WI7/2025 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Leitsatz
Keine Stattgabe der Anfechtungen der Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahl vom 27.04.2025 durch die Wählergruppe "Unbestechliche Partei Österreichs" soweit sie sich gegen die Nichtveröffentlichung der Wahlvorschläge der Anfechtungswerberin bei der Bezirksvertretungswahl für den 11. Wiener Gemeindebezirk sowie bei der Wiener Gemeinderatswahl für den Wahlkreis Simmering und das zweite Ermittlungsverfahren richten; keine Darlegung der "Anleitung" der Wahlbehörde betreffend die – der Wr GemeindewahlO 1996 widersprechende – Nichtbekanntgabe der Bezeichnung des Wahlvorschlags sowie die Nichtzulassung der Wahlvorschläge durch die EDV-technische Erfassung der Wählergruppe; Erforderlichkeit der Unterstützungserklärungen für Kreis- und Bezirkswahlvorschläge für nicht bereits im Gemeinderat bzw der Bezirksvertretung vertretene Parteien; keine Auswirkungen des Unterbleibens der Ladung einer Vertrauensperson zu den Sitzungen der Wahlbehörde auf deren gültige Zusammensetzung oder Beschlussfähigkeit
Zum Vorbringen der "rechtswidrigen Zulassung von Unterstützungserklärungen":
Es kann dahinstehen, ob die Möglichkeit einer notariellen oder gerichtlichen Beglaubigung der eigenhändigen Unterschrift der die Unterstützungserklärung abgebenden Person seit der Novelle der GWO 1996, LGBl 6/2025, weiterhin besteht. Die Anfechtungswerberin legt nicht substantiiert dar, konkret welche Unterstützungserklärungen rechtswidrig gewertet worden sein sollen. Insbesondere führt sie nicht aus, inwiefern damit die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung ihrer Wahlvorschläge tangiert ist, zumal sie selbst — spekulativ — festhält, dass "[e]s sein [konnte], dass Parteien am Stimmzettel standen, die am Stimmzettel nicht hätten stehen dürfen".
Zur Behinderung beim Sammeln von Unterstützungserklärungen:
Die Anfechtungen legen nicht dar, in welchen konkreten Fällen eine §44 Abs3 zweiter Satz GWO 1996 widersprechende "Anleitung" der Wahlbehörde dahingehend, dass die Bezeichnung des Wahlvorschlages nicht auszufüllen sei, stattgefunden haben soll. Soweit die Anfechtungen bloß ausführen, es sei "möglich", dass der Magistrat bzw Dritte eine falsche Parteibezeichnung nachträglich in die "Blanko-Unterstützungserklärung" eintragen habe können, ist dies eine lediglich spekulative und nicht näher substantiierte Behauptung. Die Anfechtungsschriften legen auch nicht dar, inwiefern die EDV-technische Erfassung einer Wählergruppe beim erstmaligen Einlangen einer Unterstützungserklärung eine Rechtswidrigkeit der Nichtzulassung der Wahlvorschläge der Anfechtungswerberin bewirkt haben soll.
Auch das weitere Vorbringen der Anfechtungswerberin im Zusammenhang mit der Nichtvorlage von Unterstützungserklärungen durch diese (intersexuellen Personen sei das Wahlrecht nicht zugestanden worden; die Bezirkswahlbehörde für den 11. Bezirk habe wegen der Auflösung des Bezirksamtes die Wahlen nicht mehr rechtskonform durchführen können und habe zudem Ermächtigungen gemäß §15 Abs3 GWO 1996 rechtswidrig erteilt; Presseaussendungen der "Rathauskorrespondenz" würden ua Art18 und Art20 Abs3 B‑VG verletzen; die verpflichtende Berufsangabe gemäß §43 GWO 1996 sei verfassungswidrig) entspricht dem Erfordernis der (hinreichenden) Substantiierung des Anfechtungsvorbringens nicht. Daran vermögen auch die bloß spekulativen und nicht näher konkretisierten Behauptungen, wonach die Anfechtungswerberin ohne die von ihr ins Treffen geführten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens sowie einzelner Bestimmungen der GWO 1996 die erforderlichen Unterstützungserklärungen erhalten hätte, nichts zu ändern (zum Vorbringen, die GWO 1996 schließe intersexuelle Personen vom Wahlrecht aus, weshalb diese keine Unterstützungserklärungen für die Anfechtungswerberin abgegeben hätten, vgl im Übrigen Art117 Abs2 iVm Abs6 B‑VG). Das Anfechtungsvorbringen entzieht sich daher (auch) in diesen Punkten einer Beurteilung durch den VfGH, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.
Verpflichtung zur Beibringung von Unterstützungserklärungen für den Wahlvorschlag:
Mit der Novelle der GWO 1996, LGBl 6/2025, hat der Wiener Landesgesetzgeber in §44 Abs3 zweiter Satz GWO 1996 die Wortfolge "oder gerichtlich oder notariell beglaubigt ist" aufgehoben. Die in Anlage 6 und 7 zur GWO 1996 enthaltenen Formularfelder zur eigenhändigen Unterschrift "war gerichtlich beglaubigt" sowie "war notariell beglaubigt" wurden nicht verändert.
