Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch die unterschiedliche Regelung der Vergütung des Verdienstentganges von unselbständigen und selbständig Erwerbstätigen auf Grund einer nach dem EpidemieG 1950 angeordneten Absonderung; kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip durch die Bemessung des Verdienstentganges selbständig erwerbstätiger Personen anhand des vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommens; keine Gesetzwidrigkeit der pauschalierenden Berechnungsvorgaben für die Ermittlung des periodenbezogenen Einkommensvergleiches
Abweisung von Anträge des Verwaltungsgerichts Wien (VGW – LVwG) auf Aufhebung des §32 Abs4 und 6 EpidmieG 1950 sowie der Anträge auf Aufhebung der §§2, 3, 4 und 6 EpiG-Berechnungsverordnung, idF BGBI II 151/2022. Im Übrigen: Zurückweisung der Verordnungsprüfungsanträge.
Zu §32 Abs4 und 6 EpidemieG:
Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz:
§32 Abs3 und 4 Epidemiegesetz regelt die Vergütung für den absonderungsbedingten Verdienstentgang von Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, einerseits und die Entschädigung für den Verdienstentgang von selbständig erwerbstätigen Personen und Unternehmungen anderseits unterschiedlich. Diese differenzierende Regelung ist jedoch durch Unterschiede im Tatsächlichen – im Vorhinein bestimmtes Entgelt für Arbeitsleistungen einerseits, ungewisses und volatiles Einkommen selbständig Erwerbstätiger anderseits – bedingt und sachlich gerechtfertigt. Im Ergebnis haben beide Regelungen jedoch dasselbe Ziel, nämlich jeweils die tatsächlich verminderten Einkommen infolge einer Maßnahme nach §32 Abs1 Epidemiegesetz auszugleichen.
Kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art18 Abs1 B‑VG:
§32 Abs4 Epidemiegesetz ordnet an, dass die selbständig erwerbstätigen Personen und Unternehmungen gebührende Entschädigung im Falle eines absonderungsbedingten Verdienstentganges "nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen" ist. Die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe für sich allein begründet nach stRsp noch keine Verfassungswidrigkeit. Insbesondere in wirtschaftsrechtlichen Zusammenhängen dürfen die Determinierungsanforderungen nicht überspannt werden. Der VfGH hegt vor diesem Hintergrund (und angesichts der bloß pauschal vorgetragenen Bedenken) keine Zweifel daran, dass der Tatbestand des §32 Abs4 Epidemiegesetz unter Heranziehung aller Interpretationsmethoden einer Auslegung zugänglich ist. Weder §32 Abs4 noch der daran anknüpfende §32 Abs6 Epidemiegesetz widersprechen daher dem Legalitätsprinzip.
§32 Abs6 Epidemiegesetz ermächtigt den für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung "nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs" zu erlassen. Da diese Bestimmung nur zur inhaltlichen Präzisierung der Entschädigungs- oder Vergütungshöhe, nicht jedoch zur Erlassung von Verfahrensvorschriften, die vom AVG oder VwGVG abweichen, ermächtigt, geht das Bedenken des VGW, §32 Abs6 Epidemiegesetz könne in Widerspruch zu Art11 Abs2 oder Art136 Abs2 B‑VG stehen, ins Leere.
Zu den §§2, 3, 4 und 6 EpiG-Berechnungsverordnung:
Die schon in §32 Epidemiegesetz angelegte Unterscheidung bei der Bemessung des Verdienstentganges zwischen selbständig und unselbständig Erwerbstätigen ist durch Unterschiede im Tatsächlichen bedingt und begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die EpiG-Berechnungsverordnung setzt diese differenzierende gesetzliche Regelung bezogen auf das wirtschaftliche Einkommen selbständig Erwerbstätiger um und begegnet insofern ebensowenig Bedenken. Insbesondere vermag der VfGH nicht zu erkennen, inwiefern die EpiG-Berechnungsverordnung bei selbständig Erwerbstätigen geringere Ermittlungs- und Prüfungspflichten als bei unselbständig Erwerbstätigen vorsehen würde.
