E90/2025 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Zurückweisung von Anträgen auf internationalen Schutz einer in Griechenland als Schutzberechtigte anerkannten Familie von afghanischen Staatsangehörigen; keine Auseinandersetzung mit der ärztlichen Stellungnahme und dem Zugang des Minderjährigen zu medizinischer Versorgung in Griechenland
Das BVwG stellt in Bezug auf den minderjährigen Beschwerdeführer fest, dass er von Geburt an nur eine Niere hat, aber "aktuell keine Krankheitssymptome auf[weise] und […] auch bisher ein Spitalsaufenthalt oder eine Behandlung in Österreich deswegen nicht erforderlich" gewesen sei. Diese Feststellungen zum Gesundheitszustand des minderjährigen Beschwerdeführers ergeben sich nach den Ausführungen des BVwG in der Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses "aus der Aktenlage, [den] eigenen Angaben [der Beschwerdeführer] und den vorgelegten ärztlichen Unterlagen".
Daraus zieht das BVwG rechtlich den Schluss, dass ein reales Risiko einer Verletzung von Art3 EMRK für den minderjährigen Beschwerdeführer nicht vorliege, weil "ein Mensch in der Regel ohne Probleme mit nur einer Niere leben kann. Der BF3 ist aufgrund der Tatsache, dass er nur über eine Niere verfügt, aktuell keineswegs in einem krankheitswertigen Zustand und ist ihm auch das Leben in Griechenland durchaus zumutbar. Insbesondere, da es dort ausreichend ärztliche Versorgung gibt, sollte es tatsächlich einmal zu Problemen kommen."
Die ärztliche gutachterliche Stellungnahme, die das BFA eingeholt hat und auf die sich das BVwG bezieht, beantwortet die hier maßgeblichen Fragen des BFA dahingehend, dass zum Zeitpunkt der Befunderstellung kein akuter Behandlungsbedarf beim minderjährigen Beschwerdeführer vorliege, weshalb sich zu diesem Zeitpunkt aus den Befunden keine weitere Untersuchungsnotwendigkeit ergeben hätte. "Bei Auftreten von akuten Krankheitszeichen ist eine medizinische Abklärung angezeigt, besonders bei Harnwegsinfektionen, um die einzelne Niere möglichst lange funktionsfähig zu halten. […] Gelegentliche Kontrollen der Nierenparameter sind angezeigt, um die Funktionstüchtigkeit der Niere zu prüfen. […] Bedenken gegen die Überstellung [nach Griechenland] aus medizinischer Sicht bestehen dann keine, wenn das Kind am Zielort niederschwelligen Zugang (hinsichtlich finanzieller/versicherungsrechtlicher Art und örtlicher Erreichbarkeit) zum medizinischen System erhält. Der Aufenthalt in kalter Umgebung (Unterbringung!) mit der Gefahr eines Harnwegsinfektes/Nierenbeckenentzündung etc geht mit einer Gesundheitsgefährdung einher, die vermieden werden muss."
Angesichts der spezifischen Umstände im Hinblick auf die Versorgungslage für Schutzberechtigte in Griechenland ist für den VfGH nicht nachvollziehbar, wie angesichts dieser ärztlichen Stellungnahme das BVwG zu seiner (pauschalen) Aussage gelangen kann, dass dem minderjährigen, gesundheitlich beeinträchtigten Beschwerdeführer (mit seiner Familie) als Asylberechtigtem "das Leben in Griechenland durchaus zumutbar [sei]. Insbesondere, da es dort ausreichend ärztliche Versorgung gibt, sollte es tatsächlich einmal zu Problemen kommen".