JudikaturVfGH

V50/12 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
20. September 2012

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung:

I. Antragsvorbringen

1. Die Antragstellerin begehrt gestützt auf Art139 Abs1 B-VG, der Verfassungsgerichtshof möge §1 Abs1 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz in der Fassung des Mitteilungsblatts der Universität Graz vom 6. Juni 2012, 35.a Stück, 38. Sondernummer, zur Gänze, "in eventu die Wortfolge 'haben jedes Semester im Voraus einen Studienbeitrag in der Höhe von 363,36 Euro zu entrichten' in §1 Abs1", "in eventu die Wortfolge '363,36 Euro' in §1 Abs1" als gesetzwidrig aufheben.

2. Zur Antragslegitimation führt die Antragstellerin aus, sie sei Studierende der Universität Graz im Curriculum Bachelor Betriebswirtschaft im sechsten Semester. Da die Antragstellerin - eine russische Staatsangehörige - weder die österreichische Staatsbürgerschaft besitze noch Unionsbürgerin sei, sei §1 Abs1 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz auf sie anzuwenden, womit sie ab dem Wintersemester 2012/13 Studienbeiträge zu entrichten habe. Da die Antragstellerin auf Grund von §62 Abs2 Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002; in der Folge: UG 2002) ihr Studium nicht fortsetzen könne, ohne den Studienbeitrag zu entrichten, liege ein unmittelbarer Eingriff in ihre Rechtssphäre vor.

Die Zulässigkeit des vorliegenden Individualantrages ergebe sich daraus, dass die in der Satzung vorgesehene bescheidmäßige Feststellung der Beitragspflicht keine "zumutbare Abhilfe" darstelle: Es sei nicht damit zu rechnen, dass über einen Antrag auf Erlassung eines solchen Feststellungsbescheides innerhalb der Zulassungsfrist entschieden würde, womit die Antragstellerin entweder den Studienbeitrag zu bezahlen hätte oder ihr Studium nicht fortsetzen könne. Da die Antragstellerin nur über begrenzte finanzielle Mittel verfüge, der Verlust der Studierendeneigenschaft den Ausschluss von Sozialleistungen und sonstigen Vergünstigungen zur Folge hätte und sie sich ohne abgeschlossene Ausbildung eine Beschäftigung suchen müsse, träfe die Entrichtung des Studienbeitrages die Antragstellerin unbillig hart.

3. In der Sache wird mit näherer Begründung die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Regelung des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz behauptet. Diese ergebe sich zusammengefasst insbesondere daraus, dass - so die Auffassung der Antragstellerin - die Einhebung von Studienbeiträgen nicht in die autonome Regelungskompetenz der Universitäten falle. Daneben wird behauptet, die angefochtene Satzungsregelung sei gleichheitswidrig und mit dem Grundrecht auf (diskriminierungsfreien Zugang zu) Bildung gemäß Art2

1. ZPEMRK (iVm Art14 EMRK) und mit der Berufsausübungsfreiheit gemäß Art18 StGG nicht vereinbar.

II. Rechtslage

Die hier relevanten Bestimmungen des mit Beschluss des Senates des Karl-Franzens-Universität Graz vom 16. Mai 2012 eingeführten Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz in der Fassung des Mitteilungsblatts der Universität Graz vom 6. Juni 2012,

35. a Stück, 38. Sondernummer, haben folgenden Wortlaut (der - im Hauptantrag zur Gänze, in den Eventualanträgen hinsichtlich näher bezeichneter Wortfolgen - angefochtene §1 Abs1 ist durch Unterstreichung hervorgehoben):

"Studienbeitrag

§1

(1) Ordentliche Studierende, die die Voraussetzungen gemäß Abs2 nicht erfüllen, und außerordentliche Studierende, für die §91 Abs7 UG nicht zur Anwendung kommt, haben für jedes Semester im Voraus einen Studienbeitrag in der Höhe von 363,36 Euro zu entrichten. Der Studienbeitrag erhöht sich bei Entrichtung nach dem Ende der allgemeinen Zulassungsfrist 10 vH.

