Verstoß gegen das Recht auf Informationsfreiheit durch die Beschränkung des Einsichtsrechts auf bestimmte Daten des Registers der Wirtschaftlichen Eigentümer; Unverhältnismäßigkeit der Einschränkung des Einsichtsrechts ua in historische Daten, in Angaben darüber, ob die wirtschaftlichen Eigentümer durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter festgestellt und überprüft wurden sowie in Daten des erweiterten Auszuges; keine Einschränkung für Personen mit berechtigtem Interesse an Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsmaßnahmen; Sachlichkeit der – nur Verpflichtete treffende – Feststellung der Identität angesichts der Aufgabe von Personen mit berechtigtem Interesse, Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen
Verfassungswidrigkeit des §10 Abs1 Z1 WiEReG idF BGBl I 97/2023. Die übrigen Bestimmungen des §10 WiEReG idF BGBl I 97/2023 waren nicht verfassungswidrig. Keine Aufhebung des §10a WiEReG idF BGBl I 97/2023.
Zur Beschränkung der einsichtsberechtigten Personen auf solche mit spezifischem berechtigten Interesse (§10 Abs2 WiEReG):
Das Bedenken, dass §10 Abs2 WiEReG durch die Einschränkung des berechtigten Interesses auf jene Fälle, in denen ein Bezug zu den dem WiEReG zugrunde liegenden Zwecken (Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsmaßnahmen) bestehe, gegen Art10 Abs1 EMRK verstoßen könnte, konnte im Gesetzesprüfungsverfahren zerstreut werden:
Der Begriff des berechtigten Interesses ist durch die 4. Geldwäsche-RL nicht eigens definiert. Erwägungsgrund 14 leg cit kann allerdings entnommen werden, dass Personen, die ein legitimes Interesse im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und damit zusammenhängenden Vortaten – wie Bestechung, Steuerstraftaten und Betrug – nachweisen, Zugang zu den Informationen über den wirtschaftlichen Eigentümer des Rechtsträgers zu gewähren ist. Ebenso zu berücksichtigen ist die Rsp des EuGH (22.11.2022 [GK], C‑37/20 ua, WM ua Rz 74), der – in Abgrenzung zu einem der gesamten Öffentlichkeit zukommenden Einsichtsrecht – ausführte, dass jedenfalls der Presse sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen, die einen Bezug zu Verhütung und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung aufwiesen, ein berechtigtes Interesse am Zugang zu den Angaben über den wirtschaftlichen Eigentümer des Rechtsträgers zukomme.
Vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Grundlage sowie der Rsp des EuGH geht der VfGH davon aus, dass der Gesetzgeber mit dem Anknüpfen an ein spezifisches berechtigtes Interesse in §10 Abs2 WiEReG eine sachliche Interessenabwägung vorgenommen hat, indem ein berechtigtes Interesse nur bei jenen Personen und Organisationen anzunehmen ist, die einen Bezug zu den die Datenerhebung tragenden Zwecken (Verhütung und Bekämpfung von Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung, Umgehung von Sanktionsbestimmungen und damit im Zusammenhang stehende Vortaten) aufweisen.
Dabei obliegt es der Registerbehörde, im Einzelfall bei der Beurteilung des berechtigten Interesses iSd §10 Abs2 WiEReG sicherzustellen, dass der durch Art10 Abs1 EMRK grundrechtlich geschützte Informationsanspruch nicht in unverhältnismäßiger Weise beschränkt wird.
Zur Beschränkung des Einsichtsrechtes nach §10 WiEReG auf gewisse in Abs1 leg cit genannte Daten:
Darüber hinaus ging der VfGH vorläufig davon aus, dass auch nicht von §10 Abs1 WiEReG erfasste Daten – beispielsweise die historischen Daten, die Angabe, ob die wirtschaftlichen Eigentümer durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter festgestellt und überprüft wurden, die Angabe, ob nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten die wirtschaftlichen Eigentümer nicht festgestellt und überprüft werden konnten oder die automationsunterstützt generierte Darstellung aller bekannten Beteiligungsebenen, die für die Ermittlung des wirtschaftlichen Eigentümers relevant sind – Informationen von öffentlichem Interesse sein könnten, die zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen und deshalb vom Einsichtsrecht gemäß §10 Abs1 WiEReG umfasst sein müssen.
