JudikaturVfGH

G106/2022 ua, V140/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
27. Juni 2023

§6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 wurde in der (im ursprünglichen Antrag genannten) Fassung BGBl I 104/2019 bzw in der (in der nachträglichen Eingabe genannten) - gleichlautenden - "Fassung bis einschließlich BGBl I [10/2022]" mit dem Abgabenänderungsgesetz 2022 (AbgÄG 2022), BGBl I 108/2022, dergestalt geändert, dass nach der Wortfolge "Beförderungen von Personen mit" das Wort samt Satzzeichen "Eisenbahnen," eingefügt wurde. §6 Abs1 Z3 litd idF BGBl I 108/2022 ist mit 01.01.2023 in Kraft getreten und auf Umsätze und sonstige Sachverhalte anzuwenden, die nach dem 31.12.2022 ausgeführt werden bzw sich ereignen. Somit ist seit dem 01.01.2023 die grenzüberschreitende Personenbeförderung nicht nur mit Luftfahrzeugen (oder Schiffen), sondern auch mit Eisenbahnen, echt von der Umsatzsteuer befreit.

Vor dem Hintergrund des Antragsvorbringens, wonach die Steuerbefreiung der grenzüberschreitenden Personenbeförderung mit Luftfahrzeugen bei gleichzeitig bestehender Steuerpflicht der deutlich emissionsärmeren Personenbeförderung mit Eisenbahnen unsachlich sei, weil trotz des raschen Voranschreitens der Klimakrise die Inanspruchnahme des klimaschädlicheren Verkehrsmittels gefördert und die Inanspruchnahme des klimafreundlicheren Verkehrsmittels pönalisiert werde, steht die angefochtene Wortfolge "und Luftfahrzeugen" in §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994, welche durch das AbgÄG 2022 im Wortlaut nicht verändert wurde, in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem durch das AbgÄG 2022 neu in diese Bestimmung eingeführten Wort samt Satzzeichen "Eisenbahnen,". Damit ist aber davon auszugehen, dass §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 mit dem Inkrafttreten des AbgÄG 2022 am 01.01.2023 als insgesamt neu erlassen anzusehen ist.

Da §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 idF BGBl I 104/2019 bzw in der gleichlautenden "Fassung bis einschließlich BGBl I [10/2022]" damit nicht mehr in Kraft steht, fehlt der Antragstellerin insoweit die - nicht bloß im Zeitpunkt der Einbringung des Individualantrages, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH hierüber - erforderliche Betroffenheit durch diese Bestimmung und damit die Legitimation zu deren Anfechtung.

Die Verpflichtung zur Entrichtung der Umsatzsteuer trifft den Unternehmer, der steuerbare Umsätze ausführt. Die Auswirkung der Umsatzsteuer auf das im abzuschließenden Rechtsgeschäft vereinbarte Entgelt ist nach stRsp des VfGH allein wirtschaftlicher und nicht rechtlicher Natur. Dies gilt selbst dann, wenn das Gesetz dem Unternehmer ein Wahlrecht einräumt, eine steuerbefreite Leistung steuerpflichtig zu behandeln. Umsatzsteuerrechtliche Vorschriften sind in Anbetracht der diesen Regelungen zugrunde liegenden Belastungskonzeption grundsätzlich nicht geeignet, den Verbraucher in seiner Rechtssphäre zu verletzen. Dies gilt auch für den Fall der Antragstellerin.

Zur Zulässigkeit des Antrages betreffend §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 ist zu beachten, dass die Verpflichtung zur Entrichtung der Mineralölsteuer den Inhaber des Steuerlagers gemäß §22 MinStG 2022 trifft. Dabei hängt es von vielen Faktoren ab, inwieweit eine aus dem Entfall einer Steuerbefreiung den Steuerschuldner treffende Abgabenlast am Markt auf die Verbraucher ökonomisch abwälzbar ist und auch tatsächlich vom Steuerschuldner abgewälzt wird. Hieraus ergibt sich, dass Verbraucher durch verbrauchsteuerliche Bestimmungen selbst dann nicht in ihren Rechten verletzt wären, wenn die Abgabenlast allenfalls auf die Verbraucher überwälzt würde.

Soweit sich der Antrag gegen die Wortfolge "und Luftfahrzeugen" in §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und gegen §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 richtet, ist er daher - mangels Legitimation - als unzulässig zurückzuweisen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin vermag daran auch der Umstand nichts zu ändern, dass der VfGH auch nicht unmittelbar von einer Regelung betroffene Personen als Normadressaten angesehen hat, wenn durch die Regelung ihrem Inhalt und Zweck nach nicht nur deren tatsächliche Situation berührt wird, sondern auch in deren Rechtssphäre eingegriffen wird. §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MinStG 2022 sind nämlich ihrem Inhalt und Zweck nach nicht von einer solchen Wirkung auf die Antragstellerin als Verbraucherin, dass diese als Normadressatin anzusehen wäre.

Der "wegen des Wegfalls der verfassungswidrigen Gesetzesgrundlage" erhobene Antrag auf Aufhebung der Luftfahrtbegünstigungsverordnung ist mangels Darlegung von Bedenken zurückzuweisen.

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