§32 Abs4 Epidemiegesetz sieht die Bemessung der Entschädigung am "vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen" vor und bringt damit zum Ausdruck, dass nicht in jedem Einzelfall der konkrete Einkommensentfall zu ermitteln, sondern in einer zu einem gewissen Maß pauschalierenden Sichtweise auf das "vergleichbare fortgeschriebene" Einkommen abzustellen ist. Diese Regelung kann für einen Betroffenen im Vergleich zu einer konkreten Ermittlung des Einkommensausfalles im Einzelfall zu günstigeren oder ungünstigeren Ergebnissen führen. Der Gesetzgeber hat dies offensichtlich – vor dem Hintergrund zahlloser Absonderungen (und anderer Einschränkungen von Erwerbstätigkeiten) – im Interesse der Verfahrensökonomie in Kauf genommen. Der VfGH hegt gegen eine solche Pauschalierung keine verfassungsrechtlichen Bedenken und zwar auch nicht im Vergleich zur Vergütung für unselbständig Erwerbstätige, die sich ihrer Art nach einfacher ermitteln lässt. Der VfGH geht davon aus, dass die Pauschalierung im Regelfall zu sachgerechten Ergebnissen, nämlich einer Entschädigung für das tatsächlich entfallene wirtschaftliche Einkommen, führt.
Das VGW macht der Sache nach geltend, dass die Vergleichsrechnung nach der EpiG-Berechnungsverordnung auf Monatsbasis von der Zufälligkeit von Zahlungseingängen abhänge und daher – insbesondere in Branchen, in denen Leistungserbringung und Zahlung auseinanderfalle – ungeeignet sei, den Verdienstentgang sachgerecht zu bemessen. Damit zeigt das VGW keine Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit der EpiG-Berechnungsverordnung auf: Indem sie den Vergleich des Ist-Einkommens mit dem fortgeschriebenen Zieleinkommen oder dem Ersatzzieleinkommen vorsieht, legt die EpiG-Berechnungsverordnung den Einkommensbegriff des §2 Z1 leg cit zugrunde, der in Anlage A der Verordnung geregelt ist. Demnach ist das wirtschaftliche Einkommen das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, das jedenfalls um Effekte von außergewöhnlichen und/oder nicht regelmäßig wiederkehrenden Erträgen und Aufwendungen zu bereinigen ist. Für Entschädigungswerber, die rechnungslegungspflichtig iSd §189 UGB sind, knüpft Anlage A sodann an näher bezeichnete Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung gemäß §231 Abs2 und Abs3 UGB an. Aus der systematischen Einbettung dieser Bestimmung in die Rechnungslegungsvorschriften des UGB folgt, dass Einnahmen und Aufwendungen periodenbezogen zu verstehen sind. Im systematischen Kontext der EpiG-Berechnungsverordnung ist sohin der Periodenbezug zum maßgeblichen Kalendermonat (oder den maßgeblichen Kalendermonaten) geboten. Das bedeutet, dass nicht das Datum von Zahlungen und Zahlungseingängen, sondern die Zuordnung von Zahlungen zu den maßgeblichen Perioden erheblich ist. Gleiches gilt für Antragsteller, die zwar nicht rechnungslegungspflichtig sind, ihr Einkommen für steuerliche Zwecke aber nach §4 Abs1 EStG ermitteln. Zwar "können" Antragsteller, die "Einnahmen-Ausgaben-Rechner" sind, also ihr Einkommen für steuerliche Zwecke mittels Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (und somit ohne Periodenabgrenzung) ermitteln, bei der Ermittlung des EBITDA nach den Grundsätzen des §4 Abs3 EStG vorgehen; daraus folgt jedoch umgekehrt, dass diese Antragsteller (wie etwa die grundsätzlich von der Rechnungslegungspflicht gemäß §189 Abs4 UGB ausgenommenen freien Berufe) ihren Anträgen periodenbereinigte Daten zugrunde zu legen ermächtigt sind. Das Bedenken des VGW, die EpiG-Berechnungsverordnung berücksichtige zeitlich nachlaufende Einkommensausfälle nicht, erweist sich daher als unbegründet.