Dieses Bedenken konnte im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:
§10 WiEReG greift zum einen durch die Beschränkung des Informationanspruches in Art10 EMRK ein, zum anderen aber durch die Gewährung der Einsicht in §1 DSG iVm Art8 EMRK. Ein gesetzlich vorgesehener Eingriff in diese Grundrechte ist nach dem jeweiligen Gesetzesvorbehalt gerechtfertigt, wenn er aus einem der in Art10 Abs2 EMRK bzw §1 Abs2 DSG iVm Art8 Abs2 EMRK genannten Gründe notwendig und verhältnismäßig ist.
Die Beschränkung des Rechts auf Einsichtnahme durch §10 Abs1 WiEReG ist im Lichte des Art10 Abs2 EMRK zulässig, wenn die durch §1 Abs1 DSG iVm Art8 EMRK garantierten Interessen des Rechtsträgers oder seines wirtschaftlichen Eigentümers andernfalls unverhältnismäßig stark beeinträchtigt werden würden. Dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung hat eine Klärung voranzugehen, ob die jeweiligen Informationen in den Anwendungsbereich des Art10 EMRK fallen, um in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob an diesen Informationen ein schutzwürdiges Interesse des Rechtsträgers oder seines wirtschaftlichen Eigentümers besteht. Das schutzwürdige Interesse muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles gegenüber den Interessen der Einsichtnahme in das Register und der Übermittlung der Daten überwiegen. Am Bestehen eines Informationsanspruches nach Art10 EMRK ändert es nichts, wenn Behörden allenfalls auf Hinweis von Medien aktiv werden.
Nicht alle von §10 Abs1 WiEReG erfassten Informationen sind aus grundrechtlicher Sicht als gleichwertig anzusehen, weil abhängig von der konkret betroffenen Information ein unterschiedlich starker Eingriff in die jeweils grundrechtlich geschützten Positionen des Einsichtnehmenden und der von der Einsicht betroffenen Person anzunehmen ist. Hinsichtlich der bereits im Prüfungsbeschluss genannten Daten bleibt der VfGH vor dem Hintergrund, dass es sich um Informationen von öffentlichem Interesse handelt, die zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen, bei seiner Ansicht, dass deren Ausschluss vom Einsichtsrecht gemäß §10 WiEReG eine unverhältnismäßige Beschränkung von Art10 EMRK darstellt:
Gemäß §9 Abs3 letzter Satz WiEReG kann sowohl im Fall eines einfachen als auch eines erweiterten Auszuges Auskunft über historische Daten gemäß §9 Abs4 Z1 bis 4, Z5 lita bis d, f und g, Z6 lita bis d, f bis h, 7 und 8 sowie §9 Abs5 Z2 WiEReG beantragt werden. Soweit von dieser Bestimmung Informationen umfasst sind, die auch in einem Auszug nach §10 Abs1 WiEReG bereitgestellt werden, besteht an diesen auch ein vergleichbares öffentliches Interesse wie an den (aktuell) nach §10 Abs1 WiEReG zur Verfügung gestellten Informationen. Vor diesem Hintergrund vermag der VfGH nicht zu erkennen, inwiefern an den historischen Daten ein überwiegendes schützenswertes Interesse des betroffenen wirtschaftlichen Eigentümers besteht. Vielmehr erscheint die Regelung dazu geeignet, die journalistische Arbeit in unverhältnismäßig starkem Maß einzuschränken, weil mit der Beschränkung keine spezifisch schützenswerten Interessen des wirtschaftlichen Eigentümers korrespondieren, solange es sich um jene historischen Daten handelt, die ohnehin in einem Auszug gemäß §10 Abs1 WiEReG enthalten sind.
Geeignet, zur öffentlichen Debatte beizutragen, sind nach Ansicht des VfGH auch die Angaben darüber, ob die wirtschaftlichen Eigentümer durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter festgestellt und überprüft wurden und ob die wirtschaftlichen Eigentümer nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten nicht festgestellt und überprüft werden konnten, weil diese Angaben der Sicherstellung einer entsprechend hohen Datenqualität dienen bzw dazu, die Information zu erhalten, dass die Ermittlungsmethode des §2 Z1 litb WiEReG angewendet wurde, nicht jedoch darüberhinausgehende personenbezogene Informationen, die sie nicht ohnehin erhalten würde.
Diese Daten zielen damit in erster Linie nicht darauf ab, dem Einsichtnehmenden zusätzliche Informationen über den Rechtsträger oder dessen wirtschaftlichen Eigentümer zu geben, sondern lediglich darauf, die Qualität der – ohnehin zur Verfügung gestellten – Daten zu beurteilen. Hinsichtlich solcher Informationen, die primär Auskunft über die Datenqualität der in einem Auszug gemäß §10 Abs1 WiEReG enthaltenen Daten geben, vermag der VfGH nicht zu erkennen, dass durch deren Bekanntgabe die durch §1 Abs1 DSG iVm Art8 EMRK grundrechtlich geschützte Position des betroffenen Rechtsträgers oder seines wirtschaftlichen Eigentümers unverhältnismäßig stark beeinträchtigt werden würde.
