JudikaturVfGH

G131/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
08. März 2012

Spruch

1. Der Hauptantrag, das Wort "ausschließlich" in §17 Abs5 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 zusammen mit §30 Abs8 Z1 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 aufzuheben, wird zurückgewiesen.

2. Der Eventualantrag, das Wort "ausschließlich" in §17 Abs5 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 aufzuheben, wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt und Vorverfahren

1. Die antragstellende Gesellschaft ist Eigentümerin einer Liegenschaft außerhalb des geschlossenen, bebauten Ortsgebietes im Bereich der Stadtgemeinde Mistelbach in Niederösterreich. Für diese Liegenschaft hat der Bürgermeister der Stadtgemeinde Mistelbach am 11. Oktober 2005 die baubehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Möbelmarkts mit einer Netto-Möbelverkaufsfläche von 1030 m² und einer zusätzlichen Fläche von 956 m² für zentrumsrelevante Waren im Sinne des §17 Abs5 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 1976 (in der Folge: NÖ ROG) erteilt. Die antragstellende Gesellschaft beabsichtigt nun, den Verwendungszweck bisheriger Lagerräume in Möbelverkaufsfläche zu ändern und gleichzeitig den Möbelmarkt um eine Lagerfläche zu erweitern. Die Verkaufsfläche für die zentrumsrelevanten Waren soll dabei unverändert bleiben. Trotzdem stehe - so die antragstellende Gesellschaft - dem Vorhaben aber laut einer telefonischen Rechtsauskunft des Amtes der NÖ Landesregierung, die in einem Aktenvermerk des Bauamtes der Gemeinde Mistelbach festgehalten wurde, die Bestimmung des §17 Abs3 NÖ ROG entgegen, der zu Folge die Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren in Handelseinrichtungen außerhalb des geschlossenen, bebauten Ortsgebiets 80 m² nicht übersteigen dürfe. Gemäß Abs5 leg.cit. unterlägen Handelsbetriebe unabhängig von ihrer Lage nur dann keinen Größenbeschränkungen, wenn sie ausschließlich nicht-zentrumsrelevante Waren anböten. Das bedeute, dass eine Erweiterung der Verkaufsfläche, obwohl ausschließlich für nicht zentrumsrelevante Waren vorgesehen, nur möglich wäre, wenn auf die rechtskräftig genehmigte Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren teilweise verzichtet würde.

2. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 B-VG

gestützten Antrag vom 23. September 2010 begehrt nun die antragstellende Gesellschaft,

"der Verfassungsgerichtshof möge

1. gemäß Art140 Abs3 B-VG iVm §64 Abs1 VfGG das Wort 'ausschließlich' in der Bestimmung des §17 Abs5 des NÖ Raumordnungsgesetz 1976 (NÖ ROG), LGBl 8000-0 idF LGBl 8000-23, in der geltenden Fassung [in der Folge kurz:

NÖ ROG idgF],

als verfassungswidrig aufheben, wobei sowohl die gleichzeitige Aufhebung der zu Punkt 1. genannten Gesetzesbestimmung(en) und der zu Punkt 2. genannten Gesetzesbestimmung(en) als auch in eventu die Aufhebung der zu Punkt 1. genannten Gesetzesbestimmung(en) und der zu Punkt 2. genannten Gesetzesbestimmung(en) jeweils für sich alleine beantragt wird;"

3. Die Niederösterreichische Landesregierung

erstattete fristgerecht eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle die Anträge als unzulässig zurückweisen bzw. aussprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Einer Stellungnahme der antragstellenden Gesellschaft zu dieser Äußerung trat die Niederösterreichische Landesregierung mit einer ergänzenden Äußerung entgegen, worauf die antragstellende Gesellschaft mit einer weiteren Stellungnahme replizierte.

II. Rechtslage

1. §17 NÖ ROG in der geltenden Fassung lautet (das angefochtene Wort "ausschließlich" ist hervorgehoben):

"Gebiete für Handelseinrichtungen

§17. (1) In Zentrumszonen kann die Widmung Bauland-Kerngebiet mit dem Zusatz 'Handelseinrichtungen' bezeichnet werden. In dieser Widmung bestehen für die Errichtung von Handelsbetrieben keine Beschränkungen hinsichtlich der Verkaufsfläche oder Bruttogeschossfläche. Die übrigen Nutzungsmöglichkeiten gemäß §16 Abs1 Z. 2 bleiben zulässig.

