundlage für eine solche Verordnung dar. Andererseits sind diese Regelungen zum Teil aber eng mit Verhaltensbestimmungen für Radfahrer verbunden; für diese wurde daher in Abs2 eine Verordnungsermächtigung geschaffen.

Es wird zukünftig in der Straßenverkehrsordnung nur noch die Bestimmung geben, daß Fahrräder in technischer Hinsicht in einem solchen Zustand erhalten werden müssen, wie sie - entsprechend den Produktsicherheitsbestimmungen - in Verkehr gebracht wurden. Das Zusammenspiel dieser Regelungen bewirkt folgende Rechtslage, die auch der realen Verteilung der Verantwortlichkeiten entspricht: Händler, Importeure usw. dürfen nur Fahrräder in Verkehr bringen, die der zukünftigen Verordnung entsprechen; die Benützer dieser Fahrräder sind verpflichtet, die Fahrzeuge in einem ordentlichen Zustand zu erhalten."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung den antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenat an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden unabhängigen Verwaltungssenates im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).

1.2. Regelungsgegenstand der angefochtenen Bestimmung sind Fahrräder, Fahrradanhänger und Kindersitze. Ihres sachlichen Zusammenhanges wegen bilden sie eine untrennbare Einheit, sodass es jedenfalls denkmöglich ist, dass der UVS Wien die Bestimmung im angefochtenen Umfang in dem seinem Antrag zugrundeliegenden Berufungsverfahren anzuwenden hat.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Die angefochtene Bestimmung verweist auf die in der Fahrradverordnung festgehaltenen Produktsicherheitsbestimmungen und unterstellt, dass Fahrräder, Fahrradanhänger und Kindersitze in einem diesen Bestimmungen entsprechenden Zustand in Verkehr gebracht wurden. Insoweit richtet sich die Fahrradverordnung einerseits an jene Personen, die Fahrräder, Fahrradanhänger und Kindersitze in Verkehr bringen. Anderseits normiert die Fahrradverordnung im Zusammenhalt mit §66 Abs1 zweiter Satz StVO 1960 auch Lenkerpflichten, die dann eintreten, wenn ein Fahrrad, ein Fahrradanhänger oder ein Kindersitz auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden. Der Wortlaut des §66 Abs1 zweiter Satz StVO 1960 lässt vor dem Hintergrund des Geltungsbereiches der StVO 1960 (§1 StVO 1960) keinen anderen Schluss zu, als dass die Erhaltungspflicht denjenigen trifft, der ein Fahrrad, einen Fahrradanhänger oder einen Kindersitz auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zum Einsatz bringt. Dafür sprechen auch die oben angeführten Gesetzesmaterialien (vgl. "Verhaltensbestimmungen für Radfahrer"), die keinen Anhaltspunkt dafür enthalten, dass §66 Abs1 zweiter Satz StVO 1960 einer anderen Person als dem Lenker des Fahrrades - etwa dem Händler oder Importeur für den Zeitraum nach dem Inverkehrbringen - eine Erhaltungspflicht auferlegen wollte. Diese Sichtweise wird durch die Strafbestimmung des §99 Abs3 lita StVO 1960 bestätigt, wonach eine Verwaltungsübertretung begeht, "wer als Lenker eines Fahrzeuges [...] gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt [...]". Die angefochtene Bestimmung entspricht damit dem Legalitätsprinzip und dem daraus erfließenden Bestimmtheitsgebot. Da sich die Pflicht, Fahrräder, Fahrradanhänger und Kindersitze bei Verwendung im öffentlichen Straßenverkehr in einem der Fahrradverordnung entsprechenden Zustand zu erhalten, an den Lenker des Fahrrades richtet, ist die vom UVS Wien aufgeworfene Frage der Notwendigkeit einer Feststellung darüber, ob und wann das Fahrrad vor der festgestellten Übertretung den Produktsicherheitsbestimmungen entsprochen hat, im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang. Gleiches gilt für die Frage, ob der Verletzung der Erhaltungspflicht ein rechtswidriges Verhalten des Inverkehrbringers vorausgegangen ist.