Der VfGH vermag auch der Auffassung des VGW nicht zu folgen, wonach die EpiG-Berechnungsverordnung fortlaufend erwirtschaftetes Einkommen durch Leistungen des nicht abgesonderten Hilfspersonales des Abgesonderten sowie (Tele-)Arbeitsmöglichkeiten eines abgesonderten, aber nicht arbeitsunfähigen Selbständigen nicht berücksichtige, weil sich solcherart realisierte Einkommensteile ex definitione im "Ist-Einkommen" niederschlagen. Entgegen der Auffassung des VGW befreit die "Einkommensvergleichsrechnung" nicht von jeglichen weiteren Sachverhaltsermittlungen. Davon abgesehen hat der VfGH keine Zweifel, dass der von der EpiG-Berechnungsverordnung vorgesehene (sach- und verordnungsgerecht durchgeführte) zeitraumbezogene Vergleich des wirtschaftlichen Einkommens grundsätzlich in sachlicher Korrelation zur zeitraumbezogenen Erwerbsbehinderung durch Absonderungen steht, sofern nicht nach den Umständen des Falles (etwa bei einer Absonderung während eines Betriebsurlaubes) die Kausalität gänzlich zu verneinen ist. Dies macht die Entschädigung jedoch – entgegen dem Vorbringen des VGW – nicht zu einer "pauschalen Absonderungsprämie"; vielmehr handelt es sich um eine pauschalierende Bemessung der Entschädigung nicht nur im Interesse der "einheitlichen Verwaltungsführung" (§32 Abs6 Epidemiegesetz), sondern auch im Interesse der Verwaltungsökonomie an der Vermeidung ausufernder Detailermittlungen bei zahlreichen Absonderungsfällen während einer Pandemie.
Soweit das VGW einen Widerspruch der auf Vergleiche auf Monatsbasis abstellenden EpiG-Berechnungsverordnung zu §32 Abs2 Epidemiegesetz behauptet, wonach die Vergütung "für jeden Tag zu leisten" ist, der von der behördlich verfügten Maßnahme erfasst ist, genügt es darauf hinzuweisen, dass nach dieser Vorschrift zwar "für" jeden Tag der Erwerbsbehinderung Entschädigung zu leisten ist, damit aber noch keine Anordnung getroffen ist, wie diese Entschädigung zu kalkulieren ist. Die EpiG-Berechnungsverordnung beruht insofern auf der (nachvollziehbaren) Überlegung, dass sich die (Tages-)Dauer der Erwerbsbehinderung zwangsläufig im "Ist-Einkommen" niederschlägt. Dass die Kalkulation der Vergütung für unselbständig Erwerbstätige anders erfolgt, ist durch Unterschiede im Tatsächlichen bedingt und nicht unsachlich. Der behauptete Widerspruch zu §32 Abs2 Epidemiegesetz liegt daher ebenfalls nicht vor.
Das VGW moniert eine Unsachlichkeit der EpiG-Berechnungsverordnung auch deshalb, weil die Vergleichsrechnung trotz tatsächlicher, absonderungsbedingter Verdiensteinbußen einen negativen Wert, sohin ein Ist-Einkommen über dem Zieleinkommen, ergeben könne. Nach Auffassung des VfGH wird damit aber keine Rechtswidrigkeit der Verordnung, sondern eine fehlerhafte Anwendung der Verordnung dargetan: Negative Werte trotz tatsächlicher Verdiensteinbußen können aus einer fehlerhaften Periodenabgrenzung, aus unterbliebener Bereinigung des Ergebnisses um die Effekte von außergewöhnlichen und/oder nicht regelmäßig wiederkehrenden Erträgen und Aufwendungen, aus unangemessener Festsetzung des Fortschreibungsquotienten oder aus unterbliebener Betragsanpassung resultieren. Es ist die Aufgabe des Ermittlungsverfahrens, solche Faktoren auszuschließen.