Die Frage, ob der Wiener Landesgesetzgeber vor diesem Hintergrund weiterhin gerichtlich oder notariell beglaubigte Unterschriften bei Unterstützungserklärungen zulässt, kann hier jedoch dahinstehen. Aus §43 Abs3 sowie §44 Abs1 und 2 GWO 1996 ergibt sich eindeutig, dass (auch weiterhin) Unterstützungserklärungen für Kreis- und Bezirkswahlvorschläge erforderlich sind, sofern die wahlwerbende Partei nicht bereits im Gemeinderat oder in der jeweiligen Bezirksvertretung vertreten ist (oder der Wahlvorschlag von fünf Abgeordneten zum Nationalrat unterschrieben ist). §44 Abs3 GWO 1996 regelt demgegenüber, unter welchen Voraussetzungen der Magistrat die Bestätigung einer Unterstützungserklärung zu erteilen hat; das Erfordernis von Unterstützungserklärungen, die einem Wahlvorschlag beizulegen sind, berührt diese Bestimmung in keiner Weise. Dem Rechtsstandpunkt der Anfechtungswerberin, auf Grund des behaupteten Widerspruches zwischen §44 Abs3 GWO 1996 und Anlage 6 und 7 zur GWO 1996 bestehe keine gesetzliche Verpflichtung, dem Wahlvorschlag Unterstützungserklärungen beizulegen, ist daher nicht zu folgen.
Die Unterstützungserklärung hat gemäß §44 Abs3 GWO 1996 ua die "Bezeichnung des Wahlvorschlages" zu enthalten. Wahlvorschläge sind wiederum gemäß §43 Abs1 GWO 1996 "gesondert für den Gemeinderat und für die Bezirksvertretungen […] (Kreis- und Bezirkswahlvorschläge)" vorzulegen. Unabhängig davon, ob der Wahlkreis oder Bezirk ein "Pflichtfeld" für die Formulare in Anlage 6 und 7 darstellt, ist damit entgegen dem Anfechtungsvorbringen nachvollziehbar, auf welchen Wahlkreis bzw welchen Bezirk sich eine Unterstützungserklärung bezieht.
Gesetzeskonforme Zusammensetzung der Bezirkswahlbehörde:
Dem Vorbringen, dass der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Anfechtungswerberin nie und eine bestimmte Vertrauenspersonen "anfangs" keine Einladungen zu den Sitzungen der Stadtwahlbehörde erhalten hätten, ist in keiner Weise zu entnehmen, welchen Einfluss das Unterbleiben der Ladung einer Vertrauensperson auf die Nichtzulassung der Wahlvorschläge der Anfechtungswerberin genommen haben soll, obwohl es der Anfechtungswerberin auf Grund der Teilnahme zumindest einer ihrer Vertrauenspersonen an den in Betracht kommenden Sitzungen möglich und zumutbar gewesen wäre, das Vorbringen entsprechend zu spezifizieren.
Im Übrigen hat allein eine (allenfalls rechtswidrige) Nichtberücksichtigung der Vertrauensperson in der Ladung zu einer Sitzung der Wahlbehörde keine Auswirkungen auf die gültige Zusammensetzung oder Beschlussfähigkeit einer Wahlbehörde. Der Vertrauensperson wäre jedenfalls nur ein Teilnahmerecht, nicht jedoch ein Stimmrecht zugekommen.
Keine Nichtigerklärung und Aufhebung des gesamten Verfahrens (implizit auch des zweiten Ermittlungsverfahrens) der Gemeinderatswahl sowie der Wahlentscheidung der Stadtwahlbehörde:
Der von der Anfechtungswerberin eingebrachte Kreiswahlvorschlag für den Wahlkreis Simmering wurde von der Wahlbehörde zu Recht nicht veröffentlicht, die Anfechtungswerberin wurde in weiterer Folge zu Recht nicht am ersten Ermittlungsverfahren beteiligt und konnte somit schon von Vornherein am zweiten Ermittlungsverfahren nicht teilnehmen.
Im Hinblick auf die Rsp des VfGH, wonach eine Wählergruppe, deren Wahlvorschlag zu Recht nicht zugelassen wurde, nicht zur Anfechtung des weiteren Wahlverfahrens befugt ist, ist auf die weiteren Bedenken der Anfechtungswerberin schon aus diesem Grund nicht einzugehen. Dasselbe gilt für das in den weiteren Äußerungen der Anfechtungswerberin enthaltene Vorbringen. Der VfGH hat ausschließlich zu prüfen, ob die bereits in der Anfechtung geltend gemachten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens vorliegen. Soweit sich dieses Vorbringen auf das Verfahren vor dem VfGH und nicht auf das Wahlverfahren bezieht, vermag es schon aus diesem Grund keine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens (substantiiert) darzulegen.