Abweisung einer Beschwerde betreffend die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen für ein – nicht im gemeinsamen Haushalt lebendes – volljähriges Kind; keine unzureichende steuerliche Entlastung von Geldunterhaltspflichtigen durch die Einführung des Familienbonus Plus; Entlastung der Mehrzahl der Unterhaltspflichtigen durch Leistung des halben Unterhalts mittels Auszahlung des Familienbonus Plus sowie des Unterhaltsabsetzbetrags; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch die Absenkung des Familienbonus Plus für Volljährige wegen der geringeren Verantwortung der Allgemeinheit zur Finanzierung einer steuerlichen Entlastung auf Grund der potentiellen Selbsterhaltungsfähigkeit der Unterhaltsberechtigten
Nach der Rsp des VfGH ist davon auszugehen, dass es angesichts der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit von Unterhaltspflichtigen und nicht unterhaltspflichtigen Personen sachlich nicht zu rechtfertigen ist, dass Unterhaltsleistungen steuerlich nicht in einer der durch die Unterhaltslast geminderten Leistungsfähigkeit entsprechenden Weise angemessen berücksichtigt werden. Dabei soll zumindest die Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhaltes der Kinder erforderlich sind, steuerfrei bleiben. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof ausgesprochen, dass kein Einwand dagegen besteht, dass bei höheren Einkommen die zu leistenden Unterhaltszahlungen nicht zur Gänze, sondern nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag steuerlich berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber kann bei Bemessung der Steuer von Durchschnittswerten ausgehen und hat kann im Zusammenhang mit der Berücksichtigung der Unterhaltslasten von Geldunterhaltspflichtigen eine Anrechnung pauschalierend vorsehen.
Bis zur Einführung des Familienbonus Plus ist das verfassungskonforme Ergebnis einer hinreichenden Berücksichtigung von Unterhaltslasten unter Ausschluss des Abzugs einer außergewöhnlichen Belastung von den Zivilgerichten herbeigeführt worden, indem der Geldunterhaltspflichtige einerseits direkt durch den Unterhaltsabsetzbetrag und andererseits durch die – auf Grund der nur geringen Entlastungswirkung der steuerlichen Maßnahmen notwendige – Kürzung seiner Unterhaltspflicht insgesamt jene Entlastung erfahren hat, die erforderlich ist, um die Steuermehrbelastung auszugleichen, die durch die Nichtabzugsfähigkeit der Hälfte des Unterhaltes entsteht.
Der VfGH geht weiterhin davon aus, dass in Anbetracht der zur Berücksichtigung dieser Lasten vorgesehenen direkten und indirekten Leistungen ein Abzug von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach dem Gleichheitsgrundsatz nicht geboten ist, sondern dieser Ausgleich – auch für die aktuell geltende Rechtslage – einerseits durch Steuerabsetzbeträge und andererseits durch Anrechnung von Transferleistungen herbeigeführt werden kann.
Aus der durch den Familienbonus Plus bewirkten substantiellen Abdeckung von Unterhaltslasten resultiert zum einen, dass in einer erheblichen Zahl von Fällen die gebotene Entlastung des halben Unterhaltes bereits durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag bewirkt wird und insoweit eine faktische Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht eintritt. Die Einführung des Familienbonus Plus bedingt, dass bei vollem Ansatz des Familienbonus Plus bei einem Prozentunterhalt iHv 22 % für ein Jahresnettoeinkommen bis ca. € 53.400,– die Unterhaltslast für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres derart steuerlich entlastet wird, dass eine Anrechnung von Transferleistungen nicht (mehr) erforderlich ist. In diesen Fällen stellt sich somit die Frage nach einer Kürzung der Geldunterhaltspflicht nicht (mehr). Hinzu kommt, dass nach dem von der Rechtsprechung entwickelten "betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell" kein Anspruch des Kindes auf Geldunterhalt besteht, wenn die Betreuungsleistungen der Eltern sowie ihre sonstigen Naturalleistungen annähernd gleichwertig sind und ihr maßgebliches Einkommen in etwa gleich hoch ist.
Für die verbleibenden Fälle einer rechnerischen Unterdeckung ist zu berücksichtigen, dass durch die bestehenden Steuerabsetzbeträge nicht bloß ein geringer Teil der Hälfte der Unterhaltslast abgedeckt wird. Vor diesem Hintergrund ist für die Frage der Anrechnung von Transferleistungen die Funktion und der Effekt des Familienbonus Plus mit dem Zweck der Transferleistungen, den Unterhalt des Kindes abzudecken, in Beziehung zu setzen.
