A15/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Klage wird zurückgewiesen.
II.Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe
wird abgewiesen.
Begründung:
I. Sachverhalt und Klagebegehren
1. Mit der auf Art137 B-VG gestützten und gegen das Land Burgenland gerichteten Klage begehrt der Kläger € 6.180,-
zuzüglich 4% Zinsen aus jeweils nach Höhe und Zeitraum näher aufgeschlüsselten Beträgen. Begründend führt der Kläger aus, dass er und seine Familie als Asylwerber zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung nach dem Burgenländischen Landesbetreuungsgesetz, LGBl. 42/2006, (im Folgenden: Bgld. LBetreuG) berechtigt seien und ihnen seit 1. November 2005 ein monatlicher Unterstützungsbeitrag auch tatsächlich gewährt worden sei. Ohne einen zugrunde liegenden Bescheid seien dem Kläger die Grundversorgungsleistungen für August sowie September 2009 faktisch entzogen sowie ab Oktober 2009 nur mehr reduziert ausbezahlt worden. Trotz Aufforderung seitens des Klägers hiezu habe das Land Burgenland die ausständigen Zahlungen nicht vorgenommen.
1.1. Die Klagssumme setze sich aus dem von
August 2009 bis Juli 2010 rechtswidrig vorenthaltenen monatlichen Unterstützungsbeitrag in der Höhe von jeweils € 740,- für die Monate August und September 2009 und dem Differenzbetrag in der Höhe von € 440,- auf den monatlichen Unterstützungsbeitrag für die Monate Oktober 2009 bis Juli 2010 sowie die im selben Zeitraum vorenthaltene Geldleistung zur Erlangung der notwendigen Bekleidung in der Höhe von € 300,- für Frühjahr/Sommer 2010 zusammen.
1.2. Zur Zulässigkeit der Klage bringt der Kläger
vor, dass der Anspruch gegen das Land Burgenland weder im ordentlichen Rechtsweg noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen und daher die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art137 B-VG gegeben sei.
2. Die beklagte Partei erstattete eine Gegenschrift, legte den Bezug habenden Akt vor und beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen.
2.1. In der Gegenschrift räumt die beklagte Partei ein, dass der Kläger und seine Familie seit 1. Mai 2004 zur Zielgruppe der Grundversorgungsvereinbarung zählten. Gemäß §4 Abs3 Bgld. LBetreuG treffe Fremde die Pflicht zur Offenlegung ihrer Vermögensverhältnisse sowie zur Meldung von Änderungen der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse. Der Kläger und seine Familie seien mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 sowie vom 27. Juni 2006 darauf hingewiesen worden, dass u.a. der Besitz oder der Betrieb eines PKW oder die Aufnahme einer Beschäftigung der Grundversorgungsstelle zu melden seien. Dieser Verpflichtung sei der Kläger trotz Besitzes mehrerer PKWs im Laufe der Zeit seines Bezuges von Leistungen aus der Grundversorgung nicht nachgekommen, sodass seitens der beklagten Partei die Einstellung der Auszahlung veranlasst worden sei. Der Kläger habe auch, nach erfolgter Vorsprache in der GVS-Stelle Burgenland, im Rahmen derer der Kläger mit der Situation konfrontiert worden sei und zugegeben habe, über regelmäßiges Einkommen aus Schwarzarbeit zu verfügen, seinen PKW nicht - wie von ihm angekündigt - abgemeldet. Die beklagte Partei gehe daher davon aus, dass beim Kläger lediglich eingeschränkte Hilfsbedürftigkeit vorliege und sich ein vom Kläger rückzuerstattender - in der Gegenschrift tabellarisch aufgeschlüsselter - Übergenuss ergeben habe. Entsprechend §3 Bgld. LBetreuG habe die beklagte Partei folglich die Leistungen aus der Grundversorgung reduziert. Vom errechneten Übergenuss sei der für August und September 2009 nicht ausbezahlte Betrag in Abzug gebracht worden. Hinsichtlich des verbleibenden Betrages habe die beklagte Partei die Regelung getroffen, die Summe gegen die in Folge zu gewährenden reduzierten Leistungen aufzurechnen. Diesbezüglich sei von der beklagten Partei ein Bescheid erlassen worden, gegen den der Kläger Berufung erhoben habe.
