JudikaturVfGH

U1391/11 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
14. März 2012

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung:

1. Mit am 28. Juni 2011 zur Post gegebenem

Schriftsatz beantragt die Antragstellerin die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 20. Jänner 2011 im vollen Umfang. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Antrag für verspätet erachte, begehrt sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Bewilligung von Verfahrenshilfe zur Erstattung einer Beschwerde gemäß Art144a B-VG gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 20. Jänner 2011.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages führt die Einschreiterin im Wesentlichen aus, dass der Asylgerichtshof ihrem Rechtsvertreter mitgeteilt habe, dass die Entscheidung vom 20. Jänner 2011 bereits am Tag ihrer Erlassung durch Hinterlegung im Akt rechtskräftig zugestellt worden sei. Auf Antrag des Rechtsvertreters habe der Asylgerichtshof diesem die Entscheidung, deren Anfechtung beabsichtigt sei, am 14. Juni 2011 übermittelt. Vor diesem Zeitpunkt sei der Antragstellerin die oben genannte Entscheidung nicht zugekommen. Der Wohnsitz der Beschwerdeführerin sei ohne ihre Kenntnis von Dritten abgemeldet worden, der Asylgerichtshof habe keinen Zustellversuch an der von der Antragstellerin bekanntgegebenen Adresse gemacht und auch sonst keine Tätigkeiten - wie etwa die Bestellung eines Zustellkurators oder eine geeignete öffentliche Bekanntmachung - gesetzt, um der Antragstellerin die Entscheidung, deren Anfechtung beabsichtigt sei, zukommen zu lassen. Die Antragstellerin sei daher bis 14. Juni 2011 ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen, von der angefochtenen Entscheidung Kenntnis zu erlangen.

2. Aus den vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich, dass die Entscheidung des Asylgerichtshofes der Antragstellerin (die nach Abmeldung von der letzten Meldeadresse unauffindbar war) bereits am 20. Jänner 2011 gemäß §8 Abs2 iVm §23 Zustellgesetz, BGBl. 200/1982, idF BGBl. I 111/2010 (zufolge Unterlassens der Bekanntgabe einer neuen Abgabestelle) durch Hinterlegung ohne vorherigen Zustellversuch beim Asylgerichtshof unter Beurkundung dieses Vorganges (rechtswirksam) zugestellt worden ist.

3. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144a B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG in §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 Abs1 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden: Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert ist und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Dabei sind alle den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Umstände anzuführen und die Mittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzugeben. Zugleich mit dem Antrag ist §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

3.1. Ein Verfahrenshilfeantrag ist nicht im

eigentlichen Sinne fristgebunden; lediglich seine Erfolgsaussichten hängen davon ab, dass er während der sechswöchigen Beschwerdefrist gestellt wird (VfGH 22.2.2010, B167/10). Soll mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber ein nicht fristgebundener Antrag nachgeholt werden, liegt keine Versäumung einer befristeten Prozesshandlung iSd §146 Abs1 ZPO vor (VfGH 29.6.2011, U1211/11). Der verfahrensgegenständliche Antrag ist daher so zu deuten, dass damit die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt werden soll.

3.2. Sollte die Antragstellerin durch ihr Vorbringen dartun wollen, dass sie von einer rechtswirksamen Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat, ist ihr jedenfalls entgegenzuhalten, dass das Unterlassen der Mitteilung der Wohnsitzwechsel der Antragstellerin wie die Angabe einer unrichtigen Wohnadresse (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG §71 Rz 74) einen groben Sorgfaltsverstoß darstellt, der einer Bewilligung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegensteht. Auch wenn eine Abmeldung - es wird nicht angegeben welche - ohne Wissen der Antragstellerin erfolgt sein sollte, wäre es ihr zumutbar gewesen, sich um den Fortgang des auf Grund ihrer Beschwerde eingeleiteten Verfahrens, dessen Ausgang für sie - sofern ihre Angaben zutreffen - von existentieller Bedeutung war, zu kümmern. Auch wenn ihr als Asylwerberin die Details der hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen nicht bekannt gewesen sein mögen, kann doch zumutbarerweise verlangt werden, dass entsprechend Kontakt mit den Asylbehörden gehalten wird. Die Antragstellerin behauptet aber nicht, dass sie unverschuldet durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an dieser Kontaktnahme gehindert gewesen wäre (vgl. VfSlg. 13.878/1994).

3.3. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor. Der - nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formalerfordernisse hin geprüfte - Antrag ist sohin gemäß §149 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren mit in nichtöffentlicher Sitzung gefasstem Beschluss abzuweisen.

4. Da die sechswöchige Beschwerdefrist des §88a iVm §82 Abs1 VfGG zum Zeitpunkt der Postaufgabe des vorliegenden Verfahrenshilfeantrages schon verstrichen war, aber nur ein innerhalb dieser Frist gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe deren Unterbrechung zu bewirken vermag (§464 Abs3 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG), erwiese sich eine künftige Beschwerde als verspätet.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG) mit in nichtöffentlicher Sitzung gefasstem Beschluss (§72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG) abzuweisen (vgl. zB VfSlg. 14.582/1996; VfGH 17.3.1999, B311/99).

Rückverweise