(2) Innerhalb des geschlossenen, bebauten

Ortsgebietes - ausgenommen in der Widmung Bauland-Kerngebiet-Handelseinrichtungen - darf die Bruttogeschoßfläche von Handelsbetrieben nicht mehr als 1.000 m2 betragen.

(3) Außerhalb der in Abs2 bezeichneten Bereiche darf die Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren 80 m2 nicht übersteigen.

(4) Bilden mehrere Handelsbetriebe eine bauliche, funktionelle oder organisatorische Einheit, darf die Summe der Bruttogeschoßflächen in den Fällen gemäß Abs2 nicht mehr als 1.000 m2 und die Summe der Verkaufsflächen an Standorten gemäß Abs3 nicht mehr als 80 m2 betragen. Eine funktionelle Einheit ist dann gegeben, wenn im umgebenden Bereich die Gebäude ausschließlich oder dominierend für Handelseinrichtungen genutzt werden und mehrheitlich über private (eigene oder gemeinsame) Abstelleinrichtungen für die Kraftfahrzeuge der Kunden verfügen.

(5) Unabhängig von ihrer Lage unterliegen Handelsbetriebe keinen Größenbeschränkungen, wenn sie - abgesehen von dem im Abs3 bezeichneten Ausmaß - ausschließlich Waren anbieten, welche nach ihrer Beschaffenheit bzw. nach ihrer Packungs- oder Gebindegröße vom Kunden unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges abtransportiert werden müssen (nicht zentrumsrelevante Waren). Diese Warengruppen sind durch Verordnung der Landesregierung festzulegen.

(6) Unabhängig von den Bestimmungen der Abs2 und 3 ist der Direktverkauf von am Standort des Produktionsbetriebes produzierten Waren zulässig. Weiters ist der Verkauf von Waren, die diese wirtschaftlich ergänzen oder als Zubehör zu bewerten sind, zulässig. Dies allerdings nur soweit, als der Charakter als Produktionsbetrieb eindeutig gewahrt bleibt. Darüber hinaus sind Handelseinrichtungen zulässig, wenn diese ihre Waren ausschließlich an Wiederverkäufer abgeben."

2. Der Abs8 des §30 (Übergangsbestimmungen) NÖ ROG in der geltenden Fassung lautet (die im Hauptantrag angefochtene Ziffer 1 ist hervorgehoben):

"(8) Für bereits bestehende Gebäude von Handelseinrichtungen, die den Bestimmungen des §17 nicht entsprechen, jedoch gemäß den bis zum 2. März 2005 gültigen raumordnungsrechtlichen Bestimmungen errichtet wurden, gilt:

1. Bei der Wiedererrichtung eines Gebäudes auf dem selben Bauplatz oder bei Zu- und Umbauten darf das bestehende, der Baubewilligung entsprechende Ausmaß der Verkaufsfläche beibehalten, aber nicht vergrößert werden, sofern sich aus den nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt. Eine Erweiterung der baubehördlich bewilligten Verkaufsfläche um 10 %, maximal jedoch um 500 m² ist jedenfalls noch zulässig, wenn dafür bis 31.12.2008 ein entsprechender Antrag bei der Baubehörde gestellt wird.

2. Handelseinrichtungen, die bisher nicht zentrumsrelevante Waren angeboten haben, dürfen zentrumsrelevante Waren nur auf einer Verkaufsfläche von maximal 80 m² anbieten.

3. Handelseinrichtungen, die bisher sowohl zentrumsrelevante Waren als auch nicht zentrumsrelevante Waren angeboten haben, dürfen das Verhältnis zwischen diesen Warengruppen nicht zugunsten der zentrumsrelevanten Waren verändern; waren keine Lebensmittel zulässig, darf bei den zentrumsrelevanten Waren der Anteil der Lebensmittel künftig nur maximal 80 m² betragen.

Diese Bestimmungen gelten sinngemäß auch für jene Handelsprojekte, die zwar noch nicht errichtet wurden, aber über eine aufrechte Baubewilligung verfügen."

