JudikaturVfGH

G115/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz

Rechtssatz
01. Juli 2022

Der VfGH kann nicht erkennen, dass §39 ARHG gegen die Unschuldsvermutung (Art6 Abs2 EMRK und Art48 Abs1 GRC) verstieße, weil "durch das Abstellen auf 'erhebliche' Bedenken" "ein gänzlicher Freibeweis" verlangt werde: Anlassfall des vorliegenden Antrages ist nicht das Auslieferungsverfahren, das bereits rechtskräftig abgeschlossen ist, und damit auch nicht die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung, sondern nur ein diesbezügliches Wiederaufnahmeverfahren.

Abgesehen davon wird auch im eigentlichen Auslieferungsverfahren nicht über die Schuld des Betroffenen iSv Art6 Abs2 EMRK und Art48 Abs1 GRC entschieden. Die Zulässigkeit der Auslieferung ist vielmehr an Hand des Auslieferungsersuchens und seiner Unterlagen zu prüfen. Ob die betroffene Person der ihr zur Last gelegten strafbaren Handlung nach den Auslieferungsunterlagen hinreichend verdächtig ist, ist nur zu prüfen, wenn insoweit erhebliche Bedenken bestehen, insbesondere wenn Beweise vorliegen oder angeboten werden, durch die der Verdacht ohne Verzug entkräftet werden könnte (§33 Abs2 ARHG; Prinzip der formellen Prüfung). Die Schuldfrage ist daher nicht im Auslieferungsverfahren zu klären, sondern im Verfahren des ersuchenden Staates. Auslieferungsverfahren im ersuchten Staat betreffen als solche somit nicht die Prüfung einer "strafrechtlichen Anklage" iSv Art6 EMRK und Art48 Abs1 GRC und liegen daher grundsätzlich außerhalb der Schutzbereiche dieser Vorschriften.

Soweit der Antragsteller Bedenken dahingehend geltend macht, dass Auslieferungen nur aus den in §19 Z1 ARHG genannten Gründen unzulässig sind, hat der Antrag im Hinblick darauf, dass die Zulässigkeit der Auslieferung gemäß §33 Abs3 ARHG in rechtlicher Hinsicht einschließlich aller sich aus den zwischenstaatlichen Vereinbarungen ergebenden Voraussetzungen und Hindernisse für die Auslieferung der betroffenen Person umfassend unter dem Gesichtspunkt der der betroffenen Person nach Gesetz und Bundesverfassung - somit einschließlich der Europäischen Menschenrechtskonvention - zukommenden subjektiven Rechte zu prüfen ist, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

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