Ausgenommen von der Einsicht nach §10 WiEReG sind zudem die in §9 Abs5 WiEReG genannten Daten des erweiterten Auszuges. Soweit dieser bzw insbesondere die im Register automationsunterstützt generierte Darstellung aller Beteiligungsebenen Daten umfasst, die die in §10 Abs1 WiEReG genannten Daten oder andere öffentlich verfügbare Daten (zB Firmenbuch) grafisch verknüpften, kann in dieser Ausnahme keine verhältnismäßige Beschränkung von Art10 Abs1 EMRK gesehen werden. Der durch die grafische Zusammenführung von – ohnehin in einem Auszug nach §10 Abs1 WiEReG enthaltenen – Daten erzielte Mehrwert an Information vermag die Beschränkung des Informationsanspruches nach Art10 Abs1 EMRK nicht zu rechtfertigen. Darüber hinaus steht die grafische Darstellung auch im öffentlichen Interesse, weil sie insbesondere bei komplizierten Beteiligungskonstruktionen ("Verschachtelungen") zur Transparenz beiträgt und damit auf die Erreichung der vom WiEReG verfolgten Ziele hinwirkt. Soweit hingegen in der grafischen Darstellung Daten zusammengeführt werden, die über die in §10 Abs1 WiEReG genannten Kategorien hinausgehen, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, einen verhältnismäßigen Interessenausgleich vorzunehmen.
Schon deshalb, weil die genannten Informationen nicht vom Einsichtsrecht gemäß §10 Abs1 WiEReG erfasst sind, bleibt der VfGH bei seiner im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung, dass der Gesetzgeber in §10 Abs1 WiEReG keinen verhältnismäßigen Interessenausgleich zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der Rechtsträger sowie ihrer wirtschaftlichen Eigentümer einerseits und dem Informationsanspruch der durch Art10 EMRK geschützten Personengruppe andererseits geschaffen hat. §10 Abs1 WiEReG beschränkt das Einsichtsrecht für Personen mit berechtigtem Interesse in einer Art10 Abs1 EMRK widersprechenden Weise, weil auch nicht von §10 Abs1 WiEReG erfasste Daten Informationen von öffentlichem Interesse sein können, die zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen.
Zur Differenzierung zwischen Verpflichteten iSd §9 Abs1 WiEReG und Personen mit berechtigtem Interesse gemäß §10 Abs1 WiEReG:
Der VfGH hegte im Prüfungsbeschluss zudem das Bedenken, dass die Differenzierung zwischen Verpflichteten und Personen mit berechtigtem Interesse gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art2 StGG und Art7 B‑VG verstoßen könnte. Dieses Bedenken konnte im Gesetzesprüfungsverfahren zerstreut werden:
Personen mit berechtigtem Interesse gemäß §10 Abs2 WiEReG unterliegen anders als die in §9 Abs1 WiEReG genannten Verpflichteten keiner gesetzlichen Verpflichtung zur Identitätsfeststellung und Überwachung von Geschäftsbeziehungen, deren Nichteinhaltung an negative Folgen geknüpft ist. Anders als die Verpflichteten, die den Zugang zu allen relevanten Registerinformationen zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten benötigen und diese vertraulich und zweckgebunden zu behandeln haben, ist es gerade die Aufgabe der in §10 Abs2 WiEReG genannten Personen und Organisationen, die Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist die gesetzliche Differenzierung zwischen Verpflichteten iSv §9 Abs1 WiEReG und Berechtigten iSv §10 WiEReG sachlich gerechtfertigt und verletzt damit nicht den Gleichheitsgrundsatz.
Die dargelegte Verfassungswidrigkeit ergibt sich daraus, dass der Auszug bei Vorliegen eines berechtigten Interesses gemäß §10 Abs1 Z1 WiEReG auf näher bezeichnete Angaben in §9 Abs4 WiEReG beschränkt ist. Zur Beseitigung dieser Verfassungswidrigkeit ist es erforderlich, §10 Abs1 Z1 WiEReG zur Gänze als verfassungswidrig zu erkennen. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der übrigen Bestimmungen des §10 WiEReG sowie die Aufhebung von §10a WiEReG ist hingegen zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit nicht vonnöten.
(Anlassfall E2888/2024, E v 07.10.2025, Aufhebung der angefochtenen Entscheidung).
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