JudikaturVfGH

E3961/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
11. März 2025
Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter mangels eindeutiger und nachvollziehbarer Zuweisung eines Geschäftsfalles an einen bestimmten Richter bei gleichzeitigem Einlangen mehrerer Geschäftsfälle beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg; keine Möglichkeit einer Zuteilung von zur selben Uhrzeit einlangenden Geschäftsfällen auf Grundlage der Geschäftsverteilung

Die Geschäftsverteilung des LVwG Vbg sieht für das Jahr 2019 in §9 Abs4 vor, dass die Geschäftsfälle aus dem Zuständigkeitsbereich "Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht", die nur Entscheidungen nach dem Baugesetz zum Gegenstand haben, fortlaufend in der Reihenfolge namentlich genannten Richtern zuzuweisen sind. Es werden jedoch in der Geschäftsverteilung keine Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass an einem Tag zwei oder mehrere Geschäftsfälle aus demselben Zuständigkeitsbereich beim LVwG einlangen.

Aus den Beschwerdeausführungen und der Gegenschrift des LVwG ergibt sich, dass die beim LVwG einlangenden Geschäftsfälle mit einem Eingangsvermerk versehen werden, der (lediglich) den Tag und die Form des Einlangens, aber nicht die Uhrzeit des Einlangens dokumentiert. Eine Reihung und Zuweisung im Sinne der in der Geschäftsverteilung festgelegten fortlaufenden Zuteilung nach dem (konkreten) Zeitpunkt des Einlangens an einem Tag ist sohin nicht möglich. An diesem Ergebnis ändert auch die in der Gegenschrift dargestellte Vorgehensweise des LVwG, wonach die einlangenden Beschwerden "nach dem Zeitpunkt des Einlangens in die dem Präsidenten vorzulegende Postmappe eingeordnet" und die Postmappe anschließend dem Präsidenten des LVwG "zur Zuweisung" vorgelegt wird, nichts.

Daher ist es im Ergebnis nicht nachvollziehbar und überprüfbar, warum in einer solchen Konstellation ein Geschäftsfall gerade einem bestimmten Richter zugewiesen wird. Es werden in der Geschäftsverteilung auch keine anderen Vorkehrungen – etwa durch eine Regelung, wie mit gleichzeitig einlangenden Geschäftsfällen umgegangen werden muss – getroffen, um die Zuteilung an einen bestimmten Richter nachvollziehbar festzulegen und somit überprüfbar zu machen.

Die Beschwerde langte ebenso wie eine weitere, gemäß §9 Abs4 der Geschäftsverteilung zuzuweisende Beschwerde am 03.09.2019 beim LVwG ein. Nach dem Beschwerdevorbringen und der Gegenschrift des LVwG wurden der Tag und die Form des Einlangens, nicht aber auch der konkrete Zeitpunkt des Einlangens dieser Geschäftsfälle vom LVwG dokumentiert. Die Geschäftsfälle wurden jeweils einer bzw einem der in §9 Abs4 der Geschäftsverteilung angeführten Richterinnen und Richter zugewiesen. Daraus folgt, dass die Zuständigkeit für die Erlassung des hier angefochtenen Erkenntnisses nicht in der von Art83 Abs2 iVm Art135 Abs2 B‑VG gebotenen eindeutigen Weise und damit nachvollziehbar sowie nachprüfbar feststeht.

An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass nach Aufhebung des Erkenntnisses des LVwG vom 20.02.2020 durch den VwGH erneut dasselbe Mitglied des LVwG über die Beschwerde entschieden hat. §17 Abs4 LVwG-GV 2023, Nr 2 ordnet an, dass im Fall, dass in einer Rechtssache erneut ein Verfahren beim LVwG anhängig wird, dem im Wesentlichen derselbe Sachverhalt zugrunde liegt, jenes Mitglied für die Erledigung dieses Verfahrens zuständig ist, das auch schon für die Erledigung des ersten Verfahrens in dieser Sache zuständig war.

Entgegen der Ansicht des LVwG kann diese Regelung jedoch für Fälle wie den vorliegenden, in denen eine eindeutige und nachvollziehbare Zuteilung auf Grund der Geschäftsverteilung zum Zeitpunkt des erstmaligen Einlangens des Geschäftsfalles nicht erfolgen konnte, keine Sanierung bewirken. Die Regelung des §17 Abs4 LVwG-GV 2023, Nr 2, hat in einem solchen Fall zur Folge, dass die Zuteilung, die nach der früheren Geschäftsverteilung nicht in einer dem Art83 Abs2 iVm Art135 Abs2 B‑VG entsprechenden Weise erfolgen konnte, abermals nicht nach im Vorhinein bestimmten abstrakten Kriterien, sondern konkret wiederum an jenen Richter erfolgt, dem sie bereits zuvor in nicht nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zugeteilt worden war.

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