U1558/11 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Die Entscheidung wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.400,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 5. Dezember 2010 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 5. Dezember 2010 führte er zunächst an, am 27. September 1993 geboren und daher minderjährig zu sein. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er in seiner Heimat von Mitgliedern der Taliban bedroht und gefoltert worden sei, da er eine Militärschule in Kabul besucht sowie es abgelehnt habe, die Taliban-Milizen zu unterstützen.
2. Das Bundesasylamt (in der Folge: BAA) beauftragte das Ludwig Boltzmann-Institut für klinisch-forensische Bildgebung (in der Folge: Ludwig Boltzmann-Institut) mit der Durchführung einer multifaktoriellen Altersdiagnose und der Feststellung eines Mindestalters des Beschwerdeführers. Das Gesamtgutachten des Ludwig Boltzmann-Instituts vom 10. Jänner 2011, welches sich aus einem Gutachten zur körperlichen Untersuchung, aus einem radiologischen Gutachten zum Röntgenbild des linken Handgelenks und zum CT-Bild der Schlüsselbeine des Beschwerdeführers sowie aus einem zahnärztlichen Befund und Gutachten zusammensetzt, kam zusammenfassend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 17 Jahren aufgewiesen hätte, wobei das wahrscheinlichste chronologische Alter über diesem Mindestalter gelegen wäre. Das zum Zeitpunkt der Untersuchung geltend gemachte Alter von 17 Jahren hätte laut dem Gesamtgutachten aufgrund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht ausgeschlossen werden können.
3. Nach einer im Rahmen des Eurodac-Systems durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlung des Beschwerdeführers wurde dieser bereits am 21. November 2010 in Italien erkennungsdienstlich behandelt. Mit Schreiben vom 7. Februar 2011 antworteten die zuständigen italienischen Behörden auf das vom BAA gemäß Art21 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. 2003 L 50, S 1 (in der Folge: Dublin II-VO) gestellte Informationsersuchen und führten aus, dass der Beschwerdeführer in Italien unter dem Namen Q B, geboren am 1. Jänner 1992, erkennungsdienstlich behandelt worden sei. In der Folge übermittelte das BAA ein Aufnahmeersuchen gemäß Art10 Abs1 Dublin II-VO an Italien, auf welches die italienischen Behörden nicht reagierten, weshalb das BAA diesen in weiterer Folge mittels Schreiben vom 14. März 2011 mitteilte, dass aufgrund von Verfristung nach Art18 Abs7 Dublin II-VO Italien für die inhaltliche Prüfung zuständig sei.
4. Aufgrund der geführten Dublin-Konsultationen beauftragte das BAA abermals das Ludwig Boltzmann-Institut mit der Erstellung eines ergänzenden Gutachtens, welches insbesondere die Frage beantworten sollte, ob das von den italienischen Behörden angeführte Geburtsdatum des Beschwerdeführers (1. Jänner 1992) in den erhobenen Befunden Deckung findet. Aus dem ergänzenden Gutachten des Ludwig Boltzmann-Instituts vom 5. April 2011 geht zunächst hervor, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Untersuchungen am 17. Dezember 2010 ein "wahrscheinlichstes Lebensalter" von ca. 18 bis 20 Jahren aufweise, wobei sich unter Berücksichtigung einer Schwankungsbreite von bis zu zwei Jahren ein Mindestalter von 17 Jahren ergebe. Das von den italienischen Behörden angeführte Geburtsdatum des Beschwerdeführers, aus dem sich ein Alter von 18 Jahren und 11 Monaten zum Untersuchungszeitpunkt ergebe, könne aufgrund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht ausgeschlossen werden.
5. In der Folge wies das BAA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 19. April 2011 gemäß §5 Abs1 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 135/2009 (in der Folge: AsylG 2005), als unzulässig zurück und stellte fest, dass für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art10 Abs1 Dublin II-VO Italien zuständig sei. Zudem wies das BAA den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs1 Z1 AsylG 2005 nach Italien aus.
