JudikaturVfGH

G22/12 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2012

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung:

I. Antrag

1. Der Antragsteller begehrt gemäß Art140 B-VG, "den ersten Satz des §31 Abs5 sowie die Absätze 6 und 7 des §31 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009, LGBl Nr. 30/2009 idgF" als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Seine Antragslegitimation begründet der Antragsteller wie folgt: Er sei Alleineigentümer einer Wohnung in einem Wohnhaus auf einer bestimmten Liegenschaft in der Gemeinde Saalbach. Dieses Wohnhaus sei mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Saalbach aus dem Jahr 1977 baubehördlich bewilligt worden; die Benützungsbewilligung datiere aus dem Jahr 1978. In diesem Wohnhaus befänden sich sieben Eigentumswohnungen, somit mehr als die in §31 Abs5 Sbg. ROG 2009 genannten fünf Wohnungen. Es handle sich um keinen Betrieb zur gewerblichen Beherbergung; die Wohnung des Antragstellers werde "bis heute nur an Gastgewerbepersonal vermietet und nicht touristisch genutzt", sodass dieses Wohnhaus bzw. die Wohnung des Antragstellers nicht unter die Ausnahmebestimmung des §31 Abs5 Z1 bis 3 Sbg. ROG 2009 falle. Das "touristische Vermietungsverbot" des ersten Satzes des §31 Abs5 Sbg. ROG 2009 und die "überschießenden behördlichen Ermächtigungen zum jederzeitigen Zutritt [zur Wohnung des Antragstellers] und die Auskunftserteilungspflicht an Gemeindeorgane" der Abs6 und 7 leg.cit. würden den Antragsteller unmittelbar in seinen Rechten verletzen und ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides für den Antragsteller wirksam werden.

3. Seine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen legt der Antragsteller wie folgt dar:

3.1. Das "touristische Vermietungsverbot" des §31

Abs5 erster Satz Sbg. ROG 2009 stelle gegenüber der legalen Vermietungsmöglichkeit in Bauten mit weniger als fünf Wohnungen eine unsachliche Differenzierung dar und verstoße daher gegen den Gleichheitssatz des Art2 StGG und das Diskriminierungsverbot des Art18 AEUV. Außerdem handle es sich um einen gravierenden Eingriff in das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG und Art1 1.ZPEMRK). Die genannte Bestimmung verstoße auch gegen die Niederlassungsfreiheit des Art49 AEUV und gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art63

AEUV.

3.2. §31 Abs6 und 7 Sbg. ROG 2009 seien verfassungswidrig, weil durch diese "überschießenden behördlichen Ermächtigungen zum jederzeitigen Zutritt [zur Eigentumswohnung des Antragstellers] und die Auskunftserteilungspflicht an Gemeindeorgane" das durch Art8 Abs1 EMRK gewährleistete Recht des Antragstellers auf Achtung der Wohnung und die durch Art9 StGG gewährleistete Unverletzlichkeit des Hausrechtes verletzt würden.

II. Rechtslage

1. Das Gesetz vom 17. Dezember 2008 über die Raumordnung im Land Salzburg (Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 - ROG 2009), LGBl. 30/2009 idF LGBl. 53/2011, lautet auszugsweise (die zur Aufhebung beantragten Teile sind hervorgehoben):

"Zweitwohnungen

§31

(1) Eine Verwendung als Zweitwohnung ist nur in ausgewiesenen Zweitwohnungsgebieten zulässig.

(2) Eine Verwendung als Zweitwohnung liegt vor, wenn Wohnungen oder Wohnräume dem Aufenthalt während des Urlaubs, des Wochenendes oder sonstigen Freizeitzwecken dienen und diese Nutzung nicht im Rahmen des Tourismus (gewerbliche Beherbergung, Privatzimmervermietung udgl) erfolgt. Verfügungsrechte über Wohnungen und Wohnräume, die über den typischen Beherbergungsvertrag hinausgehen, schließen die Annahme einer Nutzung im Zusammenhang mit dem Tourismus aus.

(3) ...

(5) Eine touristische Nutzung von Wohnungen ist außerhalb von ausgewiesenen Zweitwohnungsgebieten in Bauten mit mehr als fünf Wohnungen nicht zulässig.