2.3. Zu den kompetenzrechtlichen Bedenken:

Der Verfassungsgesetzgeber hat es vor dem Hintergrund der stetig steigenden Anzahl von am Straßenverkehr teilnehmenden Kraftfahrzeugen, deren rasanter technischer Fortentwicklung und der mit dem Einsatz solcher Fahrzeuge verbundenen spezifischen Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer im Hinblick auf den damit einhergehenden besonderen Regelungsbedarf für erforderlich angesehen, einen eigenen Kompetenztatbestand "Kraftfahrwesen" zu schaffen. Er hat dabei aus dem Kompetenztatbestand "Straßenpolizei" alle Angelegenheiten herausgelöst, die - motorbetriebene - Kraftfahrzeuge und deren Lenker betreffen, sohin nach der Eigenart der Kraftfahrzeuge notwendige verkehrspolizeiliche Bestimmungen, Regelungen über die Beschaffenheit (Ausstattung) und den Betrieb von Kraftfahrzeugen (VfSlg. 2977/1956, 3924/1961, 4180/1962, 4187/1962, 4243/1962, 8035/1977, 11.493/1987) sowie solche betreffend die Verfassung des Lenkers, wenn dieser im Hinblick auf die spezifische Beschaffenheit von Kraftfahrzeugen eine besondere Bedeutung zukommt (VfSlg. 15.885/2000). Angelegenheiten der nicht motorbetriebenen Fahrzeuge (etwa Fahrräder und Fuhrwerke) blieben im Kompetenztatbestand "Straßenpolizei" belassen.

Der Verfassungsgerichtshof hat zur Abgrenzung

zwischen den Kompetenztatbeständen "Kraftfahrwesen" gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG und "Straßenpolizei" gemäß Art11 Abs1 Z4 B-VG in zahlreichen Erkenntnissen Stellung genommen (zuletzt VfSlg. 15.885/2000) und dies etwa im Erkenntnis

VfSlg. 11.493/1987 wie folgt zusammengefasst:

"a) Nach der Rechtsprechung des VfGH fallen unter den Kompetenztatbestand 'Straßenpolizei' Regelungen, die der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs dienen (verkehrssichernde Maßnahmen; VfSlg. 4381/1963, 4605/1963, 6089/1969, 6880/1972); insbesondere auch Vorschriften, die die Erfordernisse der Verkehrsregelung und der Verkehrssicherung betreffen, denen die Straßen in bezug auf ihre Ausstattung mit den Verkehr regelnden und sichernden Einrichtungen entsprechen müssen (VfSlg. 4349/1963, 5951/1969). Dem Kompetenztatbestand 'Straßenpolizei' sind ferner Regelungen zu unterstellen, die aus dem technischen Zustand der Straße oder des Straßennetzes oder aus dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis der überwiegenden Mehrheit der Straßenbenützer abzuleiten sind

(VfSlg. 4243/1962, 8013/1977 und 8035/1977). Vorschriften, die dem Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer vor Gefahren dienen, die von Verkehrsteilnehmern jeder Art herrühren, sind straßenpolizeilicher Natur (VfSlg. 8035/1977, S 264).

b) Der Kompetenztatbestand 'Kraftfahrwesen' umfaßt alle Angelegenheiten, die das Kraftfahrzeug und seinen Lenker betreffen (VfSlg. 2977/1956). Dazu gehören die nach der Eigenart des Kraftfahrzeuges notwendigen verkehrspolizeilichen Bestimmungen (VfSlg. 2977/1956, 3924/1961, 4180/1962, 4243/1962, 4381/1963, 8035/1977), ferner die Bestimmungen über die Beschaffenheit der Fahrzeuge und ihren Betrieb