6. Mit Stellungnahme vom 27. April 2011 brachte das Magistrat Graz, Amt für Jugend und Familie, welches mit Obsorgebeschluss des Bezirksgerichts Graz West vom 13. April 2011, Z15 Ps 46/11 h, zum gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers bestellt worden war, eine Kopie seiner Geburtsurkunde in Vorlage. Aus dieser gehe laut des gesetzlichen Vertreters des Beschwerdeführers hervor, dass dieser minderjährig sei und dahingehend richtige Angaben getätigt habe. Zudem habe er in Italien den 1. Jänner 1992 nie als sein Geburtsdatum angegeben, da er nicht danach gefragt worden sei.
7. Die gegen den Bescheid des BAA vom 19. April 2011 erhobene Beschwerde vom 13. Mai 2011 wies der Asylgerichtshof mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung vom 5. Juli 2011 gemäß §5 AsylG 2005 als unbegründet ab und stellte fest, dass die vom BAA nach §10 AsylG 2005 verfügte Ausweisung gemäß §41 Abs6 AsylG 2005 zum Zeitpunkt ihrer Erlassung rechtmäßig gewesen sei. Der Asylgerichtshof führte dabei aus, sich im Hinblick auf die festgestellte Volljährigkeit des Beschwerdeführers den Ausführungen des BAA anzuschließen. Sowohl das Gesamtgutachten als auch das ergänzende Gutachten seien zum selben Ergebnis gekommen, nämlich dass der Beschwerdeführer ein Mindestalter von 17 Jahren aufweise. Das Gesamtgutachten habe mit seinem Hinweis, dass das wahrscheinlichste chronologische Alter über dem festgestellten Mindestalter liege, eigentlich schon die Ausführungen im ergänzenden Gutachten, wonach aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer zum Untersuchungszeitpunkt 18 Jahre und 11 Monate alt gewesen sei, sowie das vom Beschwerdeführer in Italien angegebene Geburtsdatum vorweg bestätigt. Hinsichtlich der nunmehr vorgelegten Kopie der Geburtsurkunde schließe sich der Asylgerichtshof den Ausführungen des BAA an, wonach es notorisch sei, dass in Afghanistan gefälschte Dokumente und Bescheinigungen jeglichen Inhalts erhältlich seien. Der Beschwerdeführer habe die Geburtsurkunde erst nach der Konfrontation mit dem Ergebnis der Altersfeststellung und nach der Beratung mit seinem Bruder und seiner rechtsfreundlichen Vertreterin ins Spiel gebracht, weshalb das BAA den richtigen Schluss gezogen habe, dass es sich bei dieser lediglich um ein Gefälligkeitsschreiben handeln würde. Zudem habe der Beschwerdeführer lediglich eine Kopie seiner Geburtsurkunde in Vorlage gebracht, was ebenfalls darauf schließen lasse, dass das Original einer Echtheitsüberprüfung vermutlich nicht standhalten würde. Schließlich habe der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner angeblichen Minderjährigkeit weder schlüssige und plausible Angaben gemacht noch habe er seine Minderjährigkeit durch taugliche Bescheinigungsmittel belegen können. Im Ergebnis sei das BAA daher korrekterweise von der Volljährigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen, womit die Zuständigkeit Italiens zur inhaltlichen Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz vorliege, welche überdies von Italien auch nicht bestritten worden sei.
8. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art144a B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. 390/1973 sowie auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.
9. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde abzuweisen.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005
lauten auszugsweise:
"Zuständigkeit eines anderen Staates
§5 (1) Ein nicht gemäß §4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
(2) - (3) [...]
Mitwirkungs- und Meldepflichten Mitwirkungspflichten von Asylwerbern im Verfahren
§15 (1) Ein Asylwerber hat am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er
1. ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen;
2. - 5. [...]
6. eine behauptete und auf Grund der bisher
vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zweifelhafte Minderjährigkeit, auf die er sich in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen. Gelingt dies dem Fremden nicht, kann das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof im Rahmen einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose auch die Vornahme radiologischer Untersuchungen, insbesondere Röntgenuntersuchungen, anordnen. Jede Untersuchungsmethode hat mit dem geringst möglichen Eingriff zu erfolgen. Die Mitwirkung des Fremden an einer radiologischen Untersuchung ist nicht mit Zwangsmittel durchsetzbar (Abs1 Z2 letzter Satz). Bestehen nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel, so ist zu Gunsten des Fremden von seiner Minderjährigkeit auszugehen;
7. [...]