Dieses Verbot gilt nicht:

1. in Betrieben zur gewerblichen Beherbergung;

2. in Apartmenthäusern, die als solche vor dem 1. Jänner 1973 oder später auf Grund einer unter Anwendung des ArtIII Abs2 der Raumordnungsgesetz-Novelle 1972, LGBl Nr 126, baubehördlich bewilligt worden sind;

3. für Wohnungen, die bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (§81 Abs1) rechtmäßig touristisch genutzt worden sind.

Für Wohnungen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits bestehen, aber nicht unter die Ausnahmen gemäß Z1 bis 3 fallen, hat der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin die touristische Nutzung durch Bescheid zu bewilligen, wenn für die Errichtung der Wohnung keine Wohnbauförderungsmittel in Anspruch genommen worden sind und die Wohnung keine gute Eignung für Hauptwohnsitzzwecke aufweist oder in der Gemeinde keine Nachfrage besteht, die das Angebot an für Hauptwohnsitzzwecke geeigneten Wohnungen erheblich übersteigt. Im Fall des Fehlens einer solchen Nachfrage ist die Bewilligung auf höchstens zehn Jahre zu befristen.

(6) Zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der sich aus den Abs1 bis 5 ergebenden Beschränkungen für die Nutzung als Zweitwohnung oder zu touristischen Zwecken sind den damit betrauten Organen die Zufahrt und der Zutritt zu dem jeweiligen Objekt zu gewähren und die erforderlichen Auskünfte über dessen Verwendung zu erteilen.

(7) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen eine Nutzung anzunehmen, die den sich aus den Abs1 bis 5 ergebenden Beschränkungen widerspricht, haben die Versorgungs- oder Entsorgungsunternehmen, die Erbringer von Postdiensten oder von elektronischen Zustelldiensten auf Anfrage des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin die zur Beurteilung der Nutzung erforderlichen Auskünfte zu erteilen oder die erforderlichen Daten zu übermitteln.

...

Strafbestimmungen

§78

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, soweit die Tat nicht den Tatbestand einer mit höherer Strafe bedrohten strafbaren Handlung bildet, wer

1. ...

4. eine Wohnung entgegen §31 Abs5 touristisch nutzt oder wissentlich nutzen lässt;

5. den Verpflichtungen gemäß §31 Abs6 oder 7 nicht entspricht; ...

(2) Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 sind

unbeschadet sonstiger Folgen (baupolizeilicher Auftrag, Vollstreckung udgl) zu bestrafen:

1. in den Fällen des Abs1 Z1, 5, 6, 7 und 8 mit Geldstrafe bis 5.000 € und für den Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche;

2. in den Fällen des Abs1 Z2, 3 und 4 mit Geldstrafe bis 25.000 € und für den Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu fünf Wochen. ...

In- und Außerkrafttreten

§81

(1) Dieses Gesetz tritt mit 1. April 2009 in Kraft.

..."

III. Erwägungen

Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).

Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem genannten Beschluss VfSlg. 8009/1977 außerdem in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesvorschrift sind schließlich, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren (vgl. zB VfSlg. 8155/1977, 8461/1978, 12.464/1990) schon wiederholt darlegte, notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (zB VfSlg. 8155/1977, 12.235/1989, 13.629/1993, 14.740/1997, 15.964/2000, 16.212/2001, 16.693/2002, 16.756/2002, 17.101/2004).

2. Soweit sich der Antrag gegen das "touristische Vermietungsverbot" des §31 Abs5 Sbg. ROG 2009 richtet, das für die Wohnung des Antragstellers gelte, erweist sich der Antrag zunächst schon deshalb als unzulässig, weil er nur die Aufhebung des ersten Satzes dieser Bestimmung begehrt und damit den Anfechtungsumfang zu eng wählt: Der im Falle einer Aufhebung nur in diesem Umfang verbleibende Rest der Bestimmung ("Dieses Verbot gilt nicht: ...") würde nicht (nur) seinen Anwendungsbereich verlieren, sondern bekäme den völlig veränderten Inhalt, dass diese Ausnahmeregelung auf das Verbot der Verwendung bestimmter Wohnungen als Zweitwohnungen zu beziehen wäre (Abs1 bis 4 leg.cit.). Alle Teile des §31 Abs5 Sbg. ROG 2009 stehen außerdem deshalb in einem untrennbaren Zusammenhang, weil sich die tatsächliche Reichweite des im ersten Satz statuierten Verbots erst durch die gesetzlichen Ausnahmen (Z1 bis 3) und die Verpflichtung des Bürgermeisters, eine Bewilligung der touristischen Nutzung für bestimmte Wohnungen zu erteilen (vgl. gleich unten), ergibt.