3. In der vom Kläger erstatteten Replik bringt dieser vor, neben der Aufforderung zur Zahlung der geschuldeten Geldleistungen für die Monate August sowie September 2009, die beklagte Partei auch ausdrücklich darauf hingewiesen zu haben, dass eine Änderung oder Einschränkung der Leistungen nach dem Bgld. LBetreuG nur mittels Bescheid erlassen werden könne und bis zur Erlassung eines solchen sämtliche Leistungen uneingeschränkt weiter zu gewähren seien. In der Folge habe die beklagte Partei mittels Bescheid vom 22. September 2009 ausgesprochen, dass der Kläger einen Betrag von € 9.800,-
rückzuerstatten habe. Gegen diesen Bescheid habe der Kläger Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland (im Folgenden: UVS Burgenland) erhoben, der in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2010 den Spruch des angefochtenen Bescheides insoweit abgeändert habe, als der rückzuerstattende Betrag auf € 3.750,- gesenkt worden sei. Der UVS Burgenland habe in der Begründung seiner Entscheidung u.a. ausgeführt, dass eine Kürzung von Leistungen aus der Grundversorgung zum Zwecke der Aufrechnung gegen zu Unrecht empfangene Leistungen nach dem Bgld. LBetreuG nicht vorgesehen und daher unzulässig sei. Der Kläger habe infolge dieser Entscheidung die beklagte Partei erneut - erfolglos - aufgefordert, die dem Kläger vorenthaltenen Geldleistungen zur Auszahlung zu bringen. Weiterhin erhalte der Kläger lediglich den um die Aufrechnung verminderten Betrag.
3.1. Der Kläger weist erneut darauf hin, dass nach wie vor kein Bescheid über die betragsmäßige Verminderung der Leistungen aus der Grundversorgung an den Kläger und seine Familie vorliege. Es liege lediglich ein in Rechtskraft erwachsener Bescheid des UVS Burgenland vor, der den Kläger zur Rückerstattung von € 3.750,- verpflichte. Eine Aufrechnung sei jedenfalls ausgeschlossen und die beklagte Partei daher zur Auszahlung der Fehlbeträge verpflichtet. Da die beklagte Partei auch nach Einbehaltung der € 3.750,- die Aufrechnung nicht beendet habe, sehe sich der Kläger gezwungen, die offenen Beträge im Klagswege einzufordern.
II. Rechtslage
Nach §2 Abs1 Bgld. LBetreuG idF LGBl. 42/2006 stehen Leistungen aus der Grundversorgung "hilfs- und schutzbedürftigen Fremden auf Antrag oder von Amts wegen zu".
Schutzbedürftig sind u.a.:
"1. Fremde, die einen Asylantrag gestellt haben (Asylwerberinnen und Asylwerber), über den noch nicht rechtskräftig abgesprochen ist;
2. [...];
3. Fremde ohne Aufenthaltsrecht, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind;
4. - 6. [...]"
Die für den vorliegenden Fall wesentlichen §§3, 4 und 5 des Bgld. LBetreuG lauten (auszugsweise):
"Anspruch
§3. (1) Die Antragsteller haben im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht die Hilfsbedürftigkeit der Behörde glaubhaft zu machen.
[...]
Bestehendes verwertbares Vermögen, Nachzahlungen von Familienbeihilfeleistungen und Leistungen des Staates aus anderen Titeln, wie beispielsweise Arbeitslosenunterstützung, Karenzgeld, Pflegegeld und Mietzinszuschüsse sind auf die Leistungen der Grundversorgung anzurechnen.
(2) Leistungen der Grundversorgung nach diesem Gesetz sind hilfs- und schutzbedürftigen Fremden zu gewähren, die ihren Hauptwohnsitz oder mangels eines solchen ihren Aufenthalt im Burgenland haben.
(3) - (5) [...]
Grundversorgung
§4. (1) Die Grundversorgung umfasst:
1. - 15. [...]
(2) Die Grundversorgung kann, wenn damit die Bedürfnisse von Fremden ausreichend befriedigt werden, auch in Teilleistungen gewährt werden.
(3) Fremde gemäß §2 Abs1 haben ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse vor Gewährung von Leistungen gemäß Abs1 bekannt zu geben oder jede Änderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, auf Grund welcher Art und Ausmaß der Hilfe neu zu bestimmen oder die Hilfe einzustellen wäre, unverzüglich anzuzeigen.
Kostenersatz, Mitwirkungspflicht
§5. (1) Die durch Verletzung der im §4 Abs3
bestimmten Anzeigepflicht zu Unrecht empfangenen Leistungen sind von der oder dem Hilfeempfangenden rückzuerstatten. Für die Rückerstattung können Teilzahlungen bewilligt werden. Die Rückerstattung kann ganz oder teilweise nachgesehen werden, wenn dies zu einer sozialen Härte führen würde.
(2) Die Hilfeempfangenden oder deren Vertretung sind anlässlich der Hilfegewährung über die Bestimmungen des §4 Abs3 und §5 Abs1 zu informieren.
(3) Die Leistungen für Fremde oder deren Angehörige können nach Wahrung des Parteiengehöres eingeschränkt oder eingestellt werden, wenn diese
1. die Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung oder Sicherheit in einer Unterkunft durch ihr Verhalten wiederholt nachhaltig gefährden oder sich wiederholt ungebührlich verhalten. Das gleiche gilt im Anwendungsfall des §38a SPG;
2. wegen einer vorsätzlichen gerichtlich strafbaren Handlung verurteilt worden sind, die einen Ausschließungsgrund gemäß §6 Asylgesetz 2005 darstellen kann;
3. trotz Aufforderung nicht an der Feststellung ihrer Identität oder ihrer Hilfsbedürftigkeit mitwirken bzw. die Mitwirkung im Asylverfahren verweigern oder erheblich erschweren;
4. einen weiteren Asylantrag innerhalb von sechs
Monaten nach rechtskräftigem Abschluss ihres früheren Asylverfahrens eingebracht haben;
5. mehr als drei Tage nicht in dem von der Grundversorgungsstelle zugewiesenen Quartier aufhältig sind oder sich dort nicht regelmäßig aufhalten.
