Keine Verletzung der Versammlungsfreiheit durch Untersagung der Versammlung "Solidarität mit dem palästinensischen Volk, insbesondere in Gaza, Schluss mit der österreichischen Unterstützung der israelischen Angriffe, für die Einhaltung der österreichischen Neutralität"; Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sowie Zuwiderlaufen des Zwecks der Versammlung gegen Strafgesetze auf Grund der zeitlichen Nähe der Versammlung zu einem terroristischen Anschlag; Überwiegen des Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit gegenüber potentiell drohenden gewaltsamen Aktionen gegen – mit Israel assoziierten – Einrichtungen und Personen infolge der Abhaltung der Versammlung
Im Rahmen der Überprüfung der durch die Behörde gefällten Prognoseentscheidung gelangt das Verwaltungsgericht Wien (VGW) auf das Wesentliche zusammengefasst zum Schluss, dass der Zweck der für den 11.10.2023 – sohin in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den Terrorakten der Hamas vom 07.10.2023 – geplanten Versammlung den Strafgesetzen zuwidergelaufen wäre und dass deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit gefährdet hätte. Das VGW stützt diese Prognose vor allem auf eine kurz zuvor in den sozialen Medien in Umlauf gelangte Ankündigung der als "Mahnwache" bezeichneten Versammlung, in der der Aufruf "Free Palestine From The River To The Sea" enthalten war. In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses berücksichtigte das VGW bei seiner Entscheidung ua Stellungnahmen der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst sowie der Dokumentationsstelle Politischer Islam, die sich mit der Verwendung bzw den möglichen Bedeutungen dieser Parole auseinandersetzten.
Es trifft zwar zu, dass die genannte Wortfolge (und Abwandlungen derselben), die wörtlich übersetzt von einem freien Palästina "vom Fluss bis zum Meer" spricht, prinzipiell unterschiedliche Bedeutungsgehalte aufweisen und transportieren kann. Auch das vom VGW seiner Entscheidung zugrunde gelegte Verständnis, wonach eine (gewaltsame) Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus dem Gebiet zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer angestrebt wird, ist eine mögliche Deutung.
Die genannte Parole wird sinngemäß zwar nicht nur, aber auch von Organisationen im Kontext einer Befürwortung der Vernichtung Israels verwendet, wie insbesondere der Hamas, die als Terrororganisation anzusehen ist.
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sowie Zuwiderlaufen der Versammlung gegen Strafgesetze:
Unbestritten ist, dass die untersagte Versammlung am 08.10.2023 und damit am Tag nach dem unter anderem durch die Hamas verübten terroristischen Anschlag vom 07.10.2023 angezeigt wurde und diese in zeitlicher Nähe zu diesem Anschlag, nämlich am 11.10.2023, stattfinden sollte. Unbestritten ist auch, dass die Versammlung durch ein Sujet angekündigt und beworben wurde, das die Wortfolge "Free Palestine From The River To The Sea" enthielt. Die Beschwerdeführerin führte in der mündlichen Verhandlung vor dem VGW im Einklang mit ihrer schon vor der Versammlungsbehörde getätigten Aussage aus, dass es sich dabei um die ua von ihr verwendete Ankündigung der Versammlung handelte.
Schon aus der Zusammenschau dieser zeitlichen Nähe zu einem terroristischen Ereignis einerseits und der Verwendung eines auch von einer – an diesem Terroranschlag maßgeblich beteiligten – Terrororganisation genutzten Slogans im Vorfeld dieser Versammlung andererseits durfte das VGW mit hinreichender Sicherheit zur Prognose gelangen, dass ihr Zweck den Strafgesetzen zuwidergelaufen wäre und die Abhaltung der Versammlung die öffentliche Sicherheit gefährdet hätte.
Darüber hinaus erweist sich die vorgenommene Prognose auch vor dem Hintergrund des Textes der öffentlichen Ankündigung, in dem die terroristischen Ereignisse als ein "sich wehren, Widerstand leisten und die Absperrungen des Freiluftgefängnisses Gaza durchbrechen" positiv und legitimierend dargestellt wurden, als zutreffend.
In der Abwägung zwischen dem Interesse der Veranstalterin an der Abhaltung der Versammlung und dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit kommt letzterem in diesem Fall der Vorrang zu. Der vom VGW angenommene Zweck der Versammlung war – wie sich aus der durch Tatsachen begründeten Annahme der Begehung verschiedener Straftaten gegen den öffentlichen Frieden ergibt – ein solcher, der die öffentliche Sicherheit in nicht hinzunehmender Weise gefährdet hätte. Das Interesse der Allgemeinheit daran, dass es bei oder infolge der Versammlung nicht zur Begehung solcher Delikte und in weiterer Folge auch nicht zu dadurch angestachelten, hassgeleiteten und gewaltsamen Aktionen gegen Einrichtungen und Personen in Österreich, die aus verschiedenen Gründen mit dem Staat Israel assoziiert werden, kommen kann, überwog das Interesse der Veranstalterin an der Abhaltung der Versammlung.
Es kann auch nicht erkannt werden, dass in der Untersagung deshalb ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit läge, weil der Beschwerdeführerin keine Gelegenheit gegeben worden war, die Versammlungsanzeige zu modifizieren. Zum einen hat die Behörde erst sehr kurz vor dem geplanten Beginn der Versammlung von der – für ihre Prognose maßgeblichen – Art der Bewerbung dieser Versammlung im Internet erfahren, zum anderen kann der VfGH nicht erkennen, dass Veränderungen an der Versammlungsanzeige oder allenfalls auch im Internet veröffentlichte Distanzierungen von der bis dahin verwendeten Ankündigung in sozialen Medien angesichts der Gesamtumstände zu diesem Zeitpunkt mit Blick auf die Versammlung noch zu einer anderen Prognose hätten führen können.
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