III. Prozessvoraussetzungen

1. Zur Antragslegitimation bringt die antragstellende Gesellschaft vor, sie sei durch die bekämpften Normen unmittelbar, ohne Dazwischentreten einer gerichtlichen Entscheidung oder eines Bescheides in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt. Die Wirkung der angefochtenen Rechtsvorschriften sei unmittelbar, ein Ermessensspielraum sei nicht vorgesehen.

2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist

einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

3. Zu §30 Abs8 NÖ ROG:

3.1. Die Niederösterreichische Landesregierung führt zum Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers durch §30 Abs8 NÖ ROG in ihrer ersten Äußerung aus:

"Auch führt die Antragstellerin nicht aus, wieso §30 Abs8 NÖ ROG 1976 im gegenständlichen Fall überhaupt zur Anwendung gelangen kann, da die Baubewilligung erst am 11. Oktober 2005, somit nach dem in §30 Abs8 NÖ ROG 1976 genannten Zeitpunkt 2. März 2005 erteilt wurde."

Dem hält die antragstellende Gesellschaft in ihrer ersten Stellungnahme entgegen:

"Das Bauansuchen der Antragstellerin wurde, wie sich schon aus der Aktenzahl des Baubewilligungsbescheides ergibt, bereits 2004 gestellt und die Baubehörde hat im Baubewilligungsbescheid ausdrücklich festgestellt, dass 'die Errichtung der gegenständlichen Baulichkeiten (...) auf Grund der Festlegungen des NÖ Raumordnungsgesetzes und der Festlegungen des Bebauungsplanes (...) möglich' ist. Dieser rechtlichen Beurteilung liegen die in §30 Abs8 NÖ ROG angesprochenen früher geltenden Rechtsvorschriften zugrunde."

In ihrer ergänzenden Äußerung verstärkt die Niederösterreichische Landesregierung ihre Argumentation:

"Wenngleich die in der Stellungnahme (vgl. 5.1.:

'Dass eine Änderung der Benutzung einer bisher als Lagerfläche genutzten Fläche ...') verwendete Formulierung darauf hindeuten würde, dass das baubewilligte Gebäude bereits errichtet wurde, so haben Erhebungen vor Ort jedoch ergeben, dass bis dato mit der Ausführung des bewilligten Vorhabens noch nicht begonnen wurde. Es wird der Bautechnische Bericht [...] vom 7. März 2011 [...] als Beilage angeschlossen.

Von daher ist gem. §24 Abs1 erster Fall NÖ BO 1996 die Baubewilligung vom 11. Oktober 2005 [...] erloschen, da nicht binnen 2 Jahren ab dem Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen wurde.

Daher fehlt dem gesamten Vorbringen der Antragstellerin die rechtliche Grundlage. Die von der Antragstellerin bekämpften Normen greifen weder aktuell noch unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein (vgl. dem gegenüber z.B. VfGH 7.10.2010, V110/09)."

Die antragstellende Gesellschaft widerspricht in

ihrer zweiten Stellungnahme dieser Argumentation und belegt ihre Sicht ebenfalls mit einem Sachverständigengutachten.

3.2. Aus folgenden Gründen greift §30 Abs8 NÖ ROG

nicht unmittelbar - weder alleine noch iVm §17 Abs5 NÖ ROG - in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein:

Die Übergangsbestimmung des §30 Abs8 NÖ ROG ist ihrem Wortlaut nach nur für bereits bestehende Gebäude von Handelseinrichtungen anzuwenden, "die den Bestimmungen des §17 nicht entsprechen, jedoch gemäß den bis zum 2. März 2005 gültigen raumordnungsrechtlichen Bestimmungen errichtet [bzw. genehmigt] wurden". Am 2. März 2005 war mit der Novelle LGBl. 8000-19 der hier maßgebliche §17 NÖ ROG völlig neu gefasst worden. Der Möbelmarkt der antragstellenden Gesellschaft wurde am 11. Oktober 2005 baubehördlich genehmigt. Dabei hatte die genehmigende Behörde die nach dem 2. März 2005 geltenden raumordnungsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden. Das hat die Konsequenz, dass §30 Abs8 NÖ ROG im baurechtlichen Verfahren nicht anzuwenden wäre.