(2) Ordentliche Studierende, welche die

österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, EU-Bürger/innen sind oder denen Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages (wie z.B. der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955) dieselben Rechte für den Berufszugang zu gewähren hat wie Inländer/innen, haben, wenn sie die vorgesehene Studienzeit zuzüglich Toleranzsemester gemäß §2 nicht überschreiten, keinen Studienbeitrag zu entrichten.

(3) Bestehen Zulassungen zu mehreren Studien an der Universität Graz, so ist ein Studienbeitrag zu entrichten, sofern in zumindest einem Studium eine Beitragspflicht besteht. Besteht an der Universität Graz in zumindest einem Studium eine Beitragspflicht und bestehen Zulassungen auch an weiteren österreichischen Universitäten, so ist ein Studienbeitrag von zumindest 363,36 Euro (bei Entrichtung nach dem Ende der allgemeinen Zulassungsfrist von zumindest 399,70 Euro) an einer Universität zu entrichten, an der Beitragspflicht besteht.

(4) Auf Antrag einer/eines Studierenden oder einer Person, die einen Antrag auf Zulassung zum Studium gestellt hat, ist deren Beitragspflicht bescheidmäßig festzustellen. Der Antrag ist innerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist oder der Nachfrist des betreffenden Semesters einzubringen.

Bemessung der vorgesehenen Studienzeit

§2

(1) Die vorgesehene Studienzeit und die Anzahl der Toleranzsemester im Sinne des §1 Abs2 sind wie folgt zu bemessen:

1. in Bachelor- und Masterstudien: Die vorgesehene Studienzeit in Semestern ist anhand des in ECTS-Anrechnungspunkten bemessenen gesamten Arbeitsaufwandes laut Curriculum zu errechnen, wobei gem. §51 Abs2 Z. 26 UG 60 ECTS-Anrechnungspunkte einem Studienjahr entsprechen. Für Bachelor- und Masterstudien sind jeweils zwei Toleranzsemester vorgesehen.

2. in Doktoratsstudien: Die im Curriculum vorgesehene Studienzeit kann um zwei Toleranzsemester überschritten werden. Ist im Curriculum keine Studienzeit festgelegt, ist von einer Studienzeit von drei Jahren auszugehen.

3. in Diplomstudien: vorgesehene Studienzeit laut Curricula, zwei Toleranzsemester in jedem Studienabschnitt. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, wird dem nächst folgendem Studienabschnitt ein zusätzliches Toleranzsemester zugerechnet. Ein Semester ist dem nächstfolgenden Studienabschnitt zuzuordnen, wenn die den bisherigen Studienabschnitt abschließende Prüfung vor dem Ende der jeweiligen Nachfrist gemäß §61 Abs2 UG abgelegt wurde. Bei unterschiedlicher Semesterzahl der Unterrichtsfächer in Lehramtsstudien ist die höhere Semesterzahl zur Bestimmung der vorgesehenen Studienzeit pro Abschnitt maßgeblich.

(2) Die Zahl der bisher zurückgelegten Semester eines Studiums ist an Hand der Kennzahlen gemäß §5 Abs4 sowie nach §9 Abs3 UniStEV 2004 (BGBl. II Nr. 288/2004 idF BGBl. II Nr. 161/2011) zu ermitteln.

Bei gemeinsam eingerichteten Studien gilt, dass die an der jeweils anderen Universität absolvierte Studienzeit bei der Bemessung der Studiendauer zu berücksichtigen ist.