(VfSlg. 2977/1956, 4180/1962, 4243/1962). Der Kompetenztatbestand umfaßt alles, was sich auf die Ausstattung und den Betrieb von (Kraft )Fahrzeugen sowie auf den Verkehr von (Kraft )Fahrzeugen auf öffentlichen Verkehrsflächen bezieht (VfSlg. 8035/1977). Die Zuordnung einer Regelung zum Kompetenztatbestand 'Kraftfahrwesen' wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß durch sie unter anderem auch die Sicherheit der übrigen Straßenbenützer gewährleistet werden soll (VfSlg. 8035/1977, S 261, 264). Für die Zuordnung einer Regelung zum 'Kraftfahrwesen' kommt es darauf an, daß die zu bekämpfenden Gefahren nicht von Verkehrsteilnehmern jeder Art herrühren, sondern spezifisch von (bestimmten) Kraftfahrzeugen (VfSlg. 8035/1977, S 264)."

Aus den angeführten Erkenntnissen lässt sich

ableiten, dass eine Regelung jedenfalls dann straßenpolizeilicher Natur ist, wenn sie der Sicherheit des Straßenverkehrs dient, indem sie verkehrssichernde Maßnahmen trifft und den Schutz aller Verkehrsteilnehmer vor Gefahren im Auge hat, die von Verkehrsteilnehmern jeder Art herrühren.

Diese vom Verfassungsgerichtshof in seiner

Rechtsprechung entwickelten Kriterien beziehen sich ausschließlich darauf, wie der Kompetenztatbestand "Kraftfahrwesen" von jenem der "Straßenpolizei" abzugrenzen ist. Dementsprechend ist es zulässig, Ausstattungsmerkmale nicht motorbetriebener Fahrzeuge unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs als straßenpolizeiliche Regelungen zu qualifizieren. Die hier angefochtenen Regelungen dienen solchen straßenpolizeilichen Zwecken:

2.4. Mit der Verpflichtung des Lenkers eines Fahrrades, im Straßenverkehr nur ein der Fahrradverordnung entsprechendes Fahrrad bzw. einen der Verordnung entsprechenden Fahrradanhänger oder Kindersitz zu verwenden, soll all jenen Gefahren begegnet werden, die spezifisch aus der Verwendung von Fahrrädern im Verkehr auf öffentlichen Straßen herrühren. Dies betrifft zu allererst Gefahren, die sich daraus ergeben, dass Fahrräder im Straßenverkehr schwerer als Autos wahrnehmbar sind. Da die Benützung von Fahrrädern nahezu lautlos erfolgt, kommt der Ausstattung von Fahrrädern und Fahrradanhängern mit reflektierenden oder leuchtenden Einrichtungen eine wesentliche Bedeutung zu. Auch die für Fahrradanhänger und Kindersitze vorgesehenen Ausstattungsvorschriften verfolgen den Zweck der sicheren Verwendung im Straßenverkehr. Es geht nicht darum, wie der UVS Wien meint, aus der Eigenart (VfSlg. 8.013/1977) oder aus der eigentümlichen Beschaffenheit von Kraftfahrzeugen (VfSlg. 8035/1977) abzuleitende Gefahren hintanzuhalten, sondern vielmehr darum, jene spezifisch mit der Nutzung von Fahrrädern im allgemeinen Verkehr einhergehende Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer zu minimieren. Die Regelung steht damit nicht nur im Interesse der Radfahrer selbst, sondern auch in jenem aller übrigen Straßenbenützer. §66 Abs1 StVO 1960 verfolgt also ganz allgemein den Zweck, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen und dient damit zweifellos dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis aller Straßenbenützer.

Vor diesem Hintergrund ist die angefochtene

Bestimmung nach ihrem Regelungsgegenstand, Regelungsinstrumentarium und Regelungszweck dem Kompetenztatbestand "Straßenpolizei" zuzuordnen. Sie stützt sich daher zu Recht auf den Kompetenztatbestand "Straßenpolizei" gemäß Art11 Abs1 Z4 B-VG.

2.5. Die vom UVS Wien vorgebrachten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §66 Abs1 zweiter Satz StVO 1960 treffen daher nicht zu.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Erwägungen

1. Der Antrag ist daher als unbegründet abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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