Hiebei zeigt sich, dass für höhere Einkommen zwar eine mit steigendem Einkommen und zunehmendem Prozentunterhalt ansteigende "Unterdeckung" entsteht. Diese Unterdeckung tritt allerdings – anders als für die bis 2018 geltende Rechtslage – nicht für die Mehrzahl der Fälle ein und bedingt in den betroffenen Fällen auch nicht eine bloß geringfügige Entlastung. Die Regelung entfaltet vielmehr die Wirkung eines mit steigendem Einkommen ansteigenden pauschalen Selbstbehaltes.
Dies entspricht im Grunde in pauschalierender Weise den für außergewöhnliche Belastungen vorgesehenen Systemgrundsätzen, die mit steigendem Einkommen eine ansteigende zumutbare Mehrbelastung vorsehen. Dem Gesetzgeber kann hiebei gleichheitsrechtlich nicht entgegengetreten werden, wenn er angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung von Kindern für eine solche pauschale "zumutbare Mehrbelastung" nicht auf die Staffelung des §34 Abs4 EStG 1988 für außergewöhnliche Belastungen abstellt, sondern eine solche ansteigend erst ab einer Grenzsteuerbelastung von 48 % vorsieht.
Vor dem Hintergrund der zur steuerlichen Berücksichtigung von gesetzlichen Unterhaltslasten ergangenen Rechtsprechung vermag der VfGH somit aber in Ansehung der durch den Familienbonus Plus bei voller Geltendmachung eintretenden Entlastung nicht zu erkennen, dass der Gleichheitsgrundsatz gebieten würde, die erst bei hohen Einkommen eintretende Lücke an nicht durch Steuerabsetzbeträge ausgeglichenen Unterhaltslasten für Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres durch weitere steuerliche Abzüge – sei es in Form von Steuerabsetzbeträgen oder Abzügen von der Bemessungsgrundlage – zu ergänzen. Bei der gegebenen Höhe des Familienbonus Plus bewirkt dieser vielmehr unter Berücksichtigung einer zumutbaren Mehrbelastung für höhere Einkommen in einer pauschalen Weise eine vollständige Abgeltung der steuerlichen Belastung. Die dem Familienbeihilfenberechtigten für den Unterhalt des Kindes gewährten Transferleistungen vermögen daher in diesen Fällen auch nicht verfassungsrechtlich eine Kürzung der Geldunterhaltspflicht zu bewirken.
Keine Verpflichtung des Gesetzgebers zum Ausgleich der durch Ansatz lediglich der Hälfte des Familienbonus Plus eintretenden Belastung einen Abzug von der Bemessungsgrundlage vorzusehen:
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kommt es zunächst darauf an, dass §33 Abs3a Z3 lita EStG 1988 dem Geldunterhaltspflichtigen eine entsprechende Möglichkeit zur Inanspruchnahme des vollen Absetzbetrages zur Herbeiführung seiner steuerlichen Entlastung einräumt. Weiters sieht der Gesetzgeber bei gemeinsamer wie auch bei getrennter Haushaltsführung ein durch Antragstellung auszuübendes Wahlrecht je Kind vor, wonach der Familienbonus Plus von einem der beiden Anspruchsberechtigten in voller Höhe oder von beiden jeweils zur Hälfte beansprucht werden kann. Damit soll im Wesentlichen eine steueroptimale Ausschöpfung des Steuerabsetzbetrages ermöglicht werden, zumal der Familienbonus Plus als erster Absetzbetrag nur bis zur Höhe der Steuerschuld in Abzug gebracht werden kann und zu keiner Auszahlung von Negativsteuer führt.
Damit sind aber die Regelungen zur Aufteilung des Familienbonus Plus von der Zielsetzung getragen, im System der Individualbesteuerung einen sachgerechten haushaltsbezogenen Ausgleich zu schaffen, um eine Inanspruchnahme des Familienbonus Plus im höchstmöglichen Ausmaß zu gewährleisten. Die Regelung stellt es den Unterhaltsverpflichteten dabei anheim, eine Zuordnung auch unabhängig von Tarifüberlegungen zu treffen. Die Regelung erlaubt somit auch, unterhaltsrechtliche Erwägungen einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund bestehender Wahlmöglichkeiten trifft somit aber den Gesetzgeber keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, für eine durch Aufteilung eintretende steuerliche Belastung von Unterhaltsbeträgen Abzüge von der Bemessungsgrundlage vorzusehen, selbst wenn die Aufteilung des Familienbonus Plus bei getrennter Haushaltsführung den Regelfall darstellen sollte.