(4) - (5) [...]
(6) Sämtliche Einkünfte, wie auch der Bezug von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld sind entsprechend zu berücksichtigen.
Fremden, die zu Einkünften oder Vermögen gelangen, können Kostenersätze vorgeschrieben werden."
§11 des Bgld. LBetreuG regelt die Behördenzuständigkeit und lautet folgendermaßen:
"Bescheide, Zuständigkeit und Verfahren
§11. (1) Für Entscheidungen nach diesem Gesetz ist die Landesregierung Behörde in erster Instanz.
(2) [...]
(3) Bei antragsgemäßer Bewilligung ist nur über Verlangen der Betroffenen ein Bescheid zu erlassen.
(4) Beantragen Betroffene eine über die Grundversorgung hinausgehende Maßnahme und wird diese nicht gewährt, ist darüber jedenfalls bescheidmäßig abzusprechen.
(5) Gegen eine Entscheidung der Landesregierung ist eine Berufung zulässig. Darüber entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat. Einer Berufung kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden."
III. Erwägungen
Zu den Prozessvoraussetzungen:
1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder auf dem ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
2. Die Zulässigkeit einer Klage nach Art137 B-VG
setzt somit u.a. voraus, dass eine bescheidmäßige Erledigung des Anspruches durch eine Verwaltungsbehörde nicht in Betracht kommt. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Wie sich aus der unter Pkt. II. dargestellten
Rechtslage ergibt, haben Asylwerber sowie bestimmte andere Fremde ex lege oder auf Antrag Anspruch auf Grundversorgungsleistungen nach dem Bgld. LBetreuG. Gemäß §4 Abs3 leg.cit. haben Fremde jede Änderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse unverzüglich anzuzeigen. Nach §5 Abs1 leg.cit. sind die durch Verletzung der im §4 Abs3 bestimmten Anzeigepflicht zu Unrecht empfangenen Leistungen von der oder dem Hilfeempfangenden rückzuerstatten. In §5 Abs3
Bgld. LBetreuG heißt es, dass die Leistungen der Grundversorgung für Fremde oder deren Angehörige nach Wahrung des Parteiengehörs eingeschränkt oder eingestellt werden können. Gemäß §11 leg.cit. sind für Entscheidungen nach dem Bgld. LBetreuG in erster Instanz die Landesregierung (§11 Abs1 leg.cit.) und in zweiter Instanz der Unabhängige Verwaltungssenat (§11 Abs5 leg.cit.) zuständig.
3. Demnach trifft die Landesregierung im Fall der Einschränkung oder Einstellung von Grundversorgungsleistungen die Pflicht zur rechtsgestaltenden Bescheiderlassung. Ist also eine nach dem Bgld. LBetreuG anspruchsberechtigte Person der Ansicht, ihr werde - ohne dass dem ein entsprechender Bescheid vorausgegangen ist - die Grundversorgung zu Unrecht verweigert, kann sie bei der Landesregierung eine bescheidmäßige Erledigung beantragen.
Gegen die Entscheidung der Landesregierung, wie auch im Falle der Säumnis, kann beim UVS Burgenland ein Rechtsmittel erhoben werden.
4. Im vorliegenden Fall hat zwar die beklagte Partei mit Bescheid vom 22. September 2009 ausgesprochen, dass die zu Unrecht empfangenen Leistungen aus der Grundversorgung in Höhe von € 9.800,- rückzuerstatten seien und der Übergenuss in der Form einbehalten werde, dass die bisher gewährten Leistungen - in im Spruch näher ausgeführter Weise - eingeschränkt würden. Der gegen diese Entscheidung vom Kläger angerufene
UVS Burgenland hat jedoch der Berufung insofern Folge gegeben, als der Spruch des angefochtenen Bescheides lediglich und ausschließlich darauf zu lauten habe, dass die durch die Verletzung der Anzeigepflicht zu Unrecht empfangenen Leistungen in Höhe von € 3.750,- rückzuerstatten seien. Dem Kläger ist insoweit zuzustimmen, dass ein die Leistungen aus der Grundversorgung einschränkender Bescheid nicht vorliegt.
5. Da jedoch - wie unter Pkt. 3. ausgeführt - über den in der Klage geltend gemachten Anspruch mit Bescheid einer Verwaltungsbehörde abzusprechen ist, erweist sich die Klage als unzulässig und ist daher zurückzuweisen, ohne dass auf das weitere Vorbringen der beklagten Partei einzugehen war (vgl. VfSlg. 17.985/2006).
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die Klage ist daher zurückzuweisen.
2. Der unter einem gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war sohin mangels der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.