E3506/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
In VfSlg 20.362/2020 wurde festgehalten, dass ein Rechtsträger nur dann als Träger der Straßenbaulast gemäß §49 Abs2 zweiter Halbsatz iVm §48 Abs2 EisbG zur anteiligen Tragung der Kosten für die Sicherung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges verpflichtet werden kann, wenn er die rechtliche Möglichkeit hatte, die (Rechtmäßigkeit der) bescheidmäßig angeordnete(n) Sicherung - und damit seine Verpflichtung zur Kostentragung dem Grunde nach - in Zweifel zu ziehen. Durch die Anordnung der Sicherungsmaßnahme gemäß §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG kommt es nämlich als unmittelbare Rechtsfolge der im Bescheid angeordneten Leistungsverpflichtung des Eisenbahnunternehmens zu einer (Kosten-)Belastung des Trägers der Straßenbaulast. Der Träger der Straßenbaulast ist somit in einem materiellen Sinn Adressat des Bescheids über die Anordnung der Sicherung.
Das bedeutet aber nicht, dass die Entscheidung im Sicherungsverfahren gemäß §49 Abs2 zweiter Halbsatz EisbG für das Kostentragungsverfahren gemäß §49 Abs2 zweiter Halbsatz iVm §48 Abs2 bis 4 EisbG in jedem Fall verbindlich festlegt, wer an der konkreten Eisenbahnkreuzung als Träger der Straßenbaulast anzusehen ist. Wird einer Partei im Sicherungsverfahren keine Parteistellung gewährt und stellt sich erst im Rahmen der Kostenentscheidung heraus, dass diese Partei (bereits) im Sicherungsverfahren als Träger der Straßenbaulast beigezogen werden hätte sollen, ist diese Person als übergangene Partei im Verfahren zur Erlassung des Bescheids über die Anordnung der Sicherung der Eisenbahnkreuzung anzusehen. Für die Bindungswirkung des Sicherungsbescheides kommt es daher maßgeblich darauf an, ob einer im Kostenverfahren herangezogenen Partei die Möglichkeit offenstand, die Rechtmäßigkeit der bescheidmäßig angeordneten Sicherung in Zweifel zu ziehen und dementsprechend anzufechten.
Das LVwG hat sich mit der Parteistellung und der Beschwerdemöglichkeit der beschwerdeführenden Partei im Verfahren zur Erlassung des Bescheids über die Sicherung der Eisenbahnkreuzung und (als Folge dessen) mit der möglichen Heranziehung der beschwerdeführenden Partei als (weiterer) Träger der Straßenbaulast (neben dem Land Niederösterreich) zur Kostentragung nicht hinreichend auseinandergesetzt:
Das LVwG geht - in einer für das weitere Verfahren bindenden Begründung (§28 Abs3 dritter Satz VwGVG) - davon aus, dass die beschwerdeführende Partei Parteistellung im Sicherungsverfahren gehabt hätte. Es ist aber erforderlich, dass der Träger der Straßenbaulast nach der Umschreibung des Verfahrensgegenstandes und dem Spruch des Sicherungsbescheides einzuschätzen vermag, ob und inwieweit er vom Vorhaben (der Sicherung der Eisenbahnkreuzung) rechtlich betroffen ist. Wird durch einen Bescheid gemäß §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG das Projekt zur Sicherung einer Eisenbahnkreuzung zwar verbindlich festgelegt, ist zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht klar und aus dem Spruch des Sicherungsbescheides auch nicht bestimmbar, wer als Träger der Straßenbaulast zur Kostentragung verpflichtet ist, kann einem (potentiellen) Träger der Straßenbaulast auch keine Parteistellung und Beschwerdelegitimation gemäß Art132 Abs1 Z1 B-VG zukommen. Diesfalls ist nämlich nicht erkennbar, ob der (potentielle) Träger der Straßenbaulast durch den Sicherungsbescheid in seinen Rechten überhaupt verletzt sein kann. Aus diesem Grund ist einer Person, die dem (Sicherungs-)Verfahren gar nicht beigezogen wurde, eine solche Person gleichzuhalten, die am Verfahren zwar in irgendeiner Weise beteiligt war, jedoch nicht erkennen konnte, dass bzw inwieweit ihre rechtlichen Interessen tangiert sein könnten.
Dass die beschwerdeführende Partei nicht erkennen konnte, dass sie durch die Sicherungsentscheidung in ihren Rechten berührt sein könnte, ergibt sich zum einen daraus, dass das Land Niederösterreich erstmals im Kostentragungsverfahren gemäß §49 Abs2 EisbG vor dem LVwG die Einwendung erhob, dass die beschwerdeführende Partei als (weiterer) Träger der Straßenbaulast zur Kostentragung (mit-)heranzuziehen sei. Zum anderen geht selbst das LVwG davon aus, dass es unklar sei, ob die beschwerdeführende Partei von der Sicherungsentscheidung rechtlich betroffen sein könnte. Anders ist nämlich nicht zu erklären, dass das LVwG ausführt, es sei "möglich", dass auch die beschwerdeführende Partei als Träger der Straßenbaulast anzusehen sei.
In verfassungskonformer Auslegung des §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG hätte das LVwG die Parteistellung der beschwerdeführenden Partei im Sicherungsverfahren nicht ohne Weiteres als gegeben ansehen dürfen, sondern hätte sich mit der Parteistellung im Sicherungsverfahren und der Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Partei als Träger der Straßenbaulast in jenem Verfahren auseinandersetzen müssen. Indem das LVwG in den tragenden Aufhebungsgründen im angefochtenen Zurückverweisungsbeschluss gemäß §28 Abs3 dritter Satz VwGVG festgestellt hat, dass die beschwerdeführende Partei im Sicherungsverfahren gemäß §49 Abs2 erster Halbsatz EisbG Parteistellung hatte, sich damit aber nicht näher auseinandergesetzt hat, hat es seine Entscheidung mit Willkür belastet.