Nach Auffassung des VGW widerspreche §3 Abs1 (iVm §2 Z4) EpiG-Berechnungsverordnung, wonach der Vergleich mit der entsprechenden Vorjahresperiode anzustellen sei, ferner §32 Abs4 Epidemiegesetz, demzufolge auf das "fortgeschriebene" wirtschaftliche Einkommen und damit auf das der Absonderung unmittelbar vorangehende Einkommen abzustellen sei. Der VfGH teilt diese Auffassung nicht: Der Wortlaut des §32 Abs4 Epidemiegesetz stellt nicht auf das unmittelbar vorangegangene Einkommen, sondern auf das "vergleichbare fortgeschriebene" wirtschaftliche Einkommen ab. Der VfGH vermag dem Verordnungsgeber nicht entgegenzutreten, wenn er unter Berücksichtigung der Saisonalität verschiedener Branchen und aus Gründen der Vergleichbarkeit zunächst das entsprechende Vorjahreseinkommen als Berechnungsgrundlage heranzieht und die vom VGW vermisste Berücksichtigung einer möglichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Wege des (relativ offen gestalteten) Fortschreibungsquotienten (§4 Abs3 EpiG-Berechnungsverordnung) vornimmt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Saison- oder Jahreszeitenabhängigkeit, wie das VGW meint, die Ausnahme darstelle. Unbestritten erfasst §32 Abs4 Epidemiegesetz, der nicht nur bei Absonderungen, sondern auch bei anderen Fällen von Erwerbsbehinderungen nach §32 Abs1 leg cit Anwendung findet, auch saison- oder jahreszeitenabhängige Unternehmungen, und die Anwendung einheitlicher Vergleichsperioden auch für nicht saison- oder jahreszeitenabhängige Selbständige liegt im Interesse der nach §32 Abs6 leg cit angestrebten "Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung".
§6 Abs1 und 2 EpiG-Berechnungsverordnung verpflichtet den Antragsteller, im Antrag die zur Berechnung des Verdienstentganges erforderlichen Mindestangaben zu machen und die Richtigkeit der Berechnungen von einem unabhängigen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Bilanzbuchhalter bestätigen zu lassen. Mit dieser Bestätigung soll die Gewähr der Richtigkeit der Angaben erhöht werden, sodass die zur Bemessung der Entschädigung zuständigen Behörden in Standardfällen bereits auf Grundlage dieser Angaben entscheiden können. Schon aus rechtsstaatlichen Gründen ist §6 Abs2 EpiG-Berechnungsverordnung jedoch nicht die Bedeutung beizumessen, dass die von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Bilanzbuchhalter bestätigten Angaben für die zuständigen Behörden bindend und einer Überprüfung entzogen wären. Vielmehr sind die zur Bemessung der Vergütung zuständigen Behörden nach allgemeinen Verfahrensregeln berechtigt, diese Angaben zu überprüfen, insbesondere dann, wenn die einem Antrag zugrunde liegenden Angaben, wie in einzelnen Anlassfällen naheliegend, unplausibel erscheinen. Den Antragsteller trifft dabei eine Mitwirkungspflicht, deren Missachtung im Rahmen der Beweiswürdigung Niederschlag finden kann. Das vom Verwaltungsgericht behauptete "Ungleichgewicht" im Verhältnis zur Prüfung des Verdienstentganges bei unselbständig Erwerbstätigen und die Bindung an bestätigte Angaben des Antragstellers liegen daher ebenfalls nicht vor.
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