E2592/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Der im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Version des Länderinformationsblattes ist unter anderem zu entnehmen, dass die syrische Regierung über mehrere kleine Gebiete ("Sicherheitsquadrate") im kurdischen Selbstverwaltungsgebiet verfüge. Vor diesem Hintergrund wäre das BVwG gehalten gewesen, sich näher mit der Einberufungs- und Rekrutierungssituation in der – teils von der syrischen Regierung kontrollierten – Herkunftsregion des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, um nachvollziehbar zum Ergebnis zu kommen, dass ihm als syrischem Staatsangehörigen im wehrdienstfähigen Alter bei einer Rückkehr nach Qamischli keine aktuelle Gefahr einer zwangsweisen Rekrutierung durch die syrische Armee drohe. Insbesondere wäre darzulegen gewesen, auf Grund welcher Feststellungen das BVwG davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer die Regierungsenklaven nicht betreten müsste.
Zum anderen argumentiert das BVwG, dass es dem Beschwerdeführer möglich wäre, sich durch Zahlung einer "Befreiungsgebühr" von der Wehrpflicht zu befreien. Ausführungen dazu, ob es dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Entscheidung tatsächlich – auch finanziell – möglich war, sich vom Wehrdienst der syrischen Armee "freizukaufen", finden sich im angefochtenen Erkenntnis jedoch nicht. Das BVwG lässt außer Acht, dass der Beschwerdeführer dieser Annahme in seiner Beschwerde entgegentrat, indem er unter anderem ausführte, mangels relevanter Einkünfte nicht in der Lage zu sein, für die Befreiungsgebühr aufzukommen. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit der Entrichtung einer Befreiungsgebühr vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl "nicht in Abrede" gestellt habe, entbindet das BVwG nicht davon, seine Annahmen nachvollziehbar zu begründen.