JudikaturVfGH

WI5/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
Öffentliches Recht
20. September 2023
Leitsatz

Stattgabe der Anfechtung der Nachwahl eines Mitglieds des Gemeindevorstands der Gemeinde Franking wegen rechtswidriger Nichtberücksichtigung eines Wahlvorschlags; Unbedenklichkeit der – nach erfolgloser Fraktionswahl durchzuführenden – Mehrheitswahl durch den Gemeinderat für die Besetzung eines Gemeindevorstandsmandats bei Nichterreichen des Anwesenheitsquorums; keine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens wegen Verletzung des geheimen Wahlrechts mangels eines Antrags auf Durchführung einer geheimen Wahl

Das Verfahren zur Nachwahl in den Gemeindevorstand der Gemeinde Franking vom 13.04.2023 wird beginnend mit dem Antrag des Bürgermeisters, das von der Fraktion "ÖVP" vorgeschlagene Mitglied des Gemeinderates in den Gemeindevorstand zu wählen, aufgehoben. Eine Wiederholungswahl hat zu unterbleiben, weil nach der Zurücklegung des Mandates durch die mit der angefochtenen Wahl gewählte Person bereits eine neuerliche Nachwahl stattgefunden hat. Kosten können nicht zugesprochen werden, weil ein Kostenersatz im Verfahren nach Art141 B‑VG nur in §71a Abs5 VfGG vorgesehen ist, dessen Anwendung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der – im Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers liegenden – Regelung, nach der im Fall des Verzichts der vorschlagsberechtigten Wahlpartei auf die Besetzung des Gemeindevorstandsmandates eine Mehrheitswahl durch den Gemeinderat erfolgt. Das Nichterreichen des Anwesenheitsquorums von zwei Dritteln der bei der Fraktionswahl wahlberechtigten Gemeinderatsmitglieder gemäß §29 Abs2 und 3 Oö GemO 1990 ist einem derartigen "Verzicht" gleichzuhalten. Gegen dieses Anwesenheitserfordernis bestehen schon im Hinblick auf die Pflicht aller Gemeinderatsmitglieder zur Teilnahme an den Sitzungen des Gemeinderates gemäß §47 Oö GemO 1990 keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Keine kurzfristige Verschiebung der Gemeinderatssitzung: Der Sitzungsplan ist gemäß §45 Abs1 Oö GemO 1990 nicht verbindlich und schließt daher eine Einberufung von Sitzungen zu anderen Terminen nicht aus. Die Verständigung von der für den 13.04.2023 anberaumten Gemeinderatssitzung erfolgte per E-Mail am 04.04.2023 und somit entsprechend §45 Abs3 Oö GemO 1990 mindestens sieben Tage vor der Sitzung.

Keine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens wegen Verletzung des geheimen Wahlrechts: Die an der Gemeinderatssitzung teilnehmende Erstanfechtungswerberin hätte die Möglichkeit gehabt, den von ihr behaupteten Verstoß gegen das geheime Wahlrecht aufzuzeigen bzw entsprechende Anträge zu stellen und den Vorsitzenden auf die ihrer Ansicht nach vorliegende Mangelhaftigkeit des Wahlverfahrens hinzuweisen. Weder ergibt sich aus der Niederschrift über die Wahl noch wird in der Wahlanfechtung behauptet, dass die Anfechtungswerber entsprechende Anträge gestellt bzw die Mangelhaftigkeit des Wahlverfahrens aufgezeigt hätten.

Keine Berücksichtigung der Wahlvorschläge aus der (erfolglosen) Fraktionswahl bei der Mehrheitswahl des Gemeinderats:

Nach §29 Abs3 Oö GemO 1990 geht das Recht der Besetzung der für die betreffende Fraktion in Frage kommenden Mandate auf den gesamten Gemeinderat über, wenn bei der Fraktionswahl kein oder nur ein ungültiger Wahlvorschlag eingebracht worden ist oder nicht mindestens zwei Drittel der dabei wahlberechtigten Mitglieder des Gemeinderates anwesend sind. Der zuletzt genannte Fall setzt also die Einbringung eines gültigen Wahlvorschlages durch die Fraktion voraus. Kommt eine Fraktionswahl mangels Anwesenheit von zwei Drittel der wahlberechtigten Fraktionsmitglieder nicht zustande, ändert dies nichts am Vorliegen des Fraktionswahlvorschlages. Dieser ist daher auch dem weiteren Wahlverfahren, nämlich der Wahl durch den gesamten Gemeinderat, zugrunde zu legen. Darüber hinaus sind auf Grund des sinngemäßen Verweises des §29 Abs3 Oö GemO 1990 auf §25 Abs3 bis 5 und 7 leg cit alle anderen Fraktionen (und zwar mangels Verweises auf §25 Abs2 leg cit nicht nur jene, die einen Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand haben) berechtigt, ebenfalls einen Wahlvorschlag einzubringen.

Es ist zwar rechtmäßig, dass der Bürgermeister den Wahlvorschlag der Fraktion "ÖVP" dem Wahlverfahren gemäß §29 Abs3 iVm §25 Abs3 bis 5 und 7 Oö GemO 1990 zugrunde gelegt hat, obwohl dieser bereits eingebracht worden ist, bevor feststand, dass es nicht zu einer erfolgreichen Fraktionswahl gemäß §26 Abs3 iVm §32 Abs2 Oö GemO 1990 kommt, weil die Wahlordnung keine nähere Regelung zum Zeitpunkt der Einbringung weiterer Wahlvorschläge enthält. Allerdings erweist es sich nach den vorangegangenen Ausführungen als rechtswidrig, dass der gültig eingebrachte und auch nach dem Unterbleiben einer Fraktionswahl weiterhin vorliegende Wahlvorschlag der Fraktion "MFG" nicht mehr berücksichtigt wurde und dass daher nur über den Wahlvorschlag der Fraktion "ÖVP" abgestimmt wurde.

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