JudikaturVfGH

U30/12 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2012

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung:

1. Mit am 5. Jänner 2012 zur Post gegebenem

Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Verfahrenshilfeantrags zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 29. September 2011. Mit demselben Schriftsatz wird der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang gestellt.

2. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags

führt der Einschreiter im Wesentlichen aus, dass er dem Flughafensozialdienst im Jahr 2006 eine Zustellvollmacht erteilt habe. Ihm sei mitgeteilt worden, dass Zustellungen an seine Postadresse erfolgen würden, sobald er den Asylbehörden einen Meldezettel vorlege, was der Einschreiter in weiterer Folge auch gemacht habe. Im Juli 2011 habe der Asylgerichtshof den Antragsteller schriftlich zur Stellungnahme aufgefordert, die aufgrund der Zustellvollmacht an den Flughafensozialdienst gerichtet worden sei. Dieser habe den Antragsteller nicht von der Zustellung informiert. Die Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 29. September 2011 sei wiederum einem Mitarbeiter des Vereins Flughafensozialdienst zugestellt worden. Der Einschreiter habe erst am 22. Dezember 2011 erfahren, dass bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliege und sei daher ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen, von der angefochtenen Entscheidung Kenntnis zu erlangen.

3. Da das VfGG in §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 Abs1 leg.cit. die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden: Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert ist und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

3.1. Bringt der Antragsteller vor, dass er von der rechtswirksamen Zustellung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt hat, ist ihm entgegenzuhalten, dass die unterlassene Mitteilung seines Zustellungsbevollmächtigten an ihn einen groben Sorgfaltsverstoß darstellt, der einer Bewilligung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegensteht. Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist (vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG §71 Rz 43 f.).

3.2. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor. Der Antrag ist sohin gemäß §149 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren mit in nichtöffentlicher Sitzung gefasstem Beschluss abzuweisen.

4. Da die sechswöchige Beschwerdefrist des §88a iVm §82 Abs1 VfGG zum Zeitpunkt der Postaufgabe des vorliegenden Verfahrenshilfeantrages schon verstrichen war, aber nur ein innerhalb dieser Frist gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe deren Unterbrechung zu bewirken vermag (§464 Abs3 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG), erwiese sich eine künftige Beschwerde als verspätet (vgl. auch VfGH 14.03.2012, U1391/11).

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG) mit in nichtöffentlicher Sitzung gefasstem Beschluss (§72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG) abzuweisen (vgl. zB VfSlg. 14.582/1996; VfGH 17.3.1999, B311/99).

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