(3) Bei der Bemessung der vorgesehenen Studiendauer sind folgende Semester nicht zu berücksichtigen:

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht

(VfSlg. 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

2. §1 Abs2 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz sieht vor, dass unter anderem ordentliche Studierende, die die österreichische Staatsangehörigkeit besitzen bzw. UnionsbürgerInnen sind, keinen Studienbeitrag zu entrichten haben, wenn sie die vorgesehene Studienzeit zuzüglich Toleranzsemester gemäß §2 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz nicht überschritten haben. Dieser §2 regelt in der Folge im Einzelnen die vorgesehene Studienzeit und die Anzahl der Toleranzsemester im Sinne des §1 Abs2 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung für die an der Universität Graz angebotenen Studien.

Der - hier angefochtene - §1 Abs1 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz verpflichtet unter anderem ordentliche Studierende, die die dargestellten Voraussetzungen gemäß §1 Abs2 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz nicht erfüllen, dazu, für jedes Semester im Voraus einen Studienbeitrag in der Höhe von € 363,36 zu entrichten. Gemäß §1 Abs4 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz ist unter anderem auf Antrag eines Studierenden dessen Beitragspflicht bescheidmäßig festzustellen. Ein solcher Antrag ist bis zum Ende der Nachfrist des betreffenden Semesters einzubringen.

Gemäß §62 Abs1 UG 2002 sind Studierende verpflichtet, innerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist oder der Nachfrist jedes Semesters der Universität, an der eine Zulassung zum Studium besteht, die Fortsetzung des Studiums zu melden. Eine solche Meldung der Fortsetzung des Studiums ist unter anderem unwirksam "solange die allfälligen Studienbeiträge nicht eingelangt sind" (§62 Abs2 Z1 UG 2002). Nach §68 Abs1 Z2 UG 2002 erlischt die Zulassung (zu einem ordentlichen Studium), wenn der Studierende die Meldung der Fortsetzung des Studiums unterlässt, ohne beurlaubt zu sein.

3. Der Antragstellerin steht ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffs in ihre Rechtssphäre zur Verfügung:

Nach §1 Abs4 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz steht es der Antragstellerin offen, die bescheidmäßige Feststellung ihrer Beitragspflicht zu begehren und auf diese Weise im Verwaltungsweg einen nach Art144 Abs1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbaren Bescheid zu erwirken. Ein zu erwartendes, für die Antragstellerin "negatives" Ergebnis eines solchen Verwaltungsverfahrens ändert an der Zumutbarkeit eines solchen Weges, die behauptete Rechtswidrigkeit des §1 Abs1 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, nichts (vgl. VfSlg. 14.297/1995, 14.613/1996, 18.360/2008).

Sollten aus Anlass eines solchen Bescheidbeschwerdeverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof die die Grundlage für die festgestellte Beitragspflicht bildenden Satzungsbestimmungen der Universität Graz als verfassungs- oder gesetzwidrig aufgehoben werden, wären der Antragstellerin von ihr entrichtete Studienbeiträge rückzuerstatten. Es ist dabei auch zumutbar, dass die Antragstellerin - will sie die Rechtsfolgen des §68 Abs1 Z2 iVm §62 Abs2 Z1 UG 2002 vermeiden - den Studienbeitrag zunächst zu entrichten haben wird (vgl. zB VfSlg. 14.019/1995, 14.796/1997).

4. Da der Antragstellerin somit die Möglichkeit offen steht, ihre Bedenken ob der Rechtmäßigkeit des §1 Abs1 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz im Wege einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, erweisen sich die auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Anträge schon aus diesem Grund als unzulässig (vgl. VfGH 28.6.2012, V35/12).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der (Haupt )Antrag, §1 Abs1 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben, und die (Eventual )Anträge, die Wortfolge "haben für jedes Semester im Voraus einen Studienbeitrag in der Höhe von 363,36 Euro zu entrichten" in §1 Abs1 bzw. die Wortfolge "363,36 Euro" in §1 Abs1 des Satzungsteils "Studienbeitrag" der Satzung der Universität Graz als gesetzwidrig aufzuheben, sind zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne

weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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