Es ist in solchen Fällen aber von den Zivilgerichten zu prüfen, ob es verfassungsrechtlich geboten ist, die im Vergleich zu einer Geltendmachung des vollen Familienbonus Plus eintretende steuerliche Belastung in Höhe bis zu jährlich € 1.000,– im Rahmen der Bemessung des Geldunterhaltes zu berücksichtigen. Zwar kann in Fällen einer Aufteilung des Familienbonus Plus eine Entlastungsfunktion der Transferleistungen verneint werden, wenn die Aufteilung Ergebnis unterhaltsrechtlicher Erwägungen der Anspruchsberechtigten ist. Besteht jedoch kein Einvernehmen der Anspruchsberechtigten hinsichtlich der Aufteilung, kann auf Grund der hiedurch eintretenden Steuerlast nicht ausgeschlossen werden, dass die Transferleistung ihre Funktion dergestalt ändert, dass sie auf die Geldunterhaltspflicht anzurechnen ist.
Keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes betreffend die Reduktion des Familienbonus Plus bei Kindern ab Vollendung des 18. Lebensjahrs:
Nach der Rsp des VfGH gebietet der Gleichheitsgrundsatz, dass die Unterhaltslast von unterhaltspflichtigen Personen im Vergleich zu nicht unterhaltspflichtigen Personen in angemessener Weise berücksichtigt wird. In Anbetracht der insgesamt unterhaltspflichtigen Personen gewährten staatlichen Leistungen für Unterhaltslasten wird der Gesetzgeber diesen Anforderungen gerecht. Während nach der Rechtslage für das Jahr 2022 für ein Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres die staatlichen Leistungen jährlich insgesamt € 4.398,80 (nämlich Familienbonus Plus iHv € 2.000,–, Kinderabsetzbetrag iHv € 700,80 und Familienbeihilfe iHv € 1.698,–) betragen, tritt ab dem 19. Lebensjahr eine Verminderung auf € 3.332,– ein, wobei der Absenkung des Familienbonus Plus von jährlich € 2.000,– auf € 650,– eine Erhöhung der Familienbeihilfe ab dem 19. Lebensjahr von monatlich € 141,50 auf € 165,10 gegenübersteht. Eine jährliche Leistung von insgesamt € 3.332,– deckt insgesamt betrachtet die Unterhaltslast nach den Vorgaben der Rechtsprechung bis zu einem Jahresnettoeinkommen von ca. € 75.700,– vollständig ab. Für höhere Einkommen entsteht eine Lücke, die gemessen an einer Entlastung für eine Unterhaltslast in Höhe des Unterhaltsstopps (€ 3.900,– für eine Unterhaltslast iHv € 19.500,–) auf € 568,– anwächst.
Keine Bedenken gegen die Differenzierung zwischen Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und ab dem 19. Lebensjahr:
Ausgehend von einer hinreichenden Abdeckung der Unterhaltslasten verbietet der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber nicht, bei der Berücksichtigung von Unterhaltslasten nach sachgerechten Merkmalen zu differenzieren. Folgt man der in den Gesetzesmaterialien gegebenen Begründung, bringt der Gesetzgeber mit der Absenkung des Familienbonus Plus in Anbetracht einer typischerweise bis zum 18. Lebensjahr erlangten Ausbildung eine geringere Verantwortung der Allgemeinheit zur Finanzierung einer steuerlichen Entlastung der Unterhaltspflicht zum Ausdruck. Dem kann vor dem Hintergrund einer – mit Vollendung des 18. Lebensjahres typisierend als gegeben anzunehmenden – potentiellen Selbsterhaltungsfähigkeit der Unterhaltsberechtigten aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden.
Es ist somit aber nicht zu erkennen, dass der Gleichheitsgrundsatz für Kinder nach Vollendung des 18. Lebensjahres gebieten würde, für Unterhaltsaufwendungen, die die steuerliche Entlastungswirkung des Unterhaltsabsetzbetrages und des Familienbonus Plus übersteigen, einen Abzug von der Bemessungsgrundlage (oder alternativ höhere Absetzbeträge) vorzusehen.
Es ist auch nicht zu ersehen, dass in solchen Fällen ein verfassungsrechtliches Gebot bestünde, die Transferleistungen in jedem Fall auf den Geldunterhalt anzurechnen: Bringt der Gesetzgeber mit der Absenkung des Familienbonus Plus von jährlich € 2.000,– auf € 650,– im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes eine geringere Verantwortung der Allgemeinheit zur Finanzierung der Unterhaltslast zum Ausdruck, kann typisierend davon ausgegangen werden, dass der Transferleistung keine Entlastungsfunktion für die durch die Absenkung des Familienbonus Plus auftretende Lücke zukommt. Die Rechtslage steht im Übrigen einer Anrechnung von Transferleistungen auf den Geldunterhalt aus Billigkeitserwägungen im Einzelfall nicht entgegen.
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