Der §30 Abs8 NÖ ROG gilt überdies nur für bereits bestehende Gebäude bzw. sinngemäß auch für jene Handelsprojekte, die zwar noch nicht errichtet wurden, aber über eine aufrechte Baubewilligung verfügen (§30 Abs8 NÖ ROG letzter Satz). Wie die Niederösterreichische Landesregierung in ihrer ergänzenden Äußerung aufgezeigt und auch durch einen bautechnischen Bericht belegt hat, wurde das Projekt nicht realisiert und ist die Baubewilligung daher erloschen. Auch aus diesem Grund wäre §30 Abs8 NÖ ROG im baurechtlichen Verfahren nicht anzuwenden.

Da also in einem Baubewilligungsverfahren für das Projekt der antragstellenden Gesellschaft die Übergangsbestimmung des §30 Abs8 NÖ ROG nicht anzuwenden wäre, ist durch diese Bestimmung auch kein Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft möglich. Das Hauptbegehren, das Wort "ausschließlich" in §17 Abs5 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 zusammen mit §30 Abs8 Z1 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 aufzuheben, ist daher zurückzuweisen.

4. Zu §17 NÖ ROG:

Der abschließend gestellte Eventualantrag auf

Aufhebung nur des Worts "ausschließlich" in §17 Abs5 NÖ ROG erweist sich hingegen als zulässig:

4.1. Die rechtliche Betroffenheit der

antragstellenden Gesellschaft durch das Wort "ausschließlich" in §17 Abs5 NÖ ROG ist an sich unbestritten. Zur Zumutbarkeit eines anderen Weges führt die Niederösterreichische Landesregierung aber aus:

"In den Ausführungen [...] zur Umwegsunzumutbarkeit führt die Antragstellerin selbst aus, dass ein zumutbarer Umweg dem Antragsteller nur dann zur Verfügung stehen würde, wenn die in Rede stehende Bauordnung die Möglichkeit eines Vorprüfungsverfahrens bzw. einer Bauplatzbewilligung vorsehe, wobei das zitierte Erkenntnis zur Kärntner Bauordnung regelte, dass skizzenhafte zeichnerische Darstellungen genügten, um nach der Vorprüfung einen Bescheid zu erhalten (VfGH 15. Juni 1981, V16/80).

Im Gegensatz zu den Ausführungen der Antragstellerin steht für die Änderung des Verwendungszwecks ein solches einfaches kostengünstiges Verfahren zur Verfügung, da gemäß §15 Abs2 NÖ BO 1996 im Falle eines Anzeigeverfahrens der Anzeige lediglich zumindest eine Skizze und eine Beschreibung in zweifacher Ausfertigung anzuschließen sind, die zur Beurteilung des Vorhabens ausreichen.

Von daher ist es der Antragstellerin zumutbar, im Falle der Änderung des Verwendungszweckes sehr wohl das vorgesehene Bauanzeigeverfahren nach §15 NÖ BO 1996 durchzuführen, da es sich um einen zumutbaren Weg für die Antragstellerin handelt."

Dem hält die antragstellende Gesellschaft in ihrer ersten Stellungnahme entgegen:

"Die beteiligte Regierung stellt im Hinblick auf die Umwegsunzumutbarkeit - entgegen ihrer vorherigen Ausführungen - nicht mehr auf den ('genehmigungsfähigen') Zubau eines Möbellagers, sondern lediglich auf die Verwendungszweckänderung ab.

Diese Argumentation vernachlässigt einerseits

wiederum den gebotenen Blick auf das Gesamtvorhaben, nämlich auf die Verwendungszweckänderung samt Zubau, andererseits ignoriert sie, dass die Benützung eines bisherigen Lagerraumes als Verkaufsfläche mit baubewilligungspflichtigen baulichen Änderungen verbunden ist. Mit einer bloßen Bauanzeige kann in Fällen wie dem vorliegenden nicht das Auslangen gefunden werden.

[...] Dass eine Änderung der Benutzung einer bisher als Lagerfläche genutzten Fläche in Verkaufsfläche notwendig zu baubewilligungspflichtigen Änderungen führt, ergibt sich insbesondere aus der NÖ Bautechnikverordnung 1997; [...]".

In der Folge listet die antragstellende Gesellschaft bauliche Änderungen auf, die für den Fall der Verwendungszweckänderung notwendig und bewilligungspflichtig wären (Brandschutz, Kfz-Stellplätze).

