JudikaturVfGH

V119/2024 (V119/2024-9) – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
25. Juni 2025
Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer zum Schutz eines Konzerts erlassenen PlatzverbotsV mangels Begründung einer allgemeinen Gefahr für die Veranstaltung; kein Schutz für Veranstaltungen vor bloßen Störungen durch Dritte durch Erlassung eines Platzverbots iSd SicherheitspolizeiG

Die "Verordnung eines Platzverbotes" der Bezirkshauptmannschaft Landeck (BH) vom 27.03.2024, ZLA-SPG-§48a-Ischgl/4/5-2024 war gesetzwidrig.

Die Verhängung eines präventiven Platzverbotes gemäß §36 Abs1 SPG setzt eine auf bestimmten Tatsachen beruhende Gefahrenprognose voraus, die nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass an einem konkreten Ort eine "allgemeine Gefahr" für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß durch bestimmte (grundsätzlich) gerichtlich strafbare Handlungen entstehen werde. Dies erfordert jeweils eine Prüfung im Einzelfall.

Das Instrument des §36 Abs1 SPG dient nicht nur seinem Wortlaut, sondern auch seinem Sinn und Zweck nach nicht dazu, Veranstaltungen vor zu erwartenden bloßen Störungen durch Dritte, die die Qualität einer allgemeinen Gefahr iSd §16 Abs1 SPG für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß nicht erreichen, zu schützen.

Der VfGH vermag nicht zu erkennen, dass die verordnungserlassende Behörde ihre Einschätzung, die sie zur Verhängung eines Platzverbots bewogen hat, im vorliegenden Fall auf derartige – bestimmte – Tatsachen stützen konnte. Wie die BH in ihrer Äußerung darlegt, sei sie insbesondere durch die Anzahl zu erwartender Besucher der Veranstaltung, den Wert der technischen Bühnenausstattung, eine nicht näher dargelegte Notwendigkeit des Schutzes auftretender Künstler bzw kritischer Infrastruktur sowie der Freihaltung von Korridoren bzw Durchgangsbereichen für Einsatzorganisationen zur Erlassung der angefochtenen Platzverbotsverordnung bewogen worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG Tirol führte der Vertreter der verordnungserlassenden Behörde allgemein aus, dass dabei auch die damals aktuelle Terrorwarnstufe mitberücksichtigt worden sei. Darüber hinaus ergibt sich aus den dort getätigten Aussagen des Behördenvertreters, dass seitens der Behörde die Befürchtung bestand, Klimaaktivisten könnten sich während der Veranstaltung auf der Bühne festkleben.

All dies ist weder im Einzelnen noch in seiner Gesamtheit ausreichend, das Vorliegen "bestimmter Tatsachen" iSd §36 Abs1 SPG, die auf eine allgemeine Gefahr iSv "gefährlichen Angriffen" oder "kriminellen Verbindungen" schließen lassen, zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Verordnung darzutun. Vielmehr handelt es sich bei den beschriebenen Beweggründen allesamt um Umstände, die – in dieser Allgemeinheit – nicht geeignet sind, ein auf §36 Abs1 SPG gestütztes sicherheitspolizeiliches Vorgehen zu begründen.

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