E2174/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Im Rahmen des Kindschafts- und Namensrechts-ÄnderungsG 2013 erfolgte ua eine Umnummerierung bestimmter Paragrafen im ABGB: Aus den §§186 und 186a ABGB wurden die §§184 und 185 ABGB. Diese Änderung wurde im FLAG 1967 bisher nicht nachvollzogen. Der VfGH geht davon aus, dass die Bezugnahme auf die §§186 und 186a ABGB in §2 Abs3 litd FLAG 1967 nunmehr als Bezugnahme auf die §§184 und 185 ABGB zu verstehen ist.
Aus dem Blickwinkel des FLAG 1967 müsste die Differenzierung des BVwG (der Gesetzgeber habe bewusst zwischen leiblichen Kindern und unter anderem Pflegekindern differenzieren wollen und diese daher unterschiedlich geregelt) aber aus besonderen Gründen im Hinblick auf Art7 Abs1 B-VG sachlich gerechtfertigt sein. Derartige Gründe sind dem VfGH nicht ersichtlich; das Gesetz lässt aber nach Wortlaut und Zweck ohne weiteres eine verfassungskonforme Auslegung zu, wonach die Gewährung von Familienbeihilfe und die Möglichkeit der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Pflegekindes nach §18a ASVG auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes möglich sind.
Der Gesetzgeber regelt in §2 Abs1 litb bis l FLAG 1967, unter welchen Voraussetzungen Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder haben. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Verweis auf §§186 und 186a ABGB in §2 Abs3 litd FLAG 1967 darüber hinaus unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz bei Eintritt der Volljährigkeit eines Pflegekindes einen Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich ausschließen wollte. Im Gegenteil hat er bei der Novelle BGBl 284/1972 des FLAG 1967 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass im Rahmen des §2 Abs3 FLAG 1967 die völlige Gleichstellung von Pflegekindern mit den übrigen Kindern erreicht werden soll.
Vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers sowie nach dem Zweck der maßgeblichen Bestimmungen ist eine Auslegung zugrunde zu legen, wonach es sich auch nach Eintritt der Volljährigkeit eines behinderten Pflegekindes um ein Pflegekind iSv §2 Abs3 litd FLAG 1967 handeln kann und sohin ein Anspruch auf Familienbeihilfe und die Möglichkeit einer Selbstversicherung nach §18a ASVG bestehen kann. Einem derartigen Ergebnis steht auch der Gesetzeswortlaut nicht entgegen: Der Hinweis auf §§186 und 186a ABGB (nunmehr §§184 und 185 ABGB) in §2 Abs3 litd FLAG 1967 kann - und muss daher - in verfassungskonformer Auslegung so gelesen werden, dass behinderte Pflegekinder nicht schon alleine auf Grund des Eintrittes der Volljährigkeit keine Kinder mehr iSv §2 Abs3 FLAG 1967 sind.