G86/12 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung:
1. Mit den zu G86/12 und G95/12 protokollierten Schriftsätzen brachte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gestützt auf Art140 B-VG Anträge zur Aufhebung von Teilen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein, die die Verhängung von Schubhaft näher regeln. Die Bedenken des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit iSv Art89 Abs2 B-BG entstanden im Zuge von auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Schubhaftbescheiden, von Festnahmen oder von Anhaltungen gemäß §82 Abs1 Z3 FPG.
2. Im Einzelnen stellt der Unabhängige
Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in dem zu G86/12 protokollierten Schriftsatz den Antrag auf Aufhebung von §76 Abs2 Z1 FPG BGBl. 100/2005 idF BGBl. 50/2012 und den Eventualantrag auf Aufhebung der Wortfolge ", wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann" in §77 Abs1 erster Satz leg.cit. Da §76 Abs2 Z1 FPG mit der Novelle BGBl. I 50/2012 nicht geändert wurde, ist der Antrag des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich so zu deuten, dass §76 Abs2 Z1 FPG in der Fassung angefochten wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle
BGBl. I 50/2012 in Geltung stand. Gemäß §126 Abs11 FPG 2005 traten die im Zuge dieser Novelle normierten Änderungen am 1. September 2012 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt stand §76 Abs2 Z1 FPG in der Stammfassung BGBl. I 100/2005 in Geltung.
2.1. Über Anträge des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreichs mit denen die Aufhebung derselben Bestimmungen in derselben Fassung mit denselben - wortgleichen - Bedenken begehrt wurde, hat der Verfassungsgerichthof bereits mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G140/11 ua. Zlen, abgesprochen. Aus zeitlichen Gründen war es nicht mehr möglich die Anträge zu G86/12 mit den übrigen im Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G140/11 ua. behandelnden Anträgen zu verbinden. Der Verfassungsgerichtshof hat über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen nur ein einziges Mal zu entscheiden (vgl. VfSlg. 13.085/1992 mwN). Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung das Erkenntnis nicht kennen konnte (vgl. VfSlg. 16422/2002). Die zu G86/12 protokollierten Anträge waren daher wegen entschiedener Sache gemäß §19 Abs3 Z2 litd VfGG als unzulässig zurückzuweisen.
3. Gemäß §62 Abs1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen das Gesetz sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen (VfSlg. 11.888/1988, 12.223/1989). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und - gleichsam stellvertretend - das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfSlg. 17.099/2003, 17.102/2003). Es genügt nicht, dass vom Antragsteller behauptet wird, dass die bekämpften Gesetzesstellen gegen eine - wenn auch näher bezeichnete - Verfassungsbestimmung verstoßen; es muss vielmehr vom Antragsteller konkret dargelegt werden, aus welchen Gründen den aufzuhebenden Normen die behauptete Verfassungswidrigkeit anzulasten sei (VfSlg. 13.123/1992).
3.1. Diesen Anforderungen werden die zu G95/12 protokollierten Anträge nicht gerecht. Bei diesen Schriftsätzen bleibt völlig unklar, wie das allgemein als "verfassungsrechtliche Bedenken" bezeichnete Vorbringen den Anträgen auf Aufhebung einzelner Teile des FPG zugeordnet werden soll. Hinzu kommt, dass die Anträge jeweils zu Beginn und am Ende des Schriftsatzes nicht übereinstimmend formuliert sind. So wird mit dem ersten Eventualbegehren am Beginn des Schriftsatzes jeweils die Aufhebung von §80 Abs4 Z1 und 2 FPG und mit dem zweiten Eventualbegehren jeweils die Aufhebung von §76 Abs2 Z2 FPG beantragt, während am Ende des Schriftsatzes mit dem ersten Eventualbegehren die Aufhebung von §80 Abs4 letzter Satz FPG und mit dem zweiten Eventualbegehren die Aufhebung von §76 Abs2 Z1 FPG beantragt wird. Der Umfang des Aufhebungsbegehrens ist daher nicht nur aus formaler Sicht unklar, auch das inhaltliche Vorbringen des antragstellenden Unabhängigen Verwaltungssenats lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen worauf die Anträge gerichtet sind. Insoweit gleichen die Anträge den zu G55/12 und G72/12 protokollierten, die mit dem Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G140/11 ua. zurückgewiesen wurden. Auch die zu G95/12 protokollierten Anträge sind daher schon aus diesem Grund unzulässig.
3.2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.