Abgesehen vom zu engen Anfechtungsumfang übersieht der Antrag jedoch auch und vor allem, dass ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung steht, Bedenken gegen das "touristische Vermietungsverbot" des §31 Abs5 Sbg. ROG 2009 an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen: Gemäß dem vorletzten Satz dieser Bestimmung hat der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin für Wohnungen, die "bei Inkrafttreten dieses Gesetzes" (1. April 2009, vgl. §81 Abs1 Sbg. ROG 2009) bereits bestehen, aber nicht unter die Ausnahmen gemäß Z1 bis 3 fallen, die touristische Nutzung durch Bescheid zu bewilligen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Der Antragsteller legt dar, dass seine Wohnung bereits seit dem Jahr 1978 besteht. Es steht ihm frei, eine Bewilligung für die touristische Nutzung der Wohnung zu beantragen. Die Stellung eines solchen Antrags würde nicht die - vom Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 13.663/1993 uva.) als unzumutbar angesehene - Anfertigung kostspieliger Planunterlagen erfordern. Selbst wenn ein solcher Antrag in der Sache aussichtslos wäre, würde das an der Zumutbarkeit dieses Weges nichts ändern (VfSlg. 13.226/1992, 13.754/1994, 15.524/1999, 14.739/1997, 16.867/2003). Gegen einen - letztinstanzlichen - Bescheid, mit dem das Bewilligungsbegehren abgewiesen (bzw. einer anschließenden Vorstellung keine Folge gegeben) würde, könnte der Antragsteller Beschwerde gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erheben und darin seine Bedenken gegen das Verbot des §31 Abs5 Sbg. ROG 2009 vorbringen.

3. Soweit sich der Antrag gegen §31 Abs6 und 7

Sbg. ROG 2009 richtet, begnügt sich der Antragsteller, was die Darlegung des unmittelbaren und aktuellen Eingriffs in seine Rechtssphäre betrifft, mit der bloßen Behauptung, die "überschießenden behördlichen Ermächtigungen zum jederzeitigen Zutritt [zur Wohnung des Antragstellers] und die Auskunftserteilungspflicht an Gemeindeorgane" der Abs6 und 7 leg.cit. würden ihn unmittelbar in seinen Rechten verletzen und ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides für ihn wirksam werden. Es werden jedoch keine konkreten Umstände ins Treffen geführt, die eine "jederzeitige" Ausübung von behördlichen Befugnissen nach diesen Bestimmungen gegenüber dem Antragsteller als besonders wahrscheinlich erscheinen ließen oder sonst geeignet wären, eine aktuelle, nicht bloß potentielle Betroffenheit darzulegen: Dass der Antragsteller an anderer Stelle ausführt, Eigentümer einer Wohnung in einem Haus mit mehr als fünf Wohnungen zu sein und diese "bis heute" nur an Gastgewerbepersonal zu vermieten, reicht für sich nicht aus, eine aktuelle und nicht bloß potentielle Betroffenheit durch eine (oder gar jede) der behördlichen Ermächtigungen der Abs6 und 7 leg.cit. darzutun. Aus welchen konkreten Gründen die durch Abs6 und 7 leg.cit. ermächtigten Behörden einen aktuellen Anlass zum Einschreiten im Zusammenhang mit der Wohnung des Antragstellers sehen sollten, kann dieser derzeit wohl auch deshalb nicht plausibel darlegen, weil noch nicht geklärt ist, ob das ins Treffen geführte Verbot der "touristischen Vermietung" für die Eigentumswohnung des Antragstellers überhaupt gilt oder nicht, solange er den oben skizzierten Weg, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §31 Abs5 Sbg. ROG 2009 an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, noch nicht beschritten hat. Wird durch einen Antrag nicht konkret dargetan, inwieweit durch das bekämpfte Gesetz ein unmittelbarer und aktueller Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers vorliegt, so leidet der Antrag an einem inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel (VfSlg. 18.187/2007 mwN).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

Der Antrag war daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG bzw. in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene Verhandlung zurückzuweisen.

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