E3893/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Leitsatz
Keine Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm betreffend die Abweisung eines Antrags auf Namensänderung auf einen – von den Vorfahren des Beschwerdeführers geführten – Namen mit dem Zusatz "von"; Herstellung der demokratischen Gleichheit aller Staatsbürger durch das verfassungsrechtliche Verbot der Führung der Adelsbezeichnung "von"
Der Beschwerdeführer will den 1919 durch das Adelsaufhebungsgesetz abgeschafften Adelsnamen früherer Vorfahren mit der Adelsbezeichnung "von" durch eine entsprechende Namensänderung wieder zu seinem Familiennamen machen. Die zuständigen Behörden haben in unmittelbarer (auch zeitlicher) Reaktion auf das Adelsaufhebungsgesetz den (früheren) Adelsnamen der Vorfahren des Beschwerdeführers ("von ***") auf "***" geändert. Seitdem trägt die Familie des Beschwerdeführers nach österreichischem Namensrecht diesen Namen. Auch der Beschwerdeführer trägt seit seiner Geburt diesen, in den Personenstandsbüchern auch so eingetragenen, Familiennamen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich damit von EGMR 17.01.2023, 19.475/20 ua, Künsberg Sarre. Wie bereits in E v 05.03.2024, E906/2023 dargelegt, war Gegenstand des Verfahrens vor dem EGMR im Fall Künsberg Sarre nicht die Adelsbezeichnung "von", sondern ein selbst gewählter und selbst gebildeter Name(nsbestandteil) der Beschwerdeführer, wenn dieser auch mit "von" gleichlautend war. Dass dieser Unterschied – aus dem Blickwinkel des Art8 EMRK – wesentlich ist, wird in der Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben.
Dies entspricht der Spruchpraxis des EGMR, derzufolge (Verfahren über) Adelstitel nicht vom namensrechtlichen Schutz des Art8 EMRK erfasst sind. Daher macht es auch einen wesentlichen Unterschied, ob eine namensrechtliche staatliche Entscheidung dazu führt, dass der Betroffenen im Unterschied zu ihrem Ehemann eine bestimmte Gestaltung des grundsätzlich gemeinsamen Familiennamens verwehrt wird, oder ob das verfassungsrechtliche Verbot des Adelsaufhebungsgesetzes, die Adelsbezeichnung "von" zu führen, als Ausfluss des verfassungsrechtlichen Prinzips demokratischer Gleichheit der Herstellung dieser Gleichheit und damit den Rechten aller Staatsbürger dient.
Das dem republikanischen Prinzip verpflichtete Bundes-Verfassungsgesetz 1920 baut auf der schon zuvor im Zuge der Errichtung der Republik Österreich durch Verfassungsgesetz (das Adelsaufhebungsgesetz) beschlossenen Aufhebung des Adels und der damit verbundenen Ehrenvorzüge (wie insbesondere die Führung von Adelsbezeichnungen) auf. Das Adelsaufhebungsgesetz steht mit der revolutionären Entstehung der Republik Österreich in einem unmittelbaren Zusammenhang. Die Festlegung, dass Österreich eine demokratische Republik ist, schließt insoweit auch mit ein, dass die Staatsbürger sowohl im Verkehr mit dem Staat als auch in den Beziehungen untereinander davon ausgehen können, dass Vorrechte der Geburt und des Standes ausgeschlossen sind, und Adelsbezeichnungen, die derartiges zum Ausdruck bringen sollen, deshalb, weil sie diesen republikanischen Ausschluss von Vorrechten der Geburt und des Standes in Frage stellen, von österreichischen Staatsbürgern nicht geführt werden dürfen.
Selbst wenn man die vom EGMR im Fall Künsberg Sarre für die dort zu entscheidende Fallkonstellation aus Art8 EMRK abgeleiteten Kriterien für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall heranziehen wollte, überwiegt die mit der Gründung der Republik einhergehende Zielsetzung der Herstellung und Sichtbarmachung demokratischer Gleichheit das individuelle Interesse des Beschwerdeführers, seinen Familiennamen nach dem Recht dieser Republik in einen ehemals adeligen, die Adelsbezeichnung "von" enthaltenden Familiennamen zu ändern (woran auch nichts ändert, dass der Beschwerdeführer im Ausland, etwa in unternehmensrechtlichen Registern, diesen Namen verwendet). Art8 EMRK gewährleistet nicht das Recht, seinen bisherigen rechtmäßigen Familiennamen entgegen dem verfassungsrechtlichen Verbot des Adelsaufhebungsgesetzes in einen solchen unter der Verwendung der Adelsbezeichnung "von" zu ändern, der damit Vorrechte der Geburt oder des Standes zum Ausdruck bringen würde, die gemäß Art7 Abs1 Satz 2 B‑VG ausgeschlossen sind. Die Abweisung der vom Beschwerdeführer begehrten Namensänderung erwiese sich also auch in dieser Hinsicht als gerechtfertigt.
Keine unverhältnismäßige Einschränkung der Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und der Freiheit der Erwerbsausübung aus den bereits oben angeführten Gründen. Keine Verletzung in Rechten wegen Anwendung des für verfassungswidrig erachteten §4 Adelsaufhebungsgesetz auf Grund des Verfassungsrangs dieser Bestimmung.