4.2. Damit ist die antragstellende Gesellschaft im Recht: Mit der geplanten Verwendungszweckänderung wären untrennbar bewilligungspflichtige bauliche Maßnahmen verbunden. Die antragstellende Gesellschaft hat daher nicht die Möglichkeit, die beabsichtigte Änderung des Verwendungszwecks der bisherigen Lagerräume gemäß §15 Abs1 Z2 NÖ BauO 1996 nur anzuzeigen, in welchem Fall auf die Beibringung umfangreicher Planunterlagen verzichtet werden könnte.

Von der antragstellenden Gesellschaft kann aber zum einen nicht erwartet werden, dass sie allein zum Zweck der Anfechtung von Bestimmungen des §17 NÖ ROG die für die Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen Planunterlagen anfertigen lässt. Zum andern kann sie auch nicht auf die in §11 Abs2 NÖ BauO 1976 vorgesehene Möglichkeit verwiesen werden, einen Antrag auf Bauplatzerklärung zu stellen. Denn einerseits wurde - wie aus dem Antragsvorbringen hervorgeht - das Grundstück bereits zum Bauplatz erklärt, andererseits wäre die angefochtene Bestimmung des §17 NÖ ROG im Verfahren über einen Antrag auf Bauplatzerklärung gar nicht präjudiziell.

Da also kein zumutbarer anderer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit des §17 NÖ ROG zur Verfügung steht, ist das Eventualbegehren, das Wort "ausschließlich" in §17 Abs5 NÖ ROG aufzuheben, zulässig.

IV. Erwägungen in der Sache

1. Zunächst bringt die antragstellende Gesellschaft vor, dass die angefochtene Bestimmung einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Eigentumsrecht darstelle und den Gleichheitsgrundsatz verletze:

1.1. Die angefochtene Verkaufsflächenbeschränkung sei nicht geeignet, dem öffentlichen Interesse der Erhaltung und Stärkung der Wirtschaftskraft der Ortskerne zu dienen, weil sie nicht nur diesem Ziel diene, sondern auch einen Bestandschutz für bereits bewilligte Handelsbetriebe beinhalte. Es würde einleuchten, den Zubau von weiteren Flächen für zentrumsrelevante Waren - zusätzlich zu und unabhängig von den bereits genehmigten - zu limitieren. Die Verunmöglichung einer Verkaufsflächenerweiterung für nicht zentrumsrelevante Waren - welche dem Zweck der gegenständlichen Regelung gar nicht widerspreche - durch den damit einhergehenden entschädigungslosen Verzicht auf rechtskräftige Genehmigungen von Verkaufsflächen für zentrumsrelevante Waren unterliege aber keinerlei sachlichen Rechtfertigung, zumal der Gesetzgeber nachweislich in erteilte Genehmigungen nicht habe eingreifen wollen.

Die angefochtenen Bestimmungen würden aber auch eine unsachliche Schlechterstellung der Inhaber bereits genehmigter Handelsbetriebe bewirken, da diese mit der Möglichkeit eines gesetzeskonformen Zubaus zur Sicherung ihrer Marktposition rechnen konnten. Der Vertrauensschutz werde missachtet, weil die Übergangsbestimmung des §30 Abs8 Z1 NÖ ROG dem Sachlichkeitsgebot widerspreche. Die angesprochene Kostenbelastung sei nicht zu vernachlässigen.

1.2. Die antragstellende Gesellschaft ist mit diesem Vorbringen nicht im Recht:

1.2.1. Das Ziel der NÖ Raumordnungsnovelle 2004 ausweislich der Begründung des diesbezüglichen Initiativantrags war, die Ortskerne zu stärken und die Handelseinrichtungen in guter räumlicher Abstimmung zum Verbraucher zu situieren. Dieses Ziel liegt speziell dem §17 NÖ ROG zu Grunde und rechtfertigt insbesondere auch jene Bestimmungen, die nur innerhalb des geschlossenen, bebauten Ortsgebietes und in Zentrumszonen Verkaufsflächen für zentrumsrelevante Waren mit mehr als 80 m² gestatten. Die Lösung liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Ob diese Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg. 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

