JudikaturVfGH

E456/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
27. Februar 2024

Gemäß §7 Abs1a EpiG konnte die Bezirksverwaltungsbehörde zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach §7 Abs1 leg cit angeführten anzeigepflichtigen Krankheit kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen anhalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränken, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen bestand, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden konnte. Die in §7 Abs1a erster Satz EpiG vorgesehenen Eingriffe konnten mit Bescheid (Mandatsbescheid) oder - bei Gefahr im Verzug - durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt getroffen werden. §28a Abs1 und Abs1a Z1 EpiG sah die Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor. Erst mit der EpiG-Novelle BGBl I 43/2020 wurde vom 15.05.2020 bis zum 30.06.2023 die Möglichkeit der telefonischen Bescheiderlassung vorgesehen (§46 und §50 Abs11 EpiG).

§32 Abs1 Z1 EpiG begründet einen Anspruch auf Vergütung, wenn und soweit jemand "gemäß §§7 oder 17 abgesondert worden" ist. Sowohl nach dem Wortlaut als auch bei verfassungskonformem Verständnis gilt dies sowohl für Fälle der Absonderung durch Bescheid als auch für Fälle der Absonderung durch Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Für den Vergütungsanspruch ist ferner gleichgültig, ob der rechtskräftig gewordene Absonderungsbescheid oder die wirksam gewordene Absonderung durch Befehls- oder Zwangsgewalt rechtmäßig oder rechtswidrig waren. Wie bereits in VfSlg 20.498/2021 festgehalten, ist für Zwecke eines Vergütungsanspruches im Zweifel davon auszugehen, dass Telefonanrufe durch die für Absonderungen zuständige Bezirksverwaltungsbehörde verbindliche Anordnungen, deren Nichtbefolgung auch sanktionsbewehrt ist, zum Gegenstand haben, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände dagegen sprechen.

Der Magistrat der Stadt Wien hat in einem Telefonat mit dem Arbeitnehmer der beschwerdeführenden Gesellschaft "angeordnet, dass er sich bis inklusive 10.04.2020 in Quarantäne begeben muss. [...] Die angeordnete Heimquarantäne dauerte vom 07. bis 10.04.2020". Besondere Umstände, die dagegensprechen, dass im vorliegenden Fall keine verbindliche, sanktionsbewehrte Anordnung vorliege, wurden nicht festgestellt. Durch die Verneinung des Vergütungsanspruchs nach §32 Abs1 Z1 EpiG wurde diese Bestimmung denkunmöglich angewandt.

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