(2) - (4) [...]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin II-VO
lauten auszugsweise:
"Artikel 3
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) - (4) [...]
Artikel 5
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) [...]
Artikel 6
Handelt es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, für die Prüfung seines Antrags zuständig, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt. Ist kein Familienangehöriger anwesend, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat, zuständig.
Artikel 10
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) [...]"
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden,
nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit.
gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
2. Ein derartiger Fehler ist dem Asylgerichtshof unterlaufen:
2.1. Zunächst hat der Asylgerichtshof den Inhalt des §15 Abs1 Z6 AsylG 2005 in der Anwendung auf den Beschwerdeführer grob verkannt: Aus den vom BAA eingeholten Gesamtgutachten bzw. Ergänzungsgutachten geht hervor, dass der Beschwerdeführer ein Mindestalter von 17 Jahren und ein "wahrscheinlichstes Lebensalter" von 18 bis 20 Jahren aufweise. Gemäß §15 Abs1 Z6 letzter Satz AsylG 2005 ist jedoch zu Gunsten des Betroffenen von seiner Minderjährigkeit auszugehen, sofern nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel an seiner Volljährigkeit bestehen (vgl. hiezu auch die - der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgende - Judikatur des Asylgerichtshofes, wonach im Zweifelsfall von dem vom Asylwerber angegebenen Geburtsdatum auszugehen ist: AsylGH 22.1.2009, S2 400.901-2/2009; 27.1.2009, S5 260.806-0/2009). Nach den dem Asylgerichtshof zur Verfügung stehenden Gutachten in Zusammenschau mit den Angaben der italienischen Behörden stand im vorliegenden Fall die Volljährigkeit des Beschwerdeführers keineswegs zweifelsfrei fest, weshalb bei diesem Verfahrensstand gemäß §15 Abs1 Z6 AsylG 2005 von der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers auszugehen gewesen wäre.
2.2. Darüber hinaus hat der Asylgerichtshof Willkür durch Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt geübt, indem er hinsichtlich der vorgelegten Kopie der Geburtsurkunde keinerlei Überprüfungen getätigt hat. Den Erläuterungen zu §15 Abs1 Z6 AsylG 2005 (RV 330 BlgNR 24. GP) ist zu entnehmen, dass sich aus dieser Bestimmung keine Beweislastumkehr oder ein Abgehen vom amtswegigen Ermittlungsgrundsatz ergibt. Die vom Asylgerichtshof getroffene Annahme, das Original der Geburtsurkunde würde vermutlich einer Echtheitsüberprüfung nicht standhalten, weshalb der Beschwerdeführer lediglich eine Kopie vorgelegt habe, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr hätte der Asylgerichtshof den Beschwerdeführer zur Vorlage des Originals der Geburtsurkunde auffordern müssen, um dieses in der Folge - unter Umständen mittels kriminaltechnischer Untersuchung - hinsichtlich seiner Echtheit eingehender zu überprüfen. Die Authentizität der beigebrachten Geburtsurkunde kann jedenfalls nicht bereits deshalb in Zweifel gezogen werden, weil diese nur in Kopie in Vorlage gebracht wurde.
2.3. Im Übrigen wurde die Obsorge und Vertretung des Beschwerdeführers durch Beschluss des Bezirksgerichts Graz West dem Magistrat Graz, Amt für Jugend und Familie, übertragen. Der Asylgerichtshof führt in seiner Judikatur selbst aus, dass Beschlüsse von Bezirksgerichten hinsichtlich der Übertragung der Obsorge verbindlich sind (s. AsylGH 14.7.2008, S4 400.130-1/2008).
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die Vorgehensweise des Asylgerichtshofes im Hinblick auf die festgestellte Volljährigkeit des Asylwerbers - welche im vorliegenden Fall von besonderer Relevanz ist, da bei Minderjährigkeit des Beschwerdeführers gemäß Art6 2. Satz Dublin II-VO Österreich für die inhaltliche Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständig wäre - stellt daher aufgrund des groben Verkennens des Inhalts des §15 Abs1 Z6 AsylG 2005 iVm dem Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt im Ergebnis eine Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander dar.
2. Die angefochtene Entscheidung war daher
aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 iVm §88a
VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.