V52/2022 (V52/2022-9) – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Gesetzwidrigkeit der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 08.06.2020, ZVSR-VO-Lrg/Außerfern/260-2020, im Umfang der Wortfolgen "und auf der L 266 Bschlaber Straße" im Titel der Verordnung, "sowie auf der L 266 Bschlaber Straße von Straßenkilometer 9,500 + 98m in der Gemeinde Pfafflar und Straßenkilometer 0,00 + 38m in der Gemeinde Elmen" in §1 sowie der Wortfolgen "L 266 Bschlaber Straße bei km 0,00 +38m" und "L 266 Bschlaber Straße bei km 9,500 +98m" in §2. Im Übrigen: Zurückweisung des Antrags des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG).
Der Antrag umfasst, soweit er sich auf das Fahrverbot auf der L 72 Hahntennjochstraße, 2. Teil (Bezirksgrenze Imst-Reutte), in der Gemeinde Pfafflar sowie auf der L 246 Hahntennjochstraße, 1. Teil (Bezirksgrenze Imst-Reutte), bezieht, auch Bestimmungen, die im Anlassfall offenkundig nicht präjudiziell sind, weil sie vom Beschwerdeführer nicht befahrene Streckenabschnitte betreffen. Es handelt sich um ein durchgehendes Fahrverbot für einspurige Kraftfahrzeuge, die ein Standgeräusch (Nahfeldpegel) von mehr als 95 dB aufweisen. Dieses wurde jedoch für die drei fließend ineinander übergehenden Landesstraßen jeweils gesondert kundgemacht. Die Bestimmungen betreffend die unterschiedlichen Streckenabschnitte sind daher offensichtlich trennbar. Das LVwG hat im Übrigen auch keine Bedenken in Bezug auf die Streckenabschnitte L 72 Hahntennjochstraße, 2. Teil, und L 246 Hahntennjochstraße, 1. Teil, vorgebracht. Ungeachtet der Formulierung "[...] feststellen, dass die Verordnung nicht ordnungsgemäß kundgemacht ist", ist der Antrag im Zusammenhang mit seiner Begründung als Aufhebungsbegehren zu verstehen. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Antrag, soweit er sich auf das Fahrverbot im Bereich der L 266 Bschlaber Straße, von Straßenkilometer 0,00 + 38 Meter bis Straßenkilometer 9,500 + 98 Meter, bezieht, als zulässig.
Eine ordnungsgemäße Kundmachung der Verordnung iSd §44 Abs1 StVO 1960 hat am Beginn und am Ende des betroffenen Streckenabschnittes sowie bei jeder Einmündung in den betroffenen Streckenabschnitt zu erfolgen. §2 der angefochtenen Verordnung ordnet darüber hinaus - neben im Einzelnen angeführten Kundmachungsstandorten auf den von dem verordneten Fahrverbot betroffenen Streckenabschnitten - ausdrücklich an, dass bei der Kundmachung der Verordnung sämtliche Einmündungen nicht untergeordneter Straßen (§19 Abs6 StVO 1960) in den betroffenen Streckenabschnitt durch Anbringung von Straßenverkehrszeichen gemäß §52 lita Z6b StVO 1960 samt entsprechender Zusatztafeln zu berücksichtigen sind. Eine Kundmachung, die nicht an allen Örtlichkeiten dem Gesetz entspricht, ist mangelhaft. Eine auf diese Weise kundgemachte Verordnung ist zwar existent, jedoch bis zur Behebung des Mangels mit Gesetzwidrigkeit behaftet.
Die verordnungserlassende Behörde hat das Vorbringen des LVwG, wonach sich - auch zum Zeitpunkt der Begehung der Verwaltungsübertretung - bei drei Einmündungen von Gemeindestraßen in den vom Fahrverbot betroffenen Streckenabschnitt der L 266 Bschlaber Straße keine Beschilderung entsprechend der ausdrücklichen Anordnung des §2 der angefochtenen Verordnung befunden habe, im Verfahren vor dem VfGH bestätigt. Die Verordnung war daher - soweit sie ein Fahrverbot für einspurige Kraftfahrzeuge, die ein Standgeräusch (Nahfeldpegel) von mehr als 95 dB aufweisen, auf der L 266 Bschlaber Straße vorsieht - nicht ordnungsgemäß kundgemacht.
Die verordnungserlassende Behörde hat mitgeteilt, dass die angefochtene Verordnung mit Ablauf des 31.10.2020 außer Kraft getreten sei. Der VfGH hat daher gemäß Art139 Abs4 B-VG festzustellen, dass sie gesetzwidrig war. Die festgestellten Kundmachungsmängel betreffen ausschließlich den im Verfahren vor dem antragstellenden LVwG präjudiziellen Streckenabschnitt auf der L 266 Bschlaber Straße. Das mit der angefochtenen Verordnung verfügte Fahrverbot für einspurige Kraftfahrzeuge, die ein Standgeräusch (Nahfeldpegel) von mehr als 95 dB aufweisen, galt darüber hinaus auch auf der L 72 Hahntennjochstraße, 2. Teil, und auf der L 246 Hahntennjochstraße, 1. Teil. Die Kundmachung auf diesen Streckenabschnitten erfolgte jedoch gesondert, jeweils durch Aufstellung entsprechender Straßenverkehrszeichen. Eine Feststellung der Gesetzwidrigkeit der ganzen Verordnung gemäß Art139 Abs3 Z3 B-VG kommt daher nicht in Betracht.