G203/2023, SV3/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Der VfGH kann nicht erkennen, dass §110 Abs2 JN gegen Art6 EMRK und Art47 GRC verstößt. Nach der stRsp wird durch §110 Abs2 JN der Zugang zu einem Gericht nicht verwehrt: Das Gericht darf nur dann von der Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens absehen, wenn gesichert ist, dass die Rechte und Interessen des Minderjährigen oder der sonstigen schutzberechtigten Personen durch die Behörden des ausländischen Staates ausreichend gewahrt sind. Mit einer Vorgangsweise nach §110 Abs2 JN erlischt die österreichische internationale Zuständigkeit nicht; sie wird lediglich nicht ausgeübt, soweit und solange durch ausländische Maßnahmen das Wohl des Pflegebefohlenen in inhaltlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht ausreichend gewahrt ist. Soweit und sobald dies nicht mehr zutrifft, ist das inländische Verfahren einzuleiten bzw fortzusetzen.
Auf den Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des gesamten Haager Kindesentführungsübereinkommens kann der VfGH schon deswegen nicht eingehen, weil zum einen keine Konkretisierung der behaupteten Verfassungswidrigkeit erfolgt und zum anderen die Anfechtung des gesamten Übereinkommens nicht zulässig ist.