V90/2025 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer GeschwindigkeitsbeschränkungsV durch die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit für das gesamte (ausgenommen Vorrangstraßen) Ortsgebiet auf 30 km/h zur Erhöhung der Verkehrssicherheit; Gesetzmäßigkeit der Verordnung trotz falsch zitierter Rechtsgrundlage
Abweisung des Gerichtsantrags auf Aufhebung der Z 47 der Verordnung des Regierungskommissärs für die Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 02.01.2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, sowie der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 16.12.1997, Z 1-120-20/-/Verkehrsberuhigung/44150/1997/150/Bgmstr/St.
Im Unterschied zu §43 StVO 1960 räumt §20 Abs2a StVO 1960 der Behörde einen weiten Spielraum ein, um für ein gesamtes Ortsgebiet Geschwindigkeitsbeschränkungen erlassen. Die Geschwindigkeitsbeschränkung muss (lediglich) geeignet sein, zur Erhöhung der Verkehrssicherheit oder zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe und zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen, beizutragen. Bei der Erlassung von Geschwindigkeitsbeschränkungen gemäß §20 Abs2a StVO 1960 gelten daher nicht die strengen Anforderungskriterien an die Erforderlichkeit nach §43 StVO 1960.
Auf Grund des durch §20 Abs2a StVO 1960 eingeräumten – weiten – Spielraumes für den Verordnungsgeber ist dem Verordnungsgeber nicht entgegen zu treten, wenn er (nicht zuletzt gestützt auf die ergänzende gutachterliche Stellungnahme im Anhörungsverfahren) davon ausgeht, dass die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit für das gesamte Ortsgebiet auf 30 km/h zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beizutragen geeignet ist.
Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg vom 16.12.1997 ist von §20 Abs2a StVO 1960 gedeckt. Sie entspricht nicht den in §43 StVO 1960 aufgestellten Anforderungen, obwohl sie sich ausdrücklich auf diese – falsche – Rechtsgrundlage stützt; die Angabe der falschen Rechtsgrundlage bewirkt jedoch nicht die Gesetzwidrigkeit der Verordnung. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich durch die Überleitung dieser Verordnung in den Rechtsbestand der Gemeinde Seiersberg-Pirka durch Z 47 der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 02.01.2015 daran etwas geändert hat.
Gemäß §94d Z1 StVO 1960 sind Verordnungen nach §20 Abs2a StVO 1960 von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu erlassen, sofern die Verordnungen nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen sollen.
Der vom LVwG Stmk bemängelte Umstand, dass die Feldkirchner Straße im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg im Jahr 1997 eine Vorrang- und Landesstraße gewesen sei, jedoch seit dem Jahr 2013 (teilweise) keine Vorrangstraße mehr sei, führt nicht zur Ausweitung des örtlichen Anwendungsbereiches der Verordnung auf eine Landesstraße (und in Folge zur Unzuständigkeit der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich gemäß §94d StVO 1960), weil die Feldkirchner Straße nach Angaben des LVwG Stmk bereits seit dem Jahr 2009 keine Landesstraße ist.
Zum Vorbringen des LVwG Stmk, die angefochtenen Verordnungen seien gesetzwidrig, weil der Gemeinderat keine Überprüfungen gemäß §96 Abs2 StVO 1960 durchgeführt habe, ist darauf zu verweisen, dass die Verletzung der Überprüfungspflicht für sich alleine keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung zur Regelung oder Sicherung des Verkehrs begründet.