1.2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 16.754/2002) zum Grundsatz des Vertrauensschutzes ausgesprochen hat, ist der Schutz wohlerworbener Rechtspositionen grundsätzlich durch keine Verfassungsbestimmung gewährleistet. Vielmehr bleibt es dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes unbenommen, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (zB VfSlg. 11.309/1987, 11.665/1988, 14.846/1997, 14.960/1997, 15.269/1998); dem Gesetzgeber steht es offen, die Rechtslage für die Zukunft anders und - entgegen den Erwartungen einzelner - ungünstiger zu gestalten (vgl. VfSlg. 12.368/1987, 13.461/1993, 13.657/1993, 14.842/1997, 14.868/1997, 15.373/1998). Nur unter besonderen Umständen muss dem Betroffenen zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse die Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen (vgl. VfSlg. 13.657/1993, 15.373/1998, 16.754/2002 mwN).

Es ist der antragstellenden Gesellschaft zuzugeben, dass der Verlust der Möglichkeit, eine genehmigte Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren zu erweitern, das Vertrauen der Betroffenen auf eine gleichbleibende Gesetzeslage enttäuschen und die Wirkung ihrer wirtschaftlichen Entscheidungen nachteilig verändern kann. Es ist aber grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, ob er dem Schutz einer Erwartungshaltung oder der gleichmäßigen Behandlung zeitgleich gelagerter Sachverhalte den Vorzug gibt. Im Fall des §17 NÖ ROG hat der Raumordnungsgesetzgeber dem Vertrauensschutz Rechnung getragen und durch die Übergangsbestimmung des §30 Abs8 NÖ ROG den Bestand und (beschränkten) Ausbau bereits errichteter Handelsbetriebe, die den (neuen) Bestimmungen des §17 NÖ ROG nicht entsprechen, gesichert. Der Übergangsbestimmung zur Gewährleistung der Rechtssicherheit kann vom Standpunkt des Gleichheitssatzes nicht entgegengetreten werden (vgl. VfSlg. 14.685/1996).

2. Weiters behauptet die antragstellende Gesellschaft die Kompetenzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen aus folgenden Gründen:

2.1. Es entstehe der Eindruck, dass die angefochtenen Bestimmungen nahversorgungsrechtlich bzw. wettbewerbsrechtlich motiviert seien und die gesetzliche Regelung von einer gewerberechtlichen Betrachtungsweise (Art10 Abs1 Z8 B-VG) ausgehe, zu deren Regelung dem Raumordnungsgesetzgeber die Kompetenz fehle. Beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg. 9543/1982 habe der Verfassungsgerichtshof auch wiederholt Bestimmungen in Raumordnungsgesetzen wegen Kompetenzwidrigkeit aufgehoben, weil der Landesgesetzgeber zwar im Rahmen der Raumordnung Sonderwidmungen von Flächen vorsehen könne, es jedoch unzulässig sei, Raumordnungsvorschriften ausschließlich von Aspekten abhängig zu machen, zu deren Regelung ihm die Zuständigkeit fehle. Aus der Begründung des Initiativantrags zur NÖ Raumordnungsnovelle 2004 gehe hervor, dass §17 NÖ ROG fast ausschließlich der Sicherung der Nahversorgung dienen solle und daher im Sinne der angeführten Rechtsprechung als Gewerberecht zu qualifizieren sei.

2.2. Die angefochtene Regelung fällt in die Kompetenz des Landesgesetzgebers:

2.2.1. Nach dem Rechtssatz des Kompetenzfeststellungserkenntnisses VfSlg. 2674/1954 ist die planmäßige und vorausschauende Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes in Bezug auf seine Verbauung, insbesondere für Wohn- und Industriezwecke einerseits und für die Erhaltung von im wesentlichen unbebauten Flächen anderseits ("Landesplanung" - "Raumordnung"), nach Art15 Abs1 B-VG in der Fassung von 1929 in Gesetzgebung und Vollziehung insoweit Landessache, als nicht etwa einzelne dieser planenden Maßnahmen, wie im besonderen solche auf den Gebieten des Eisenbahnwesens, des Bergwesens, des Forstwesens und des Wasserrechts, nach Art10 bis 12 B-VG der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes ausdrücklich vorbehalten sind.

Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 15.672/1999 das grundsätzlich gegebene öffentliche Interesse an dem Schutz von attraktiven Einkaufsmöglichkeiten in den Kernbereichen unter dem (in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers fallenden) Teilaspekt der Sicherung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern des kurzfristigen und täglichen Bedarfs bestätigt. Der §17 NÖ ROG dient einem umfassenderen und allgemeineren Ziel, nämlich die Ortskerne zu stärken, die Handelseinrichtungen in guter räumlicher Abstimmung zum Verbraucher zu situieren und so der Fehlentwicklung der Verlagerung von Handelsbetrieben "auf die grüne Wiese" mit den damit untrennbar verbundenen Verkehrsproblemen gegenzusteuern. Dies ist ein Gesichtspunkt der "planmäßige[n] und vorausschauende[n] Gesamtgestaltung eines Gebietes", diesbezügliche Regelungen sind daher der Raumplanung zuzuordnen.

2.2.2. Über die aus den Materialien erschließbare Zielsetzung des Gesetzgebers hinaus entkräftet auch die konkrete gesetzliche Ausgestaltung die von der antragstellenden Gesellschaft geäußerten kompetenzrechtlichen Bedenken:

Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Kompetenz zur Regelung von Einkaufszentren in VfSlg. 9543/1982 ausgeführt:

"Der VfGH stellt nicht in Frage (und hat das auch in seinem Beschluß auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens nicht getan), daß - ausgehend vom Begriff der Raumplanung in einem umfassenden Sinn, welcher der Rechtsprechung des VfGH seit dem Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg. 2674/1954 zugrunde liegt - Raumordnung auf eine möglichst iS der öffentlichen Interessen liegende Ordnung des Raumes abzielt (VfSlg. 7105/1973) und der Landesgesetzgeber die räumlich funktionellen Erfordernisse unter den verschiedensten Aspekten berücksichtigen kann (VfSlg. 6667/1972). In diesem Zusammenhang kann die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung sicherlich ebenfalls Berücksichtigung finden. Der VfGH hat daher auch nicht in Frage gestellt, daß im Rahmen der Raumordnung Sonderwidmungen von Flächen für Geschäftsbauten für den überörtlichen Bedarf und für Einkaufszentren sowie ähnliche Einrichtungen an sich festgelegt werden können.

Kompetenzrechtlich nicht zulässig ist es aber, Raumordnungsvorschriften ausschließlich [...] von Aspekten [...] abhängig zu machen, zu deren Regelung die Zuständigkeit fehlt."

Im Gegensatz zu der mit diesem Erkenntnis

aufgehobenen Bestimmung des OÖ Raumordnungsgesetzes, bei der Geschäftsbauten dem Bedarf entsprechend nur "insoweit zugelassen werden soll[t]en, als die Aufrechterhaltung und Sicherung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen, insbesondere mit Waren und Leistungen des täglichen Bedarfes, im Einzugsbereich des Geschäftsbaues nicht gefährdet" werden, stellt der §17 NÖ ROG nicht auf diese gewerberechtlichen Aspekte ab. Die Verkaufsflächenbeschränkungen des §17 NÖ ROG gelten unabhängig von jedem Bedarf. Der §17 NÖ ROG unterscheidet nur zwischen "nicht zentrumsrelevanten Waren" und "zentrumsrelevanten Waren" und nennt dafür als alleiniges Unterscheidungskriterium, dass jene "nach ihrer Beschaffenheit bzw. nach ihrer Packungs- und Gebindegröße vom Kunden unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges abtransportiert werden müssen". Angesichts des Ausmaßes an Individualverkehr und versiegelten Flächen, das Handelsbetriebe verursachen können, ist dieses Kriterium - das ausschließlich auf die Notwendigkeit des Abtransports der gekauften Waren mit einem Kraftfahrzeug abstellt - eines, bei dem die planmäßige und vorausschauende Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes und damit der raumplanerische Aspekt deutlich im Vordergrund steht.

V. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Das Hauptbegehren, das Wort "ausschließlich" in §17 Abs5 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 zusammen mit §30 Abs8 Z1 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 aufzuheben, ist als unzulässig zurückzuweisen.

2. Das Eventualbegehren, das Wort "ausschließlich" in §17 Abs5 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 aufzuheben, erweist sich als unbegründet und ist daher abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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